Verwandten in das tiefste Leid eingetaucht um einen Tisch her versammelt saß, plötzlich aber zu einem ärgerlichen und unwiderstehlichen Lachen fortgerissen wurde, weil Einer, und gerade der Schluchzendste, sacht eine baumwollene Nachtmütze hervorholte, diese sich auf den Kopf setzte und unter derselben fortfuhr zu schluchzen. An und für sich war diese Handlung höchst vernünftig, weil er das Heran- nahen eines Rheumatismus im Kopfe fühlte und demselben mit der wärmenden Hülle begegnen wollte. Gleichwohl wirkte sie in so anstößig er- heiternder Weise! Denn eine baumwollene Nacht- mütze gehört nun einmal zu den Dingen, die un- widerstehlich jeden feierlichen Ernst zerstören.
Der neckende Geist, welcher bei allen trüben oder erhabenen Angelegenheiten des Lebens sein Spiel zu treiben scheint, hatte auch den Küster wieder in die Nähe des Oberhofes geführt. Dieser Mann war nämlich gekommen, sein Deputat an Lebensmitteln von der Hochzeit einzufordern. Rasch hatte sich das Geschäft gemacht, weil schon Alles für ihn bereit stand. Jetzt wandelte er mit seiner korbtragenden Magd den Weg voran, den auch unser leidendes Liebespaar zu gehen hatte. Der
Verwandten in das tiefſte Leid eingetaucht um einen Tiſch her verſammelt ſaß, plötzlich aber zu einem ärgerlichen und unwiderſtehlichen Lachen fortgeriſſen wurde, weil Einer, und gerade der Schluchzendſte, ſacht eine baumwollene Nachtmütze hervorholte, dieſe ſich auf den Kopf ſetzte und unter derſelben fortfuhr zu ſchluchzen. An und für ſich war dieſe Handlung höchſt vernünftig, weil er das Heran- nahen eines Rheumatismus im Kopfe fühlte und demſelben mit der wärmenden Hülle begegnen wollte. Gleichwohl wirkte ſie in ſo anſtößig er- heiternder Weiſe! Denn eine baumwollene Nacht- mütze gehört nun einmal zu den Dingen, die un- widerſtehlich jeden feierlichen Ernſt zerſtören.
Der neckende Geiſt, welcher bei allen trüben oder erhabenen Angelegenheiten des Lebens ſein Spiel zu treiben ſcheint, hatte auch den Küſter wieder in die Nähe des Oberhofes geführt. Dieſer Mann war nämlich gekommen, ſein Deputat an Lebensmitteln von der Hochzeit einzufordern. Raſch hatte ſich das Geſchäft gemacht, weil ſchon Alles für ihn bereit ſtand. Jetzt wandelte er mit ſeiner korbtragenden Magd den Weg voran, den auch unſer leidendes Liebespaar zu gehen hatte. Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0154"n="142"/>
Verwandten in das tiefſte Leid eingetaucht um einen<lb/>
Tiſch her verſammelt ſaß, plötzlich aber zu einem<lb/>
ärgerlichen und unwiderſtehlichen Lachen fortgeriſſen<lb/>
wurde, weil Einer, und gerade der Schluchzendſte,<lb/>ſacht eine baumwollene Nachtmütze hervorholte,<lb/>
dieſe ſich auf den Kopf ſetzte und unter derſelben<lb/>
fortfuhr zu ſchluchzen. An und für ſich war dieſe<lb/>
Handlung höchſt vernünftig, weil er das Heran-<lb/>
nahen eines Rheumatismus im Kopfe fühlte und<lb/>
demſelben mit der wärmenden Hülle begegnen<lb/>
wollte. Gleichwohl wirkte ſie in ſo anſtößig er-<lb/>
heiternder Weiſe! Denn eine baumwollene Nacht-<lb/>
mütze gehört nun einmal zu den Dingen, die un-<lb/>
widerſtehlich jeden feierlichen Ernſt zerſtören.</p><lb/><p>Der neckende Geiſt, welcher bei allen trüben<lb/>
oder erhabenen Angelegenheiten des Lebens ſein<lb/>
Spiel zu treiben ſcheint, hatte auch den Küſter<lb/>
wieder in die Nähe des Oberhofes geführt. Dieſer<lb/>
Mann war nämlich gekommen, ſein Deputat an<lb/>
Lebensmitteln von der Hochzeit einzufordern. Raſch<lb/>
hatte ſich das Geſchäft gemacht, weil ſchon Alles<lb/>
für ihn bereit ſtand. Jetzt wandelte er mit ſeiner<lb/>
korbtragenden Magd den Weg voran, den auch<lb/>
unſer leidendes Liebespaar zu gehen hatte. Der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[142/0154]
Verwandten in das tiefſte Leid eingetaucht um einen
Tiſch her verſammelt ſaß, plötzlich aber zu einem
ärgerlichen und unwiderſtehlichen Lachen fortgeriſſen
wurde, weil Einer, und gerade der Schluchzendſte,
ſacht eine baumwollene Nachtmütze hervorholte,
dieſe ſich auf den Kopf ſetzte und unter derſelben
fortfuhr zu ſchluchzen. An und für ſich war dieſe
Handlung höchſt vernünftig, weil er das Heran-
nahen eines Rheumatismus im Kopfe fühlte und
demſelben mit der wärmenden Hülle begegnen
wollte. Gleichwohl wirkte ſie in ſo anſtößig er-
heiternder Weiſe! Denn eine baumwollene Nacht-
mütze gehört nun einmal zu den Dingen, die un-
widerſtehlich jeden feierlichen Ernſt zerſtören.
Der neckende Geiſt, welcher bei allen trüben
oder erhabenen Angelegenheiten des Lebens ſein
Spiel zu treiben ſcheint, hatte auch den Küſter
wieder in die Nähe des Oberhofes geführt. Dieſer
Mann war nämlich gekommen, ſein Deputat an
Lebensmitteln von der Hochzeit einzufordern. Raſch
hatte ſich das Geſchäft gemacht, weil ſchon Alles
für ihn bereit ſtand. Jetzt wandelte er mit ſeiner
korbtragenden Magd den Weg voran, den auch
unſer leidendes Liebespaar zu gehen hatte. Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/154>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.