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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Nacht schlummerlos zugebracht hatte, saß beküm-
mert auf der Gerichtsstube. Emerentia sang unten
im Hause auf Befehl ihres Vaters. Denn dieser
meinte, was sein Rütteln und Rumoren nicht zu
Wege gebracht, werde der helle und durchdringende
Gesang der Tochter bewirken. Als sie ihre besten
Gänge und Cadenzen von sich gegeben hatte und
eine Pause entstand, stellte sich der Schloßherr an
die Söllertreppe und rief hinunter: Karl! -- Karl
Buttervogel trat aus des Freiherrn Dormitorium.
Ist er wach? fragte der alte Baron. -- Ich hab'
mir die Ohren zugehalten, denn ich bin kitzlich
gegen Musik, versetzte der Bediente, mein gnädiger
Herr aber legten sich auf die andere Seite und
lächelten im Schlaf, wie ein Engel. Jetzt aber
verlangen Sie mit zugemachten Augen Waschwasser,
werden also wohl aufstehen wollen, um sich dann
zum Schlummer niederzusetzen. Glauben mir der
Herr Baron, Sie treiben es mit meinem Herrn
nicht durch, was der sich vornimmt, das führt er
aus, wachend oder schlafend.

Zornig lief der alte Baron in die Gerichtsstube
zurück, rannte mit großen Schritten auf ihr hin
und her, stieß an den Tisch, daß ein Theil der

Nacht ſchlummerlos zugebracht hatte, ſaß beküm-
mert auf der Gerichtsſtube. Emerentia ſang unten
im Hauſe auf Befehl ihres Vaters. Denn dieſer
meinte, was ſein Rütteln und Rumoren nicht zu
Wege gebracht, werde der helle und durchdringende
Geſang der Tochter bewirken. Als ſie ihre beſten
Gänge und Cadenzen von ſich gegeben hatte und
eine Pauſe entſtand, ſtellte ſich der Schloßherr an
die Söllertreppe und rief hinunter: Karl! — Karl
Buttervogel trat aus des Freiherrn Dormitorium.
Iſt er wach? fragte der alte Baron. — Ich hab’
mir die Ohren zugehalten, denn ich bin kitzlich
gegen Muſik, verſetzte der Bediente, mein gnädiger
Herr aber legten ſich auf die andere Seite und
lächelten im Schlaf, wie ein Engel. Jetzt aber
verlangen Sie mit zugemachten Augen Waſchwaſſer,
werden alſo wohl aufſtehen wollen, um ſich dann
zum Schlummer niederzuſetzen. Glauben mir der
Herr Baron, Sie treiben es mit meinem Herrn
nicht durch, was der ſich vornimmt, das führt er
aus, wachend oder ſchlafend.

Zornig lief der alte Baron in die Gerichtsſtube
zurück, rannte mit großen Schritten auf ihr hin
und her, ſtieß an den Tiſch, daß ein Theil der

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[238/0252] Nacht ſchlummerlos zugebracht hatte, ſaß beküm- mert auf der Gerichtsſtube. Emerentia ſang unten im Hauſe auf Befehl ihres Vaters. Denn dieſer meinte, was ſein Rütteln und Rumoren nicht zu Wege gebracht, werde der helle und durchdringende Geſang der Tochter bewirken. Als ſie ihre beſten Gänge und Cadenzen von ſich gegeben hatte und eine Pauſe entſtand, ſtellte ſich der Schloßherr an die Söllertreppe und rief hinunter: Karl! — Karl Buttervogel trat aus des Freiherrn Dormitorium. Iſt er wach? fragte der alte Baron. — Ich hab’ mir die Ohren zugehalten, denn ich bin kitzlich gegen Muſik, verſetzte der Bediente, mein gnädiger Herr aber legten ſich auf die andere Seite und lächelten im Schlaf, wie ein Engel. Jetzt aber verlangen Sie mit zugemachten Augen Waſchwaſſer, werden alſo wohl aufſtehen wollen, um ſich dann zum Schlummer niederzuſetzen. Glauben mir der Herr Baron, Sie treiben es mit meinem Herrn nicht durch, was der ſich vornimmt, das führt er aus, wachend oder ſchlafend. Zornig lief der alte Baron in die Gerichtsſtube zurück, rannte mit großen Schritten auf ihr hin und her, ſtieß an den Tiſch, daß ein Theil der

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/252>, abgerufen am 26.06.2024.