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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Er hatte sich mit diesen Gedanken unter eine
Vogelbeerstaude gesetzt und überlegte die Mittel,
mit denen er Karl Buttervogel'n plaudern machen
wollte. Der Mensch hatte ihn immer so freund-
lich und gerührt, wir wissen weßhalb? seither an-
gesehen, daß er hoffte, auf sein Gefühl wirken und
seinen Mund durch Liebe und Dankbarkeit auf-
schließen zu können. Er nahm sich daher vor ihn
auf bewegliche Weise zu bewegen.

Karl saß indessen, um seinen Stadtgang glaub-
lich zu machen, eine halbe Stunde vom Vogel-
heerde in einem Kruge und vertrank einen Theil
des Lohnes, den ihm die diplomatischen Mißver-
ständnisse zwischen dem Fräulein und seinem Herrn
gespendet hatten. Dem alten Baron wurde darüber
die Zeit lang und da er an seiner Kriegslist nichts
mehr zu denken fand, so nahmen seine Vorstellun-
gen eine andere Richtung, welche folgendes Selbst-
gespräch offenbarte.

Ich habe mich resignirt, sagte er. Der heutige
Tag zeigt mir meine Lage im wahren Lichte. Münch-
hausen erscheint mir als das, was er ist, als ein
großer Frevler. Vielleicht ist er der Vater von
Kaspar Hauser. Möglich auch, daß er ein berüch-

Er hatte ſich mit dieſen Gedanken unter eine
Vogelbeerſtaude geſetzt und überlegte die Mittel,
mit denen er Karl Buttervogel’n plaudern machen
wollte. Der Menſch hatte ihn immer ſo freund-
lich und gerührt, wir wiſſen weßhalb? ſeither an-
geſehen, daß er hoffte, auf ſein Gefühl wirken und
ſeinen Mund durch Liebe und Dankbarkeit auf-
ſchließen zu können. Er nahm ſich daher vor ihn
auf bewegliche Weiſe zu bewegen.

Karl ſaß indeſſen, um ſeinen Stadtgang glaub-
lich zu machen, eine halbe Stunde vom Vogel-
heerde in einem Kruge und vertrank einen Theil
des Lohnes, den ihm die diplomatiſchen Mißver-
ſtändniſſe zwiſchen dem Fräulein und ſeinem Herrn
geſpendet hatten. Dem alten Baron wurde darüber
die Zeit lang und da er an ſeiner Kriegsliſt nichts
mehr zu denken fand, ſo nahmen ſeine Vorſtellun-
gen eine andere Richtung, welche folgendes Selbſt-
geſpräch offenbarte.

Ich habe mich reſignirt, ſagte er. Der heutige
Tag zeigt mir meine Lage im wahren Lichte. Münch-
hauſen erſcheint mir als das, was er iſt, als ein
großer Frevler. Vielleicht iſt er der Vater von
Kaspar Hauſer. Möglich auch, daß er ein berüch-

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[246/0260] Er hatte ſich mit dieſen Gedanken unter eine Vogelbeerſtaude geſetzt und überlegte die Mittel, mit denen er Karl Buttervogel’n plaudern machen wollte. Der Menſch hatte ihn immer ſo freund- lich und gerührt, wir wiſſen weßhalb? ſeither an- geſehen, daß er hoffte, auf ſein Gefühl wirken und ſeinen Mund durch Liebe und Dankbarkeit auf- ſchließen zu können. Er nahm ſich daher vor ihn auf bewegliche Weiſe zu bewegen. Karl ſaß indeſſen, um ſeinen Stadtgang glaub- lich zu machen, eine halbe Stunde vom Vogel- heerde in einem Kruge und vertrank einen Theil des Lohnes, den ihm die diplomatiſchen Mißver- ſtändniſſe zwiſchen dem Fräulein und ſeinem Herrn geſpendet hatten. Dem alten Baron wurde darüber die Zeit lang und da er an ſeiner Kriegsliſt nichts mehr zu denken fand, ſo nahmen ſeine Vorſtellun- gen eine andere Richtung, welche folgendes Selbſt- geſpräch offenbarte. Ich habe mich reſignirt, ſagte er. Der heutige Tag zeigt mir meine Lage im wahren Lichte. Münch- hauſen erſcheint mir als das, was er iſt, als ein großer Frevler. Vielleicht iſt er der Vater von Kaspar Hauſer. Möglich auch, daß er ein berüch-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/260>, abgerufen am 22.11.2024.