Der Schneider, auf dem der Beamte sein Auge still und höflich ruhen ließ, griff sich noch stärker an, warf die gräßlichsten Blicke, deren er mächtig werden konnte, umher, und gebärdete sich wie ein schaumbedeckter Schamane. Aber die Schnotter- baum blieb ruhig liegen und kein Dämon erschien. Plötzlich schnappte der Magische in einer ungeheu- ren Formel, die er unvollendet ließ, kurz ab, rief, den Beamten zornig anblickend: Wenn ich immer beguckt werde, dann weichen die beiden Geister der Stärk', welche mir helfen! und rannte aus der Stube.
Der Beamte sprach jetzt noch höflicher als zu- vor: O meine Herren, ich sehe wohl, daß Sie mich für meine Zudringlichkeit bestrafen wollen. Dürfte ich nichtsdestoweniger Sie Herr Doctor Eschenmichel wohl ersuchen, mir gefälligst den Dä- mon vorzustellen, der hier so oft seine Aufwartung gemacht hat? -- Eschenmichel zog die Achseln in die Höhe, ging gleichwohl zur Schnotterbaum und sprach mit dem Dämon auf Kabbalistisch und Swedenborgisch. Aber die Schnotterbaum blieb ruhig liegen und der Dämon kam nicht. Eschen- michel folgte darauf dem Schneider, indem er sagte,
Der Schneider, auf dem der Beamte ſein Auge ſtill und höflich ruhen ließ, griff ſich noch ſtärker an, warf die gräßlichſten Blicke, deren er mächtig werden konnte, umher, und gebärdete ſich wie ein ſchaumbedeckter Schamane. Aber die Schnotter- baum blieb ruhig liegen und kein Dämon erſchien. Plötzlich ſchnappte der Magiſche in einer ungeheu- ren Formel, die er unvollendet ließ, kurz ab, rief, den Beamten zornig anblickend: Wenn ich immer beguckt werde, dann weichen die beiden Geiſter der Stärk’, welche mir helfen! und rannte aus der Stube.
Der Beamte ſprach jetzt noch höflicher als zu- vor: O meine Herren, ich ſehe wohl, daß Sie mich für meine Zudringlichkeit beſtrafen wollen. Dürfte ich nichtsdeſtoweniger Sie Herr Doctor Eſchenmichel wohl erſuchen, mir gefälligſt den Dä- mon vorzuſtellen, der hier ſo oft ſeine Aufwartung gemacht hat? — Eſchenmichel zog die Achſeln in die Höhe, ging gleichwohl zur Schnotterbaum und ſprach mit dem Dämon auf Kabbaliſtiſch und Swedenborgiſch. Aber die Schnotterbaum blieb ruhig liegen und der Dämon kam nicht. Eſchen- michel folgte darauf dem Schneider, indem er ſagte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0338"n="320"/>
Der Schneider, auf dem der Beamte ſein Auge<lb/>ſtill und höflich ruhen ließ, griff ſich noch ſtärker<lb/>
an, warf die gräßlichſten Blicke, deren er mächtig<lb/>
werden konnte, umher, und gebärdete ſich wie ein<lb/>ſchaumbedeckter Schamane. Aber die Schnotter-<lb/>
baum blieb ruhig liegen und kein Dämon erſchien.<lb/>
Plötzlich ſchnappte der Magiſche in einer ungeheu-<lb/>
ren Formel, die er unvollendet ließ, kurz ab, rief,<lb/>
den Beamten zornig anblickend: Wenn ich immer<lb/>
beguckt werde, dann weichen die beiden Geiſter<lb/>
der Stärk’, welche mir helfen! und rannte aus der<lb/>
Stube.</p><lb/><p>Der Beamte ſprach jetzt noch höflicher als zu-<lb/>
vor: O meine Herren, ich ſehe wohl, daß Sie<lb/>
mich für meine Zudringlichkeit beſtrafen wollen.<lb/>
Dürfte ich nichtsdeſtoweniger Sie Herr Doctor<lb/>
Eſchenmichel wohl erſuchen, mir gefälligſt den Dä-<lb/>
mon vorzuſtellen, der hier ſo oft ſeine Aufwartung<lb/>
gemacht hat? — Eſchenmichel zog die Achſeln in<lb/>
die Höhe, ging gleichwohl zur Schnotterbaum und<lb/>ſprach mit dem Dämon auf Kabbaliſtiſch und<lb/>
Swedenborgiſch. Aber die Schnotterbaum blieb<lb/>
ruhig liegen und der Dämon kam nicht. Eſchen-<lb/>
michel folgte darauf dem Schneider, indem er ſagte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[320/0338]
Der Schneider, auf dem der Beamte ſein Auge
ſtill und höflich ruhen ließ, griff ſich noch ſtärker
an, warf die gräßlichſten Blicke, deren er mächtig
werden konnte, umher, und gebärdete ſich wie ein
ſchaumbedeckter Schamane. Aber die Schnotter-
baum blieb ruhig liegen und kein Dämon erſchien.
Plötzlich ſchnappte der Magiſche in einer ungeheu-
ren Formel, die er unvollendet ließ, kurz ab, rief,
den Beamten zornig anblickend: Wenn ich immer
beguckt werde, dann weichen die beiden Geiſter
der Stärk’, welche mir helfen! und rannte aus der
Stube.
Der Beamte ſprach jetzt noch höflicher als zu-
vor: O meine Herren, ich ſehe wohl, daß Sie
mich für meine Zudringlichkeit beſtrafen wollen.
Dürfte ich nichtsdeſtoweniger Sie Herr Doctor
Eſchenmichel wohl erſuchen, mir gefälligſt den Dä-
mon vorzuſtellen, der hier ſo oft ſeine Aufwartung
gemacht hat? — Eſchenmichel zog die Achſeln in
die Höhe, ging gleichwohl zur Schnotterbaum und
ſprach mit dem Dämon auf Kabbaliſtiſch und
Swedenborgiſch. Aber die Schnotterbaum blieb
ruhig liegen und der Dämon kam nicht. Eſchen-
michel folgte darauf dem Schneider, indem er ſagte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/338>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.