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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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und weil alle seine Kinder, die Schmerlen und die
Forellen, von der Beize abstanden. Er wirrte das
Garn untereinander, die Wellen mußten es über
den Rand des Ufers schleudern, er trieb es abwärts
in die Strudel, um den Spinnerherrn zu warnen,
aber Alles war vergeblich. Endlich, am Johannis-
tage, an welchem die Flußgeister Macht haben, zu
schrecken und zu schaden, spritzte er der ganzen
Garnwäscherzunft und ihrem Haupte, da sie eben
wieder ihre Wäscherei recht frech und gewissenlos
trieben, Feienwasser in das Antlitz, und, wie wilde
und blutdürstige Menschen Währ-Wölfe und Währ-
Kater werden können, so sind die Garner und ihr
Haupt Währ-Kanker geworden. Sie liefen Alle
vom Flüßchen zum Walde und hangen mit ihren
Geweben überall an Bäumen und Sträuchen umher.
Die Spinner sind gewöhnliche kleine Kanker gewor-
den, fangen Fliegen und Mücken; ihr Herr aber
hat fast seine frühere Größe behalten und heißt der
Kanker-König. Er stellt den schönen Mädchen nach,
umspinnt sie, betäubt sie mit seinem giftigen Dunste
und saugt ihnen dann das Blut vom Herzen.
Zuletzt hat er diese Prinzessin überwältigt, welche
von ihrem Gefolge im Walde abgekommen war.

und weil alle ſeine Kinder, die Schmerlen und die
Forellen, von der Beize abſtanden. Er wirrte das
Garn untereinander, die Wellen mußten es über
den Rand des Ufers ſchleudern, er trieb es abwärts
in die Strudel, um den Spinnerherrn zu warnen,
aber Alles war vergeblich. Endlich, am Johannis-
tage, an welchem die Flußgeiſter Macht haben, zu
ſchrecken und zu ſchaden, ſpritzte er der ganzen
Garnwäſcherzunft und ihrem Haupte, da ſie eben
wieder ihre Wäſcherei recht frech und gewiſſenlos
trieben, Feienwaſſer in das Antlitz, und, wie wilde
und blutdürſtige Menſchen Währ-Wölfe und Währ-
Kater werden können, ſo ſind die Garner und ihr
Haupt Währ-Kanker geworden. Sie liefen Alle
vom Flüßchen zum Walde und hangen mit ihren
Geweben überall an Bäumen und Sträuchen umher.
Die Spinner ſind gewöhnliche kleine Kanker gewor-
den, fangen Fliegen und Mücken; ihr Herr aber
hat faſt ſeine frühere Größe behalten und heißt der
Kanker-König. Er ſtellt den ſchönen Mädchen nach,
umſpinnt ſie, betäubt ſie mit ſeinem giftigen Dunſte
und ſaugt ihnen dann das Blut vom Herzen.
Zuletzt hat er dieſe Prinzeſſin überwältigt, welche
von ihrem Gefolge im Walde abgekommen war.

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[168/0182] und weil alle ſeine Kinder, die Schmerlen und die Forellen, von der Beize abſtanden. Er wirrte das Garn untereinander, die Wellen mußten es über den Rand des Ufers ſchleudern, er trieb es abwärts in die Strudel, um den Spinnerherrn zu warnen, aber Alles war vergeblich. Endlich, am Johannis- tage, an welchem die Flußgeiſter Macht haben, zu ſchrecken und zu ſchaden, ſpritzte er der ganzen Garnwäſcherzunft und ihrem Haupte, da ſie eben wieder ihre Wäſcherei recht frech und gewiſſenlos trieben, Feienwaſſer in das Antlitz, und, wie wilde und blutdürſtige Menſchen Währ-Wölfe und Währ- Kater werden können, ſo ſind die Garner und ihr Haupt Währ-Kanker geworden. Sie liefen Alle vom Flüßchen zum Walde und hangen mit ihren Geweben überall an Bäumen und Sträuchen umher. Die Spinner ſind gewöhnliche kleine Kanker gewor- den, fangen Fliegen und Mücken; ihr Herr aber hat faſt ſeine frühere Größe behalten und heißt der Kanker-König. Er ſtellt den ſchönen Mädchen nach, umſpinnt ſie, betäubt ſie mit ſeinem giftigen Dunſte und ſaugt ihnen dann das Blut vom Herzen. Zuletzt hat er dieſe Prinzeſſin überwältigt, welche von ihrem Gefolge im Walde abgekommen war.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/182>, abgerufen am 21.11.2024.