Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

zufällig kommen kann, daß sich unserem Geiste die
Gestalt eines Baumes, Felsens, Hauses untilgbar
einprägt, so wollte es der Zufall, (denn es sei
ferne von mir, diese Geschichte irgend romantisch
aufzuschmücken;) daß mir zwei alte Frauen, welche
von den Andern sich gesondert hielten und sehr
eifrig mit einander verkehrten, besonders auffielen.
Es war weiter gar nichts Merkwürdiges an den
beiden Alten. Gewöhnliche alte Weiber, wie es
deren Tausende giebt, aber ihre Statur und Phy-
siognomie machte dennoch einen unauslöschlichen
Eindruck auf mich, so daß mir gleich damals klar
wurde, ich würde sie wiedererkennen, wo und wann
ich sie jemals sähe.

Nach einigen Jahren und mehreren Schicksalen
gelangte ich in dieses unser Städtlein, entschlossen,
hier nunmehr für Lebenszeit zu rasten. Ich hörte
sogleich von der Anlage und von dem Fortgange des
Kernbeißer'schen Etablissements und erbat mir na-
türlich unverweilt Zutritt zu dieser größten Se-
henswürdigkeit des Ortes. Allein wie wurde mir,
geliebte Erben, als mir der Herr der Anlage mit
seinem Freunde entgegentrat! Ich meinte, der
Boden schwanke unter meinen Füßen und das

zufällig kommen kann, daß ſich unſerem Geiſte die
Geſtalt eines Baumes, Felſens, Hauſes untilgbar
einprägt, ſo wollte es der Zufall, (denn es ſei
ferne von mir, dieſe Geſchichte irgend romantiſch
aufzuſchmücken;) daß mir zwei alte Frauen, welche
von den Andern ſich geſondert hielten und ſehr
eifrig mit einander verkehrten, beſonders auffielen.
Es war weiter gar nichts Merkwürdiges an den
beiden Alten. Gewöhnliche alte Weiber, wie es
deren Tauſende giebt, aber ihre Statur und Phy-
ſiognomie machte dennoch einen unauslöſchlichen
Eindruck auf mich, ſo daß mir gleich damals klar
wurde, ich würde ſie wiedererkennen, wo und wann
ich ſie jemals ſähe.

Nach einigen Jahren und mehreren Schickſalen
gelangte ich in dieſes unſer Städtlein, entſchloſſen,
hier nunmehr für Lebenszeit zu raſten. Ich hörte
ſogleich von der Anlage und von dem Fortgange des
Kernbeißer’ſchen Etabliſſements und erbat mir na-
türlich unverweilt Zutritt zu dieſer größten Se-
henswürdigkeit des Ortes. Allein wie wurde mir,
geliebte Erben, als mir der Herr der Anlage mit
ſeinem Freunde entgegentrat! Ich meinte, der
Boden ſchwanke unter meinen Füßen und das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0363" n="345"/>
zufällig kommen kann, daß &#x017F;ich un&#x017F;erem Gei&#x017F;te die<lb/>
Ge&#x017F;talt eines Baumes, Fel&#x017F;ens, Hau&#x017F;es untilgbar<lb/>
einprägt, &#x017F;o wollte es der Zufall, (denn es &#x017F;ei<lb/>
ferne von mir, die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte irgend romanti&#x017F;ch<lb/>
aufzu&#x017F;chmücken;) daß mir zwei alte Frauen, welche<lb/>
von den Andern &#x017F;ich ge&#x017F;ondert hielten und &#x017F;ehr<lb/>
eifrig mit einander verkehrten, be&#x017F;onders auffielen.<lb/>
Es war weiter gar nichts Merkwürdiges an den<lb/>
beiden Alten. Gewöhnliche alte Weiber, wie es<lb/>
deren Tau&#x017F;ende giebt, aber ihre Statur und Phy-<lb/>
&#x017F;iognomie machte dennoch einen unauslö&#x017F;chlichen<lb/>
Eindruck auf mich, &#x017F;o daß mir gleich damals klar<lb/>
wurde, ich würde &#x017F;ie wiedererkennen, wo und wann<lb/>
ich &#x017F;ie jemals &#x017F;ähe.</p><lb/>
            <p>Nach einigen Jahren und mehreren Schick&#x017F;alen<lb/>
gelangte ich in die&#x017F;es un&#x017F;er Städtlein, ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
hier nunmehr für Lebenszeit zu ra&#x017F;ten. Ich hörte<lb/>
&#x017F;ogleich von der Anlage und von dem Fortgange des<lb/>
Kernbeißer&#x2019;&#x017F;chen Etabli&#x017F;&#x017F;ements und erbat mir na-<lb/>
türlich unverweilt Zutritt zu die&#x017F;er größten Se-<lb/>
henswürdigkeit des Ortes. Allein wie wurde mir,<lb/>
geliebte Erben, als mir der Herr der Anlage mit<lb/>
&#x017F;einem Freunde entgegentrat! Ich meinte, der<lb/>
Boden &#x017F;chwanke unter meinen Füßen und das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0363] zufällig kommen kann, daß ſich unſerem Geiſte die Geſtalt eines Baumes, Felſens, Hauſes untilgbar einprägt, ſo wollte es der Zufall, (denn es ſei ferne von mir, dieſe Geſchichte irgend romantiſch aufzuſchmücken;) daß mir zwei alte Frauen, welche von den Andern ſich geſondert hielten und ſehr eifrig mit einander verkehrten, beſonders auffielen. Es war weiter gar nichts Merkwürdiges an den beiden Alten. Gewöhnliche alte Weiber, wie es deren Tauſende giebt, aber ihre Statur und Phy- ſiognomie machte dennoch einen unauslöſchlichen Eindruck auf mich, ſo daß mir gleich damals klar wurde, ich würde ſie wiedererkennen, wo und wann ich ſie jemals ſähe. Nach einigen Jahren und mehreren Schickſalen gelangte ich in dieſes unſer Städtlein, entſchloſſen, hier nunmehr für Lebenszeit zu raſten. Ich hörte ſogleich von der Anlage und von dem Fortgange des Kernbeißer’ſchen Etabliſſements und erbat mir na- türlich unverweilt Zutritt zu dieſer größten Se- henswürdigkeit des Ortes. Allein wie wurde mir, geliebte Erben, als mir der Herr der Anlage mit ſeinem Freunde entgegentrat! Ich meinte, der Boden ſchwanke unter meinen Füßen und das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/363
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/363>, abgerufen am 22.12.2024.