er ihr Benehmen nannte. Er wollte sie auch deß- halb gar nicht sehen, als sie ihn endlich besuchte, und sie mußte, nachdem sie drei Tage inständig bittend verweilt hatte, unverrichteter Sache abrei- sen. Jede Einladung nach dem Schlosse am Neckar hat er beharrlich abgelehnt. Die jungen Gatten sorgen aber dennoch für ihn durch einen seiner alten Freunde, der von ihnen in's Vertrauen gezo- gen worden ist. Dieser zahlt ihm nämlich reich- liche Summen aus unter dem Vorwande, es seien Rückstände von Zinsen, die sein ehemaliger Rent- meister nachlässigerweise uneingefordert gelassen habe. Der alte Baron wohnt bei diesem Freunde zur Miethe, hat sich wieder Jagdgewehr angeschafft, schießt Rehe, so viele er treffen kann, trinkt Rheinwein nach Bedürfniß und lebt ganz der Ge- genwart.
Der Schulmeister Agesel ließ in den rheinisch- westphälischen Anzeiger einrücken, er erkläre Jeden, der ihn nicht für einen gewöhnlichen Menschen im vollen Sinne des Worts halte, für einen Schur- ken, worauf der Küster aus Furcht, insultirt zu werden, seine andere Furcht nach und nach bemei- stern gelernt hat.
er ihr Benehmen nannte. Er wollte ſie auch deß- halb gar nicht ſehen, als ſie ihn endlich beſuchte, und ſie mußte, nachdem ſie drei Tage inſtändig bittend verweilt hatte, unverrichteter Sache abrei- ſen. Jede Einladung nach dem Schloſſe am Neckar hat er beharrlich abgelehnt. Die jungen Gatten ſorgen aber dennoch für ihn durch einen ſeiner alten Freunde, der von ihnen in’s Vertrauen gezo- gen worden iſt. Dieſer zahlt ihm nämlich reich- liche Summen aus unter dem Vorwande, es ſeien Rückſtände von Zinſen, die ſein ehemaliger Rent- meiſter nachläſſigerweiſe uneingefordert gelaſſen habe. Der alte Baron wohnt bei dieſem Freunde zur Miethe, hat ſich wieder Jagdgewehr angeſchafft, ſchießt Rehe, ſo viele er treffen kann, trinkt Rheinwein nach Bedürfniß und lebt ganz der Ge- genwart.
Der Schulmeiſter Ageſel ließ in den rheiniſch- weſtphäliſchen Anzeiger einrücken, er erkläre Jeden, der ihn nicht für einen gewöhnlichen Menſchen im vollen Sinne des Worts halte, für einen Schur- ken, worauf der Küſter aus Furcht, inſultirt zu werden, ſeine andere Furcht nach und nach bemei- ſtern gelernt hat.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0311"n="299"/>
er ihr Benehmen nannte. Er wollte ſie auch deß-<lb/>
halb gar nicht ſehen, als ſie ihn endlich beſuchte,<lb/>
und ſie mußte, nachdem ſie drei Tage inſtändig<lb/>
bittend verweilt hatte, unverrichteter Sache abrei-<lb/>ſen. Jede Einladung nach dem Schloſſe am Neckar<lb/>
hat er beharrlich abgelehnt. Die jungen Gatten<lb/>ſorgen aber dennoch für ihn durch einen ſeiner<lb/>
alten Freunde, der von ihnen in’s Vertrauen gezo-<lb/>
gen worden iſt. Dieſer zahlt ihm nämlich reich-<lb/>
liche Summen aus unter dem Vorwande, es ſeien<lb/>
Rückſtände von Zinſen, die ſein ehemaliger Rent-<lb/>
meiſter nachläſſigerweiſe uneingefordert gelaſſen habe.<lb/>
Der alte Baron wohnt bei dieſem Freunde zur<lb/>
Miethe, hat ſich wieder Jagdgewehr angeſchafft,<lb/>ſchießt Rehe, ſo viele er treffen kann, trinkt<lb/>
Rheinwein nach Bedürfniß und lebt ganz der Ge-<lb/>
genwart.</p><lb/><p>Der Schulmeiſter Ageſel ließ in den rheiniſch-<lb/>
weſtphäliſchen Anzeiger einrücken, er erkläre Jeden,<lb/>
der ihn nicht für einen gewöhnlichen Menſchen im<lb/>
vollen Sinne des Worts halte, für einen Schur-<lb/>
ken, worauf der Küſter aus Furcht, inſultirt zu<lb/>
werden, ſeine andere Furcht nach und nach bemei-<lb/>ſtern gelernt hat.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[299/0311]
er ihr Benehmen nannte. Er wollte ſie auch deß-
halb gar nicht ſehen, als ſie ihn endlich beſuchte,
und ſie mußte, nachdem ſie drei Tage inſtändig
bittend verweilt hatte, unverrichteter Sache abrei-
ſen. Jede Einladung nach dem Schloſſe am Neckar
hat er beharrlich abgelehnt. Die jungen Gatten
ſorgen aber dennoch für ihn durch einen ſeiner
alten Freunde, der von ihnen in’s Vertrauen gezo-
gen worden iſt. Dieſer zahlt ihm nämlich reich-
liche Summen aus unter dem Vorwande, es ſeien
Rückſtände von Zinſen, die ſein ehemaliger Rent-
meiſter nachläſſigerweiſe uneingefordert gelaſſen habe.
Der alte Baron wohnt bei dieſem Freunde zur
Miethe, hat ſich wieder Jagdgewehr angeſchafft,
ſchießt Rehe, ſo viele er treffen kann, trinkt
Rheinwein nach Bedürfniß und lebt ganz der Ge-
genwart.
Der Schulmeiſter Ageſel ließ in den rheiniſch-
weſtphäliſchen Anzeiger einrücken, er erkläre Jeden,
der ihn nicht für einen gewöhnlichen Menſchen im
vollen Sinne des Worts halte, für einen Schur-
ken, worauf der Küſter aus Furcht, inſultirt zu
werden, ſeine andere Furcht nach und nach bemei-
ſtern gelernt hat.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/311>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.