gelegt, so saß sie da, ein ergebenes Opfer der Liebe, aber sie sah ihn schamhaft bittend an. Den Blick ertrug er nicht, Thränen stürzten ihm aus den Augen, wie damals, als er mit ihrem Häub- chen sein Spiel trieb, er legte ihr hastig das Tuch um Busen und Schulter, fiel ihr zu Füßen, drückte ihre Kniee wider sein Herz und lief dann eine Strecke von ihr weg auf den Rain, um seiner Bewegung Meister zu werden.
Als er zurückkam, fand er sie nicht mehr auf dem Steine. Bestürzt blickte er umher. Da er- scholl ein leises Kichern aus einer der alten Linden. Er sah erstaunt nach dem Baume und machte eine Entdeckung, die er früher übersehen hatte. Der Baum war hohl und bot in seinem Inneren geräu- migen Platz für ein Versteckens dar. Er zog sein Mädchen scherzend und schäkernd heraus.
Nun stand sie vor ihm, und er maaß ihre Größe an der seinen. Sie reichte ihm gerade bis zur Brust, hatte also das rechte Maaß, denn der Kopf des Weibes soll nur bis zum Herzen des Mannes reichen, dann giebt es den ächten Bund, den rechten Bund. Er faßte sie bei beiden Hän- den, sah ihr liebevoll in die klugen, treuen Augen,
gelegt, ſo ſaß ſie da, ein ergebenes Opfer der Liebe, aber ſie ſah ihn ſchamhaft bittend an. Den Blick ertrug er nicht, Thränen ſtürzten ihm aus den Augen, wie damals, als er mit ihrem Häub- chen ſein Spiel trieb, er legte ihr haſtig das Tuch um Buſen und Schulter, fiel ihr zu Füßen, drückte ihre Kniee wider ſein Herz und lief dann eine Strecke von ihr weg auf den Rain, um ſeiner Bewegung Meiſter zu werden.
Als er zurückkam, fand er ſie nicht mehr auf dem Steine. Beſtürzt blickte er umher. Da er- ſcholl ein leiſes Kichern aus einer der alten Linden. Er ſah erſtaunt nach dem Baume und machte eine Entdeckung, die er früher überſehen hatte. Der Baum war hohl und bot in ſeinem Inneren geräu- migen Platz für ein Verſteckens dar. Er zog ſein Mädchen ſcherzend und ſchäkernd heraus.
Nun ſtand ſie vor ihm, und er maaß ihre Größe an der ſeinen. Sie reichte ihm gerade bis zur Bruſt, hatte alſo das rechte Maaß, denn der Kopf des Weibes ſoll nur bis zum Herzen des Mannes reichen, dann giebt es den ächten Bund, den rechten Bund. Er faßte ſie bei beiden Hän- den, ſah ihr liebevoll in die klugen, treuen Augen,
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gelegt, ſo ſaß ſie da, ein ergebenes Opfer der
Liebe, aber ſie ſah ihn ſchamhaft bittend an. Den
Blick ertrug er nicht, Thränen ſtürzten ihm aus
den Augen, wie damals, als er mit ihrem Häub-
chen ſein Spiel trieb, er legte ihr haſtig das Tuch
um Buſen und Schulter, fiel ihr zu Füßen, drückte
ihre Kniee wider ſein Herz und lief dann eine
Strecke von ihr weg auf den Rain, um ſeiner
Bewegung Meiſter zu werden.
Als er zurückkam, fand er ſie nicht mehr auf
dem Steine. Beſtürzt blickte er umher. Da er-
ſcholl ein leiſes Kichern aus einer der alten Linden.
Er ſah erſtaunt nach dem Baume und machte eine
Entdeckung, die er früher überſehen hatte. Der
Baum war hohl und bot in ſeinem Inneren geräu-
migen Platz für ein Verſteckens dar. Er zog ſein
Mädchen ſcherzend und ſchäkernd heraus.
Nun ſtand ſie vor ihm, und er maaß ihre
Größe an der ſeinen. Sie reichte ihm gerade bis
zur Bruſt, hatte alſo das rechte Maaß, denn der
Kopf des Weibes ſoll nur bis zum Herzen des
Mannes reichen, dann giebt es den ächten Bund,
den rechten Bund. Er faßte ſie bei beiden Hän-
den, ſah ihr liebevoll in die klugen, treuen Augen,
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/131>, abgerufen am 21.11.2024.
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