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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Thüre hinaus und zeigte, als die Männer ihr die
Hand zum Einsteigen boten, das zierlichste Bein
über dem feinen Fuße. Der Oberamtmann er-
klärte, als er einsteigen sollte, daß er nach der
Stadt gehen wolle, weil er um diese Stunde da-
heim sich seine Motion zu machen pflege. Der
junge Cavalier konnte kaum einen Ausruf des
Entzückens bei dieser Nachricht, die ihm den Wa-
gen ungetheilt mit seiner Dame versprach, unter-
drücken. Sie sah erröthend mit halbgeöffneten
Lippen vor sich hin, er stieg zu ihr ein, legte ihr
aufmerksam die Boa, welche herunter gefallen war,
um Schulter und Leib, und die beiden Glücklichen,
deren ganzes Wesen in süßer, süddeutscher Sinn-
lichkeit schwamm, rollten davon.

Auch der Oberamtmann kehrte in erhöhter
Stimmung nach der Schenkstube zurück, um sein
Buch zu holen. Er pfiff sogar für sich ein Stück-
chen aus der Zauberflöte, worüber er jedoch er-
schrak, als er es hörte. Inzwischen war der Mann
im braunen Oberrock aus der Krypte wieder nach
der Schenke gekommen und erkundigte sich in der
Stube ungeduldig bei dem Wirthe, ob noch kein
Freiherr von Münchhausen da gewesen sei und

Thüre hinaus und zeigte, als die Männer ihr die
Hand zum Einſteigen boten, das zierlichſte Bein
über dem feinen Fuße. Der Oberamtmann er-
klärte, als er einſteigen ſollte, daß er nach der
Stadt gehen wolle, weil er um dieſe Stunde da-
heim ſich ſeine Motion zu machen pflege. Der
junge Cavalier konnte kaum einen Ausruf des
Entzückens bei dieſer Nachricht, die ihm den Wa-
gen ungetheilt mit ſeiner Dame verſprach, unter-
drücken. Sie ſah erröthend mit halbgeöffneten
Lippen vor ſich hin, er ſtieg zu ihr ein, legte ihr
aufmerkſam die Boa, welche herunter gefallen war,
um Schulter und Leib, und die beiden Glücklichen,
deren ganzes Weſen in ſüßer, ſüddeutſcher Sinn-
lichkeit ſchwamm, rollten davon.

Auch der Oberamtmann kehrte in erhöhter
Stimmung nach der Schenkſtube zurück, um ſein
Buch zu holen. Er pfiff ſogar für ſich ein Stück-
chen aus der Zauberflöte, worüber er jedoch er-
ſchrak, als er es hörte. Inzwiſchen war der Mann
im braunen Oberrock aus der Krypte wieder nach
der Schenke gekommen und erkundigte ſich in der
Stube ungeduldig bei dem Wirthe, ob noch kein
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[421/0435] Thüre hinaus und zeigte, als die Männer ihr die Hand zum Einſteigen boten, das zierlichſte Bein über dem feinen Fuße. Der Oberamtmann er- klärte, als er einſteigen ſollte, daß er nach der Stadt gehen wolle, weil er um dieſe Stunde da- heim ſich ſeine Motion zu machen pflege. Der junge Cavalier konnte kaum einen Ausruf des Entzückens bei dieſer Nachricht, die ihm den Wa- gen ungetheilt mit ſeiner Dame verſprach, unter- drücken. Sie ſah erröthend mit halbgeöffneten Lippen vor ſich hin, er ſtieg zu ihr ein, legte ihr aufmerkſam die Boa, welche herunter gefallen war, um Schulter und Leib, und die beiden Glücklichen, deren ganzes Weſen in ſüßer, ſüddeutſcher Sinn- lichkeit ſchwamm, rollten davon. Auch der Oberamtmann kehrte in erhöhter Stimmung nach der Schenkſtube zurück, um ſein Buch zu holen. Er pfiff ſogar für ſich ein Stück- chen aus der Zauberflöte, worüber er jedoch er- ſchrak, als er es hörte. Inzwiſchen war der Mann im braunen Oberrock aus der Krypte wieder nach der Schenke gekommen und erkundigte ſich in der Stube ungeduldig bei dem Wirthe, ob noch kein Freiherr von Münchhauſen da geweſen ſei und

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/435>, abgerufen am 24.11.2024.