Ein Weiteres war von dem Alten nicht her- auszubringen. Außer sich stürzte Oswald zum drittenmale nach Lisbeths Zimmer, als müsse sie dort seyn, wenn er sie suche. Er hatte ein Licht mitgenommen. Lisbeth fand er nicht, wohl aber bei dem Scheine des Lichtes und mit dem Scharf- sinn, den der Kummer giebt, die traurigen Zeichen der zerstörten Liebeshuld. Er nahm, was auf dem Kasten lag, hinweg, da sah er drinnen seine Goldrolle und das grüne Särglein liegen, von Lis- beths Busen verstoßen, hinweggeworfen! -- Die Stücke des zerschnittenen Tüchleins sah er; der Schnitt ihrer Scheere hatte eigentlich dem Bande zwischen ihnen gegolten! -- Auch ein halbverbrann- tes Stückchen Papier erhob er vom Boden, denn Alles war ihm wichtig, was sein Elend ihm er- leuchten konnte. Noch stand darauf: In deinem Ernst, in deinem Lachen Gehörst du dir -- Weiter war nichts zu lesen. -- Ja, rief er, du ge- hörst nur dir und keinem Anderen, aber das Lachen wird dir wohl eigener seyn, als der Ernst! -- Er war böse auf sie, er zürnte ihr ingrimmig, denn auch er glaubte, was der Hofschulze ihm gesagt
Ein Weiteres war von dem Alten nicht her- auszubringen. Außer ſich ſtürzte Oswald zum drittenmale nach Lisbeths Zimmer, als müſſe ſie dort ſeyn, wenn er ſie ſuche. Er hatte ein Licht mitgenommen. Lisbeth fand er nicht, wohl aber bei dem Scheine des Lichtes und mit dem Scharf- ſinn, den der Kummer giebt, die traurigen Zeichen der zerſtörten Liebeshuld. Er nahm, was auf dem Kaſten lag, hinweg, da ſah er drinnen ſeine Goldrolle und das grüne Särglein liegen, von Lis- beths Buſen verſtoßen, hinweggeworfen! — Die Stücke des zerſchnittenen Tüchleins ſah er; der Schnitt ihrer Scheere hatte eigentlich dem Bande zwiſchen ihnen gegolten! — Auch ein halbverbrann- tes Stückchen Papier erhob er vom Boden, denn Alles war ihm wichtig, was ſein Elend ihm er- leuchten konnte. Noch ſtand darauf: In deinem Ernſt, in deinem Lachen Gehörſt du dir — Weiter war nichts zu leſen. — Ja, rief er, du ge- hörſt nur dir und keinem Anderen, aber das Lachen wird dir wohl eigener ſeyn, als der Ernſt! — Er war böſe auf ſie, er zürnte ihr ingrimmig, denn auch er glaubte, was der Hofſchulze ihm geſagt
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Ein Weiteres war von dem Alten nicht her-
auszubringen. Außer ſich ſtürzte Oswald zum
drittenmale nach Lisbeths Zimmer, als müſſe ſie
dort ſeyn, wenn er ſie ſuche. Er hatte ein Licht
mitgenommen. Lisbeth fand er nicht, wohl aber
bei dem Scheine des Lichtes und mit dem Scharf-
ſinn, den der Kummer giebt, die traurigen Zeichen
der zerſtörten Liebeshuld. Er nahm, was auf
dem Kaſten lag, hinweg, da ſah er drinnen ſeine
Goldrolle und das grüne Särglein liegen, von Lis-
beths Buſen verſtoßen, hinweggeworfen! — Die
Stücke des zerſchnittenen Tüchleins ſah er; der
Schnitt ihrer Scheere hatte eigentlich dem Bande
zwiſchen ihnen gegolten! — Auch ein halbverbrann-
tes Stückchen Papier erhob er vom Boden, denn
Alles war ihm wichtig, was ſein Elend ihm er-
leuchten konnte. Noch ſtand darauf:
In deinem Ernſt, in deinem Lachen
Gehörſt du dir —
Weiter war nichts zu leſen. — Ja, rief er, du ge-
hörſt nur dir und keinem Anderen, aber das Lachen
wird dir wohl eigener ſeyn, als der Ernſt! — Er
war böſe auf ſie, er zürnte ihr ingrimmig, denn
auch er glaubte, was der Hofſchulze ihm geſagt
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/101>, abgerufen am 21.11.2024.
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