Melpomene hat zwei Dolche. Der Eine ist blank, haarscharf geschliffen, schneidet schnell und gräbt glatte, rein ausblutende Wunden. Der Andere rostig, voll Scharten, reißt in das Fleisch unselige Zerstörung. Mit dem Einen tritt sie Könige und Helden an, mit dem Anderen pflegt sie sich öfter bei Bauern und Bürgern einzuschleichen. Der Eine trifft um große, unläugbare Güter, um Krone, Reich, Leben, der Andere quält um Nich- tigkeiten, um einen Schall, um des Schalles Wi- derhall. Denn die Menschen werden nicht von den Dingen, sondern von den Meinungen über die Dinge gepeiniget.
Der Pallast ist nicht der einzige Schauplatz der Tragödie. -- Wer jetzt bei den Schatten der Nacht unter das Dach des Oberhofes hätte blicken kön-
Siebentes Capitel. Ein Trauerſpiel im Oberhofe.
Melpomene hat zwei Dolche. Der Eine iſt blank, haarſcharf geſchliffen, ſchneidet ſchnell und gräbt glatte, rein ausblutende Wunden. Der Andere roſtig, voll Scharten, reißt in das Fleiſch unſelige Zerſtörung. Mit dem Einen tritt ſie Könige und Helden an, mit dem Anderen pflegt ſie ſich öfter bei Bauern und Bürgern einzuſchleichen. Der Eine trifft um große, unläugbare Güter, um Krone, Reich, Leben, der Andere quält um Nich- tigkeiten, um einen Schall, um des Schalles Wi- derhall. Denn die Menſchen werden nicht von den Dingen, ſondern von den Meinungen über die Dinge gepeiniget.
Der Pallaſt iſt nicht der einzige Schauplatz der Tragödie. — Wer jetzt bei den Schatten der Nacht unter das Dach des Oberhofes hätte blicken kön-
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Siebentes Capitel.
Ein Trauerſpiel im Oberhofe.
Melpomene hat zwei Dolche. Der Eine iſt
blank, haarſcharf geſchliffen, ſchneidet ſchnell und
gräbt glatte, rein ausblutende Wunden. Der
Andere roſtig, voll Scharten, reißt in das Fleiſch
unſelige Zerſtörung. Mit dem Einen tritt ſie
Könige und Helden an, mit dem Anderen pflegt
ſie ſich öfter bei Bauern und Bürgern einzuſchleichen.
Der Eine trifft um große, unläugbare Güter, um
Krone, Reich, Leben, der Andere quält um Nich-
tigkeiten, um einen Schall, um des Schalles Wi-
derhall. Denn die Menſchen werden nicht von den
Dingen, ſondern von den Meinungen über die
Dinge gepeiniget.
Der Pallaſt iſt nicht der einzige Schauplatz der
Tragödie. — Wer jetzt bei den Schatten der Nacht
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/104>, abgerufen am 21.11.2024.
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