Später erfuhr ich den weiteren Verlauf der Dinge. Freilich gingen mir darüber zwei ganz verschiedene Berichte zu. Der Eine lautete fol- gendermaßen: Sobald nämlich der Magister Schnot- terbaum von Jenseits zu Ende gesprochen, sei der Gehülfe hinter der spanischen Wand hervorgetreten und dem Testamente mit den Worten: Ei Mutter Ursel und Beth', sieht man Euch so unerwartet hier wieder? ein gewichtiger Bestätiger geworden. Der Beamte habe hierauf mit seiner immerfort noch steigenden teuflischen Sanftmuth und Höflich- keit zu den Propheten gesagt, er für seine Person halte das Schnotterbaum'sche Testament für einen sarkastischen Scherz des alten bösen Magisters und glaube, daß der fremde Herr Doctor, getäuscht von einer flüchtigen Aehnlichkeit sich irre, indessen gebiete ihm freilich in der Sache allein seine Pflicht, da er zu gemessene Befehle habe, das Ereigniß in jeder Richtung festzustellen. Es liege auf der Hand, daß selbst in Betreff der Wunder viel darauf an- komme, ob sie ein Mann, oder ob sie ein altes Weib erzähle, und da zufälliger Weise gerade ein Sachverständiger anwesend sei, so müsse er -- zwar mit blutendem Herzen und die beiden Herren
Später erfuhr ich den weiteren Verlauf der Dinge. Freilich gingen mir darüber zwei ganz verſchiedene Berichte zu. Der Eine lautete fol- gendermaßen: Sobald nämlich der Magiſter Schnot- terbaum von Jenſeits zu Ende geſprochen, ſei der Gehülfe hinter der ſpaniſchen Wand hervorgetreten und dem Teſtamente mit den Worten: Ei Mutter Urſel und Beth’, ſieht man Euch ſo unerwartet hier wieder? ein gewichtiger Beſtätiger geworden. Der Beamte habe hierauf mit ſeiner immerfort noch ſteigenden teufliſchen Sanftmuth und Höflich- keit zu den Propheten geſagt, er für ſeine Perſon halte das Schnotterbaum’ſche Teſtament für einen ſarkaſtiſchen Scherz des alten böſen Magiſters und glaube, daß der fremde Herr Doctor, getäuſcht von einer flüchtigen Aehnlichkeit ſich irre, indeſſen gebiete ihm freilich in der Sache allein ſeine Pflicht, da er zu gemeſſene Befehle habe, das Ereigniß in jeder Richtung feſtzuſtellen. Es liege auf der Hand, daß ſelbſt in Betreff der Wunder viel darauf an- komme, ob ſie ein Mann, oder ob ſie ein altes Weib erzähle, und da zufälliger Weiſe gerade ein Sachverſtändiger anweſend ſei, ſo müſſe er — zwar mit blutendem Herzen und die beiden Herren
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0368"n="350"/><p>Später erfuhr ich den weiteren Verlauf der<lb/>
Dinge. Freilich gingen mir darüber zwei ganz<lb/>
verſchiedene Berichte zu. Der Eine lautete fol-<lb/>
gendermaßen: Sobald nämlich der Magiſter Schnot-<lb/>
terbaum von Jenſeits zu Ende geſprochen, ſei der<lb/>
Gehülfe hinter der ſpaniſchen Wand hervorgetreten<lb/>
und dem Teſtamente mit den Worten: Ei Mutter<lb/>
Urſel und Beth’, ſieht man Euch ſo unerwartet<lb/>
hier wieder? ein gewichtiger Beſtätiger geworden.<lb/>
Der Beamte habe hierauf mit ſeiner immerfort<lb/>
noch ſteigenden teufliſchen Sanftmuth und Höflich-<lb/>
keit zu den Propheten geſagt, er für ſeine Perſon<lb/>
halte das Schnotterbaum’ſche Teſtament für einen<lb/>ſarkaſtiſchen Scherz des alten böſen Magiſters und<lb/>
glaube, daß der fremde Herr Doctor, getäuſcht<lb/>
von einer flüchtigen Aehnlichkeit ſich irre, indeſſen<lb/>
gebiete ihm freilich in der Sache allein ſeine Pflicht,<lb/>
da er zu gemeſſene Befehle habe, das Ereigniß in<lb/>
jeder Richtung feſtzuſtellen. Es liege auf der Hand,<lb/>
daß ſelbſt in Betreff der Wunder viel darauf an-<lb/>
komme, ob ſie ein Mann, oder ob ſie ein altes<lb/>
Weib erzähle, und da zufälliger Weiſe gerade ein<lb/>
Sachverſtändiger anweſend ſei, ſo müſſe er —<lb/>
zwar mit blutendem Herzen und die beiden Herren<lb/></p></div></body></text></TEI>
[350/0368]
Später erfuhr ich den weiteren Verlauf der
Dinge. Freilich gingen mir darüber zwei ganz
verſchiedene Berichte zu. Der Eine lautete fol-
gendermaßen: Sobald nämlich der Magiſter Schnot-
terbaum von Jenſeits zu Ende geſprochen, ſei der
Gehülfe hinter der ſpaniſchen Wand hervorgetreten
und dem Teſtamente mit den Worten: Ei Mutter
Urſel und Beth’, ſieht man Euch ſo unerwartet
hier wieder? ein gewichtiger Beſtätiger geworden.
Der Beamte habe hierauf mit ſeiner immerfort
noch ſteigenden teufliſchen Sanftmuth und Höflich-
keit zu den Propheten geſagt, er für ſeine Perſon
halte das Schnotterbaum’ſche Teſtament für einen
ſarkaſtiſchen Scherz des alten böſen Magiſters und
glaube, daß der fremde Herr Doctor, getäuſcht
von einer flüchtigen Aehnlichkeit ſich irre, indeſſen
gebiete ihm freilich in der Sache allein ſeine Pflicht,
da er zu gemeſſene Befehle habe, das Ereigniß in
jeder Richtung feſtzuſtellen. Es liege auf der Hand,
daß ſelbſt in Betreff der Wunder viel darauf an-
komme, ob ſie ein Mann, oder ob ſie ein altes
Weib erzähle, und da zufälliger Weiſe gerade ein
Sachverſtändiger anweſend ſei, ſo müſſe er —
zwar mit blutendem Herzen und die beiden Herren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/368>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.