Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sie wollten's unter sich abmachen, und ich sollt' Rede
und Antwort stehen. Ich rief: Er sollte sich zum
Teufel scheren, sie könnten mir dieß und das thun,
dem Amtmann sei ich Rede und Antwort schuldig.

Wie ich nun zum erstenmale den Kopf wieder
aus dem Loch hervorstrecke, höre ich curiose Ge-
schichten. Der Alte hat seinen Sohn gleich nach-
dem die Leiche gefunden worden, begraben lassen
und überall gesagt, der Junge sei spät nach Hause
gegangen und habe einen bösen Fall gethan. Keine
Anzeige hat er gemacht und Alles bleibt still von
der Sache, und kein Amtmann und kein Criminal
bekümmert sich um mich. Ja, was soll das bedeu-
ten? denke ich.

Ich konnte es aber bald spüren, Herr Schmitz.
Es war mir schon auffällig gewesen, daß während
meiner Wehtage nicht eine Menschenseele nach mir
fragte, denn wenn ich auch nicht viele Freunde
hatte, so besuchte mich doch jezuweilen sonst Einer
oder der Andere. Aber da saß ich ganz allein
und verlassen, und zuweilen that mich nicht nur
meine wunde Augenhöhle schmerzen, sondern ich
heulte auch mit dem gesunden Auge meine bitteren
Thränen. Als ich nun wieder 'naus ging, so wollte

ſie wollten’s unter ſich abmachen, und ich ſollt’ Rede
und Antwort ſtehen. Ich rief: Er ſollte ſich zum
Teufel ſcheren, ſie könnten mir dieß und das thun,
dem Amtmann ſei ich Rede und Antwort ſchuldig.

Wie ich nun zum erſtenmale den Kopf wieder
aus dem Loch hervorſtrecke, höre ich curioſe Ge-
ſchichten. Der Alte hat ſeinen Sohn gleich nach-
dem die Leiche gefunden worden, begraben laſſen
und überall geſagt, der Junge ſei ſpät nach Hauſe
gegangen und habe einen böſen Fall gethan. Keine
Anzeige hat er gemacht und Alles bleibt ſtill von
der Sache, und kein Amtmann und kein Criminal
bekümmert ſich um mich. Ja, was ſoll das bedeu-
ten? denke ich.

Ich konnte es aber bald ſpüren, Herr Schmitz.
Es war mir ſchon auffällig geweſen, daß während
meiner Wehtage nicht eine Menſchenſeele nach mir
fragte, denn wenn ich auch nicht viele Freunde
hatte, ſo beſuchte mich doch jezuweilen ſonſt Einer
oder der Andere. Aber da ſaß ich ganz allein
und verlaſſen, und zuweilen that mich nicht nur
meine wunde Augenhöhle ſchmerzen, ſondern ich
heulte auch mit dem geſunden Auge meine bitteren
Thränen. Als ich nun wieder ’naus ging, ſo wollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="57"/>
&#x017F;ie wollten&#x2019;s unter &#x017F;ich abmachen, und ich &#x017F;ollt&#x2019; Rede<lb/>
und Antwort &#x017F;tehen. Ich rief: Er &#x017F;ollte &#x017F;ich zum<lb/>
Teufel &#x017F;cheren, &#x017F;ie könnten mir dieß und das thun,<lb/>
dem Amtmann &#x017F;ei ich Rede und Antwort &#x017F;chuldig.</p><lb/>
          <p>Wie ich nun zum er&#x017F;tenmale den Kopf wieder<lb/>
aus dem Loch hervor&#x017F;trecke, höre ich curio&#x017F;e Ge-<lb/>
&#x017F;chichten. Der Alte hat &#x017F;einen Sohn gleich nach-<lb/>
dem die Leiche gefunden worden, begraben la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und überall ge&#x017F;agt, der Junge &#x017F;ei &#x017F;pät nach Hau&#x017F;e<lb/>
gegangen und habe einen bö&#x017F;en Fall gethan. Keine<lb/>
Anzeige hat er gemacht und Alles bleibt &#x017F;till von<lb/>
der Sache, und kein Amtmann und kein Criminal<lb/>
bekümmert &#x017F;ich um mich. Ja, was &#x017F;oll das bedeu-<lb/>
ten? denke ich.</p><lb/>
          <p>Ich konnte es aber bald &#x017F;püren, Herr Schmitz.<lb/>
Es war mir &#x017F;chon auffällig gewe&#x017F;en, daß während<lb/>
meiner Wehtage nicht eine Men&#x017F;chen&#x017F;eele nach mir<lb/>
fragte, denn wenn ich auch nicht viele Freunde<lb/>
hatte, &#x017F;o be&#x017F;uchte mich doch jezuweilen &#x017F;on&#x017F;t Einer<lb/>
oder der Andere. Aber da &#x017F;aß ich ganz allein<lb/>
und verla&#x017F;&#x017F;en, und zuweilen that mich nicht nur<lb/>
meine wunde Augenhöhle &#x017F;chmerzen, &#x017F;ondern ich<lb/>
heulte auch mit dem ge&#x017F;unden Auge meine bitteren<lb/>
Thränen. Als ich nun wieder &#x2019;naus ging, &#x017F;o wollte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0069] ſie wollten’s unter ſich abmachen, und ich ſollt’ Rede und Antwort ſtehen. Ich rief: Er ſollte ſich zum Teufel ſcheren, ſie könnten mir dieß und das thun, dem Amtmann ſei ich Rede und Antwort ſchuldig. Wie ich nun zum erſtenmale den Kopf wieder aus dem Loch hervorſtrecke, höre ich curioſe Ge- ſchichten. Der Alte hat ſeinen Sohn gleich nach- dem die Leiche gefunden worden, begraben laſſen und überall geſagt, der Junge ſei ſpät nach Hauſe gegangen und habe einen böſen Fall gethan. Keine Anzeige hat er gemacht und Alles bleibt ſtill von der Sache, und kein Amtmann und kein Criminal bekümmert ſich um mich. Ja, was ſoll das bedeu- ten? denke ich. Ich konnte es aber bald ſpüren, Herr Schmitz. Es war mir ſchon auffällig geweſen, daß während meiner Wehtage nicht eine Menſchenſeele nach mir fragte, denn wenn ich auch nicht viele Freunde hatte, ſo beſuchte mich doch jezuweilen ſonſt Einer oder der Andere. Aber da ſaß ich ganz allein und verlaſſen, und zuweilen that mich nicht nur meine wunde Augenhöhle ſchmerzen, ſondern ich heulte auch mit dem geſunden Auge meine bitteren Thränen. Als ich nun wieder ’naus ging, ſo wollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/69
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/69>, abgerufen am 21.11.2024.