Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

und ihre Kinder; allen übrigen Wesen nur
gut ist, und in Wohlthun gegen sie, aus voller
Genüge, nur -- überfließt, wie die Sonne
von sich scheinet Licht und Wärme, nur --
weil sie Licht ist und warm, und die Fül-
le hat
. Tritt in den Umfang von Amaliens
Sphäre: du stehst in Segen; das ist alles.
Darum ist Amalia auch das bescheidenste Ge-
schöpf; das demüthigste, möchte ich sagen,
das man finden kann. Daß sie Gutes aller
Art unermeßlich wirkt -- darauf giebt sie nicht
Acht; daß sie alle Pflichten erfüllt, alle Gebote
hält -- das weiß sie nicht; hat von den Grün-
den ihres durchgängigen Verhaltens nichts we-
niger als vollständige Begriffe, gar keine eigent-
liche Moral, kaum eine solche wie schon vor
Jahrtausenden dem uralten Hiob eine zu Dien-
sten stand. Wunderbar, daß Amalia zu-
rechtkommt; denn sie ist auch nicht einmal,
was man fromm heißt. Aber ich fodre eure
eckelsten Mückenseiger auf, ihren Wandel nach
der Strenge zu prüfen; und wenn er wird läug-
nen können, daß sie sündenfreyer, daß sie ta-

und ihre Kinder; allen uͤbrigen Weſen nur
gut iſt, und in Wohlthun gegen ſie, aus voller
Genuͤge, nur — uͤberfließt, wie die Sonne
von ſich ſcheinet Licht und Waͤrme, nur
weil ſie Licht iſt und warm, und die Fuͤl-
le hat
. Tritt in den Umfang von Amaliens
Sphaͤre: du ſtehſt in Segen; das iſt alles.
Darum iſt Amalia auch das beſcheidenſte Ge-
ſchoͤpf; das demuͤthigſte, moͤchte ich ſagen,
das man finden kann. Daß ſie Gutes aller
Art unermeßlich wirkt — darauf giebt ſie nicht
Acht; daß ſie alle Pflichten erfuͤllt, alle Gebote
haͤlt — das weiß ſie nicht; hat von den Gruͤn-
den ihres durchgaͤngigen Verhaltens nichts we-
niger als vollſtaͤndige Begriffe, gar keine eigent-
liche Moral, kaum eine ſolche wie ſchon vor
Jahrtauſenden dem uralten Hiob eine zu Dien-
ſten ſtand. Wunderbar, daß Amalia zu-
rechtkommt; denn ſie iſt auch nicht einmal,
was man fromm heißt. Aber ich fodre eure
eckelſten Muͤckenſeiger auf, ihren Wandel nach
der Strenge zu pruͤfen; und wenn er wird laͤug-
nen koͤnnen, daß ſie ſuͤndenfreyer, daß ſie ta-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0120" n="82"/>
und ihre <hi rendition="#g">Kinder</hi>; allen u&#x0364;brigen We&#x017F;en nur<lb/>
gut i&#x017F;t, und in Wohlthun gegen &#x017F;ie, aus voller<lb/>
Genu&#x0364;ge, nur &#x2014; <hi rendition="#g">u&#x0364;berfließt</hi>, wie die Sonne<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;cheinet Licht und Wa&#x0364;rme, <hi rendition="#g">nur</hi> &#x2014;<lb/>
weil &#x017F;ie <hi rendition="#g">Licht</hi> i&#x017F;t und <hi rendition="#g">warm, und die Fu&#x0364;l-<lb/>
le hat</hi>. Tritt in den Umfang von Amaliens<lb/>
Spha&#x0364;re: du &#x017F;teh&#x017F;t in Segen; das i&#x017F;t alles.<lb/>
Darum i&#x017F;t <hi rendition="#g">Amalia</hi> auch das be&#x017F;cheiden&#x017F;te Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pf; das <hi rendition="#g">demu&#x0364;thig&#x017F;te</hi>, mo&#x0364;chte ich &#x017F;agen,<lb/>
das man finden kann. Daß &#x017F;ie Gutes aller<lb/>
Art unermeßlich wirkt &#x2014; darauf giebt &#x017F;ie nicht<lb/>
Acht; daß &#x017F;ie alle Pflichten erfu&#x0364;llt, alle Gebote<lb/>
ha&#x0364;lt &#x2014; das weiß &#x017F;ie nicht; hat von den Gru&#x0364;n-<lb/>
den ihres durchga&#x0364;ngigen Verhaltens nichts we-<lb/>
niger als voll&#x017F;ta&#x0364;ndige Begriffe, gar keine eigent-<lb/>
liche <hi rendition="#g">Moral</hi>, kaum eine &#x017F;olche wie &#x017F;chon vor<lb/>
Jahrtau&#x017F;enden dem uralten Hiob eine zu Dien-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;tand. <hi rendition="#g">Wunderbar</hi>, daß Amalia zu-<lb/>
rechtkommt; denn &#x017F;ie i&#x017F;t auch nicht einmal,<lb/>
was man <hi rendition="#g">fromm</hi> heißt. Aber ich fodre eure<lb/>
eckel&#x017F;ten Mu&#x0364;cken&#x017F;eiger auf, ihren Wandel nach<lb/>
der Strenge zu pru&#x0364;fen; und wenn er wird la&#x0364;ug-<lb/>
nen ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;ie &#x017F;u&#x0364;ndenfreyer, daß &#x017F;ie ta-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0120] und ihre Kinder; allen uͤbrigen Weſen nur gut iſt, und in Wohlthun gegen ſie, aus voller Genuͤge, nur — uͤberfließt, wie die Sonne von ſich ſcheinet Licht und Waͤrme, nur — weil ſie Licht iſt und warm, und die Fuͤl- le hat. Tritt in den Umfang von Amaliens Sphaͤre: du ſtehſt in Segen; das iſt alles. Darum iſt Amalia auch das beſcheidenſte Ge- ſchoͤpf; das demuͤthigſte, moͤchte ich ſagen, das man finden kann. Daß ſie Gutes aller Art unermeßlich wirkt — darauf giebt ſie nicht Acht; daß ſie alle Pflichten erfuͤllt, alle Gebote haͤlt — das weiß ſie nicht; hat von den Gruͤn- den ihres durchgaͤngigen Verhaltens nichts we- niger als vollſtaͤndige Begriffe, gar keine eigent- liche Moral, kaum eine ſolche wie ſchon vor Jahrtauſenden dem uralten Hiob eine zu Dien- ſten ſtand. Wunderbar, daß Amalia zu- rechtkommt; denn ſie iſt auch nicht einmal, was man fromm heißt. Aber ich fodre eure eckelſten Muͤckenſeiger auf, ihren Wandel nach der Strenge zu pruͤfen; und wenn er wird laͤug- nen koͤnnen, daß ſie ſuͤndenfreyer, daß ſie ta-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/120
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/120>, abgerufen am 17.05.2024.