Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Jäger befragte ihn über seine Reiseroute,
worauf Semilasso versetzte: Ich bestieg in Smyrna
ein österreichisches Schiff, fuhr quer durch das
Mittelländische Meer an den Säulen des Hercules
vorbei, um Portugal herum durch die Biscayische
See, lenkte in den Canal ein und debarquirte
in Havre. Die gerade Linie ist so langweilig; es
lebe die krumme! Mein Dromedar und der
Hengst von Dongola folgen mir um einen Tage-
marsch. Mein Kammerdiener geht, armenisch ge-
kleidet, als Fourier voraus, und so haben die
Leute an jedem Orte, den die Reise berührt, drei
Tage lang von mir zu reden, einen, wo der Fou-
rier ankommt, einen, wo ich ankomme, und einen
wo der Dromedar und der Hengst ankommen.

Der Jäger sah verwundert das Ochsengefähr
an. Semilasso errieth seine Gedanken, lachte und
sagte: Meine Ochsen sind Ihnen auffallend. Ich
kaufte sie in der Normandie; im Orient fährt man
fast nur mit diesen Thieren, sie paßten in meine
jetzige Liebhaberei und in mein System. Denn
seit alle Welt sich blitzschnell fortbewegt, ist es
bei mir Princip geworden, nur Schritt zu fahren,
habe daher, um mich nicht von der plebejischen Eile

Der Jäger befragte ihn über ſeine Reiſeroute,
worauf Semilaſſo verſetzte: Ich beſtieg in Smyrna
ein öſterreichiſches Schiff, fuhr quer durch das
Mittelländiſche Meer an den Säulen des Hercules
vorbei, um Portugal herum durch die Biscayiſche
See, lenkte in den Canal ein und debarquirte
in Havre. Die gerade Linie iſt ſo langweilig; es
lebe die krumme! Mein Dromedar und der
Hengſt von Dongola folgen mir um einen Tage-
marſch. Mein Kammerdiener geht, armeniſch ge-
kleidet, als Fourier voraus, und ſo haben die
Leute an jedem Orte, den die Reiſe berührt, drei
Tage lang von mir zu reden, einen, wo der Fou-
rier ankommt, einen, wo ich ankomme, und einen
wo der Dromedar und der Hengſt ankommen.

Der Jäger ſah verwundert das Ochſengefähr
an. Semilaſſo errieth ſeine Gedanken, lachte und
ſagte: Meine Ochſen ſind Ihnen auffallend. Ich
kaufte ſie in der Normandie; im Orient fährt man
faſt nur mit dieſen Thieren, ſie paßten in meine
jetzige Liebhaberei und in mein Syſtem. Denn
ſeit alle Welt ſich blitzſchnell fortbewegt, iſt es
bei mir Princip geworden, nur Schritt zu fahren,
habe daher, um mich nicht von der plebejiſchen Eile

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0213" n="199"/>
          <p>Der Jäger befragte ihn über &#x017F;eine Rei&#x017F;eroute,<lb/>
worauf Semila&#x017F;&#x017F;o ver&#x017F;etzte: Ich be&#x017F;tieg in Smyrna<lb/>
ein ö&#x017F;terreichi&#x017F;ches Schiff, fuhr quer durch das<lb/>
Mittelländi&#x017F;che Meer an den Säulen des Hercules<lb/>
vorbei, um Portugal herum durch die Biscayi&#x017F;che<lb/>
See, lenkte in den Canal ein und debarquirte<lb/>
in Havre. Die gerade Linie i&#x017F;t &#x017F;o langweilig; es<lb/>
lebe die krumme! Mein Dromedar und der<lb/>
Heng&#x017F;t von Dongola folgen mir um einen Tage-<lb/>
mar&#x017F;ch. Mein Kammerdiener geht, armeni&#x017F;ch ge-<lb/>
kleidet, als Fourier voraus, und &#x017F;o haben die<lb/>
Leute an jedem Orte, den die Rei&#x017F;e berührt, drei<lb/>
Tage lang von mir zu reden, einen, wo der Fou-<lb/>
rier ankommt, einen, wo ich ankomme, und einen<lb/>
wo der Dromedar und der Heng&#x017F;t ankommen.</p><lb/>
          <p>Der Jäger &#x017F;ah verwundert das Och&#x017F;engefähr<lb/>
an. Semila&#x017F;&#x017F;o errieth &#x017F;eine Gedanken, lachte und<lb/>
&#x017F;agte: Meine Och&#x017F;en &#x017F;ind Ihnen auffallend. Ich<lb/>
kaufte &#x017F;ie in der Normandie; im Orient fährt man<lb/>
fa&#x017F;t nur mit die&#x017F;en Thieren, &#x017F;ie paßten in meine<lb/>
jetzige Liebhaberei und in mein Sy&#x017F;tem. Denn<lb/>
&#x017F;eit alle Welt &#x017F;ich blitz&#x017F;chnell fortbewegt, i&#x017F;t es<lb/>
bei mir Princip geworden, nur Schritt zu fahren,<lb/>
habe daher, um mich nicht von der plebeji&#x017F;chen Eile<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0213] Der Jäger befragte ihn über ſeine Reiſeroute, worauf Semilaſſo verſetzte: Ich beſtieg in Smyrna ein öſterreichiſches Schiff, fuhr quer durch das Mittelländiſche Meer an den Säulen des Hercules vorbei, um Portugal herum durch die Biscayiſche See, lenkte in den Canal ein und debarquirte in Havre. Die gerade Linie iſt ſo langweilig; es lebe die krumme! Mein Dromedar und der Hengſt von Dongola folgen mir um einen Tage- marſch. Mein Kammerdiener geht, armeniſch ge- kleidet, als Fourier voraus, und ſo haben die Leute an jedem Orte, den die Reiſe berührt, drei Tage lang von mir zu reden, einen, wo der Fou- rier ankommt, einen, wo ich ankomme, und einen wo der Dromedar und der Hengſt ankommen. Der Jäger ſah verwundert das Ochſengefähr an. Semilaſſo errieth ſeine Gedanken, lachte und ſagte: Meine Ochſen ſind Ihnen auffallend. Ich kaufte ſie in der Normandie; im Orient fährt man faſt nur mit dieſen Thieren, ſie paßten in meine jetzige Liebhaberei und in mein Syſtem. Denn ſeit alle Welt ſich blitzſchnell fortbewegt, iſt es bei mir Princip geworden, nur Schritt zu fahren, habe daher, um mich nicht von der plebejiſchen Eile

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/213
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/213>, abgerufen am 22.05.2024.