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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Er faßte die Thürpfeiler an. Der Bürger-
meister rief ängstlich: Um Gotteswillen, Herr
Baron, zurück! Er macht Ernst; man kennt ihn
darin. Er pflegt zu seinen Bekannten zu sagen,
daß er bis auf einen gewissen Punct Geduld habe
wie ein Lamm, aber über den Punct hinaus sei
es mit dem Lamme für ewige Zeiten vorbei.

Was wollen Sie denn? fragte der alte Baron
zitternd vor ohnmächtigem Grimme. Marzeters
war über die muthmaßliche Fallweite des Schlosses
zurückgesprungen, und wiederholte zum erstenmale
in seinem Leben Entsetzens halber nicht das letzte
Wort des Vorgesetzten. Der Schriftsteller begehrte
kalt einen Waffenstillstand von einer Stunde, wäh-
rend welcher ihm, wie er sagte, hoffentlich etwas
einfallen werde, wodurch sich alle Theile zufrieden
stellen lassen möchten. Widrigenfalls sollten die
Feindseligkeiten dann auf's Neue beginnen. Dieser
Vorschlag wurde angenommen. Dem Schloßherrn
gestattete der Vertheidiger, zu der Burg seiner
Väter einzugehen, doch mußte er sich auf Ehren-
wort verpflichten, innerhalb seiner vier Wände nichts
Feindliches wider den Freiherrn vorzunehmen und
mit Ablauf des Waffenstillstandes sich wieder hin-

Er faßte die Thürpfeiler an. Der Bürger-
meiſter rief ängſtlich: Um Gotteswillen, Herr
Baron, zurück! Er macht Ernſt; man kennt ihn
darin. Er pflegt zu ſeinen Bekannten zu ſagen,
daß er bis auf einen gewiſſen Punct Geduld habe
wie ein Lamm, aber über den Punct hinaus ſei
es mit dem Lamme für ewige Zeiten vorbei.

Was wollen Sie denn? fragte der alte Baron
zitternd vor ohnmächtigem Grimme. Marzeters
war über die muthmaßliche Fallweite des Schloſſes
zurückgeſprungen, und wiederholte zum erſtenmale
in ſeinem Leben Entſetzens halber nicht das letzte
Wort des Vorgeſetzten. Der Schriftſteller begehrte
kalt einen Waffenſtillſtand von einer Stunde, wäh-
rend welcher ihm, wie er ſagte, hoffentlich etwas
einfallen werde, wodurch ſich alle Theile zufrieden
ſtellen laſſen möchten. Widrigenfalls ſollten die
Feindſeligkeiten dann auf’s Neue beginnen. Dieſer
Vorſchlag wurde angenommen. Dem Schloßherrn
geſtattete der Vertheidiger, zu der Burg ſeiner
Väter einzugehen, doch mußte er ſich auf Ehren-
wort verpflichten, innerhalb ſeiner vier Wände nichts
Feindliches wider den Freiherrn vorzunehmen und
mit Ablauf des Waffenſtillſtandes ſich wieder hin-

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[298/0312] Er faßte die Thürpfeiler an. Der Bürger- meiſter rief ängſtlich: Um Gotteswillen, Herr Baron, zurück! Er macht Ernſt; man kennt ihn darin. Er pflegt zu ſeinen Bekannten zu ſagen, daß er bis auf einen gewiſſen Punct Geduld habe wie ein Lamm, aber über den Punct hinaus ſei es mit dem Lamme für ewige Zeiten vorbei. Was wollen Sie denn? fragte der alte Baron zitternd vor ohnmächtigem Grimme. Marzeters war über die muthmaßliche Fallweite des Schloſſes zurückgeſprungen, und wiederholte zum erſtenmale in ſeinem Leben Entſetzens halber nicht das letzte Wort des Vorgeſetzten. Der Schriftſteller begehrte kalt einen Waffenſtillſtand von einer Stunde, wäh- rend welcher ihm, wie er ſagte, hoffentlich etwas einfallen werde, wodurch ſich alle Theile zufrieden ſtellen laſſen möchten. Widrigenfalls ſollten die Feindſeligkeiten dann auf’s Neue beginnen. Dieſer Vorſchlag wurde angenommen. Dem Schloßherrn geſtattete der Vertheidiger, zu der Burg ſeiner Väter einzugehen, doch mußte er ſich auf Ehren- wort verpflichten, innerhalb ſeiner vier Wände nichts Feindliches wider den Freiherrn vorzunehmen und mit Ablauf des Waffenſtillſtandes ſich wieder hin-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/312>, abgerufen am 22.11.2024.