Er faßte die Thürpfeiler an. Der Bürger- meister rief ängstlich: Um Gotteswillen, Herr Baron, zurück! Er macht Ernst; man kennt ihn darin. Er pflegt zu seinen Bekannten zu sagen, daß er bis auf einen gewissen Punct Geduld habe wie ein Lamm, aber über den Punct hinaus sei es mit dem Lamme für ewige Zeiten vorbei.
Was wollen Sie denn? fragte der alte Baron zitternd vor ohnmächtigem Grimme. Marzeters war über die muthmaßliche Fallweite des Schlosses zurückgesprungen, und wiederholte zum erstenmale in seinem Leben Entsetzens halber nicht das letzte Wort des Vorgesetzten. Der Schriftsteller begehrte kalt einen Waffenstillstand von einer Stunde, wäh- rend welcher ihm, wie er sagte, hoffentlich etwas einfallen werde, wodurch sich alle Theile zufrieden stellen lassen möchten. Widrigenfalls sollten die Feindseligkeiten dann auf's Neue beginnen. Dieser Vorschlag wurde angenommen. Dem Schloßherrn gestattete der Vertheidiger, zu der Burg seiner Väter einzugehen, doch mußte er sich auf Ehren- wort verpflichten, innerhalb seiner vier Wände nichts Feindliches wider den Freiherrn vorzunehmen und mit Ablauf des Waffenstillstandes sich wieder hin-
Er faßte die Thürpfeiler an. Der Bürger- meiſter rief ängſtlich: Um Gotteswillen, Herr Baron, zurück! Er macht Ernſt; man kennt ihn darin. Er pflegt zu ſeinen Bekannten zu ſagen, daß er bis auf einen gewiſſen Punct Geduld habe wie ein Lamm, aber über den Punct hinaus ſei es mit dem Lamme für ewige Zeiten vorbei.
Was wollen Sie denn? fragte der alte Baron zitternd vor ohnmächtigem Grimme. Marzeters war über die muthmaßliche Fallweite des Schloſſes zurückgeſprungen, und wiederholte zum erſtenmale in ſeinem Leben Entſetzens halber nicht das letzte Wort des Vorgeſetzten. Der Schriftſteller begehrte kalt einen Waffenſtillſtand von einer Stunde, wäh- rend welcher ihm, wie er ſagte, hoffentlich etwas einfallen werde, wodurch ſich alle Theile zufrieden ſtellen laſſen möchten. Widrigenfalls ſollten die Feindſeligkeiten dann auf’s Neue beginnen. Dieſer Vorſchlag wurde angenommen. Dem Schloßherrn geſtattete der Vertheidiger, zu der Burg ſeiner Väter einzugehen, doch mußte er ſich auf Ehren- wort verpflichten, innerhalb ſeiner vier Wände nichts Feindliches wider den Freiherrn vorzunehmen und mit Ablauf des Waffenſtillſtandes ſich wieder hin-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0312"n="298"/><p>Er faßte die Thürpfeiler an. Der Bürger-<lb/>
meiſter rief ängſtlich: Um Gotteswillen, Herr<lb/>
Baron, zurück! Er macht Ernſt; man kennt ihn<lb/>
darin. Er pflegt zu ſeinen Bekannten zu ſagen,<lb/>
daß er bis auf einen gewiſſen Punct Geduld habe<lb/>
wie ein Lamm, aber über den Punct hinaus ſei<lb/>
es mit dem Lamme für ewige Zeiten vorbei.</p><lb/><p>Was wollen Sie denn? fragte der alte Baron<lb/>
zitternd vor ohnmächtigem Grimme. Marzeters<lb/>
war über die muthmaßliche Fallweite des Schloſſes<lb/>
zurückgeſprungen, und wiederholte zum erſtenmale<lb/>
in ſeinem Leben Entſetzens halber nicht das letzte<lb/>
Wort des Vorgeſetzten. Der Schriftſteller begehrte<lb/>
kalt einen Waffenſtillſtand von einer Stunde, wäh-<lb/>
rend welcher ihm, wie er ſagte, hoffentlich etwas<lb/>
einfallen werde, wodurch ſich alle Theile zufrieden<lb/>ſtellen laſſen möchten. Widrigenfalls ſollten die<lb/>
Feindſeligkeiten dann auf’s Neue beginnen. Dieſer<lb/>
Vorſchlag wurde angenommen. Dem Schloßherrn<lb/>
geſtattete der Vertheidiger, zu der Burg ſeiner<lb/>
Väter einzugehen, doch mußte er ſich auf Ehren-<lb/>
wort verpflichten, innerhalb ſeiner vier Wände nichts<lb/>
Feindliches wider den Freiherrn vorzunehmen und<lb/>
mit Ablauf des Waffenſtillſtandes ſich wieder hin-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[298/0312]
Er faßte die Thürpfeiler an. Der Bürger-
meiſter rief ängſtlich: Um Gotteswillen, Herr
Baron, zurück! Er macht Ernſt; man kennt ihn
darin. Er pflegt zu ſeinen Bekannten zu ſagen,
daß er bis auf einen gewiſſen Punct Geduld habe
wie ein Lamm, aber über den Punct hinaus ſei
es mit dem Lamme für ewige Zeiten vorbei.
Was wollen Sie denn? fragte der alte Baron
zitternd vor ohnmächtigem Grimme. Marzeters
war über die muthmaßliche Fallweite des Schloſſes
zurückgeſprungen, und wiederholte zum erſtenmale
in ſeinem Leben Entſetzens halber nicht das letzte
Wort des Vorgeſetzten. Der Schriftſteller begehrte
kalt einen Waffenſtillſtand von einer Stunde, wäh-
rend welcher ihm, wie er ſagte, hoffentlich etwas
einfallen werde, wodurch ſich alle Theile zufrieden
ſtellen laſſen möchten. Widrigenfalls ſollten die
Feindſeligkeiten dann auf’s Neue beginnen. Dieſer
Vorſchlag wurde angenommen. Dem Schloßherrn
geſtattete der Vertheidiger, zu der Burg ſeiner
Väter einzugehen, doch mußte er ſich auf Ehren-
wort verpflichten, innerhalb ſeiner vier Wände nichts
Feindliches wider den Freiherrn vorzunehmen und
mit Ablauf des Waffenſtillſtandes ſich wieder hin-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/312>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.