den Hochzeitschmäusen selbst nie dazu gelangen. Als ich nun im Oberhofe vorgestern durch gerechte Furcht vor einem Rasenden um alle Hungers- stillung gebracht wurde, erkannte ich plötzlich den Finger Gottes und entschloß mich sogleich zu diesem meinem heutigen Hochzeitnachschmause, den ich denn auch bei noch frischer Erinnerung an Predigt, Lied, Orgelspiel, abgelegt die Last meines Amtes, abgestreift die Fessel des Ranges, hier unter Gottes freiem Himmel (denn das Dach des Spri- tzenhäuschens will wenig sagen) in der schönen ge- mischten Empfindung zu halten denke, welche, wie ich deutlich verspüre, währenden Redens bereits in mir aufgestiegen ist. -- Wolltest du mich aber fragen, Gudel, warum ich nicht zu Hause nach- speise, so wäre dieses eine unnütze Frage. Denn abgesehen von der Currende, welche heute zu mir gelaufen kommt, um die Büchse zu überreichen, und welche mir alle Gedanken vertreiben würde, so fehlt mir überhaupt zwischen meinen vier Pfählen bei dem Reden meiner Ehefrau jegliche Einbil- dungskraft, und sie würde nur gemeines Essen seyn, diese Hochzeitspeise, welche ich dort zu mir nähme.
den Hochzeitſchmäuſen ſelbſt nie dazu gelangen. Als ich nun im Oberhofe vorgeſtern durch gerechte Furcht vor einem Raſenden um alle Hungers- ſtillung gebracht wurde, erkannte ich plötzlich den Finger Gottes und entſchloß mich ſogleich zu dieſem meinem heutigen Hochzeitnachſchmauſe, den ich denn auch bei noch friſcher Erinnerung an Predigt, Lied, Orgelſpiel, abgelegt die Laſt meines Amtes, abgeſtreift die Feſſel des Ranges, hier unter Gottes freiem Himmel (denn das Dach des Spri- tzenhäuschens will wenig ſagen) in der ſchönen ge- miſchten Empfindung zu halten denke, welche, wie ich deutlich verſpüre, währenden Redens bereits in mir aufgeſtiegen iſt. — Wollteſt du mich aber fragen, Gudel, warum ich nicht zu Hauſe nach- ſpeiſe, ſo wäre dieſes eine unnütze Frage. Denn abgeſehen von der Currende, welche heute zu mir gelaufen kommt, um die Büchſe zu überreichen, und welche mir alle Gedanken vertreiben würde, ſo fehlt mir überhaupt zwiſchen meinen vier Pfählen bei dem Reden meiner Ehefrau jegliche Einbil- dungskraft, und ſie würde nur gemeines Eſſen ſeyn, dieſe Hochzeitſpeiſe, welche ich dort zu mir nähme.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0169"n="157"/>
den Hochzeitſchmäuſen ſelbſt nie dazu gelangen.<lb/>
Als ich nun im Oberhofe vorgeſtern durch gerechte<lb/>
Furcht vor einem Raſenden um alle Hungers-<lb/>ſtillung gebracht wurde, erkannte ich plötzlich den<lb/>
Finger Gottes und entſchloß mich ſogleich zu dieſem<lb/>
meinem heutigen Hochzeitnachſchmauſe, den ich<lb/>
denn auch bei noch friſcher Erinnerung an Predigt,<lb/>
Lied, Orgelſpiel, abgelegt die Laſt meines Amtes,<lb/>
abgeſtreift die Feſſel des Ranges, hier unter<lb/>
Gottes freiem Himmel (denn das Dach des Spri-<lb/>
tzenhäuschens will wenig ſagen) in der ſchönen ge-<lb/>
miſchten Empfindung zu halten denke, welche, wie<lb/>
ich deutlich verſpüre, währenden Redens bereits<lb/>
in mir aufgeſtiegen iſt. — Wollteſt du mich aber<lb/>
fragen, Gudel, warum ich nicht zu Hauſe nach-<lb/>ſpeiſe, ſo wäre dieſes eine unnütze Frage. Denn<lb/>
abgeſehen von der Currende, welche heute zu mir<lb/>
gelaufen kommt, um die Büchſe zu überreichen,<lb/>
und welche mir alle Gedanken vertreiben würde,<lb/>ſo fehlt mir überhaupt zwiſchen meinen vier Pfählen<lb/>
bei dem Reden meiner Ehefrau jegliche Einbil-<lb/>
dungskraft, und ſie würde nur gemeines Eſſen<lb/>ſeyn, dieſe Hochzeitſpeiſe, welche ich dort zu mir<lb/>
nähme.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[157/0169]
den Hochzeitſchmäuſen ſelbſt nie dazu gelangen.
Als ich nun im Oberhofe vorgeſtern durch gerechte
Furcht vor einem Raſenden um alle Hungers-
ſtillung gebracht wurde, erkannte ich plötzlich den
Finger Gottes und entſchloß mich ſogleich zu dieſem
meinem heutigen Hochzeitnachſchmauſe, den ich
denn auch bei noch friſcher Erinnerung an Predigt,
Lied, Orgelſpiel, abgelegt die Laſt meines Amtes,
abgeſtreift die Feſſel des Ranges, hier unter
Gottes freiem Himmel (denn das Dach des Spri-
tzenhäuschens will wenig ſagen) in der ſchönen ge-
miſchten Empfindung zu halten denke, welche, wie
ich deutlich verſpüre, währenden Redens bereits
in mir aufgeſtiegen iſt. — Wollteſt du mich aber
fragen, Gudel, warum ich nicht zu Hauſe nach-
ſpeiſe, ſo wäre dieſes eine unnütze Frage. Denn
abgeſehen von der Currende, welche heute zu mir
gelaufen kommt, um die Büchſe zu überreichen,
und welche mir alle Gedanken vertreiben würde,
ſo fehlt mir überhaupt zwiſchen meinen vier Pfählen
bei dem Reden meiner Ehefrau jegliche Einbil-
dungskraft, und ſie würde nur gemeines Eſſen
ſeyn, dieſe Hochzeitſpeiſe, welche ich dort zu mir
nähme.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/169>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.