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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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auf mich zurück wirkte. Und was nun folgte;
und weiter, weiter bis ans Ende. Mir
däuchte, ich wäre in meinem Leben so nicht
erschüttert worden. Und doch ergriff mich der
melancholische Gesang in dem Briefe an Ama-
lia noch mehr. Dasselbe wiederfuhr Amalien
und auch Clerdon.

Ach, die liebe Meli! ... Du hättest sie
sehen, sie hören sollen! Wie ich da wieder fühlte,
daß ich neben ihr doch so gar Nichts bin. In
allem ist sie so ganz, mit Sinnen Herz und
Geist; und herrscht wieder über alles,
man weiß nicht durch welche Kraft.
Mir konnte Gott kein größeres Zeichen geben,
als ich eins an diesem wunderbaren Weibe habe.

Und nun begreife, warum mein Brief so
zerknittert aussieht. Nachdem wir Deine Briefe
gelesen hatten, und während wir darüber spra-
chen, schien es mir unerträglich, mein Ge-
schreibe an Dich abzuschicken. Es überkam
mich ein solcher Ekel und Verdruß an dem Ge-
schwätze, daß ich die Bogen, die gerade auf dem

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auf mich zuruͤck wirkte. Und was nun folgte;
und weiter, weiter bis ans Ende. Mir
daͤuchte, ich waͤre in meinem Leben ſo nicht
erſchuͤttert worden. Und doch ergriff mich der
melancholiſche Geſang in dem Briefe an Ama-
lia noch mehr. Daſſelbe wiederfuhr Amalien
und auch Clerdon.

Ach, die liebe Meli! … Du haͤtteſt ſie
ſehen, ſie hoͤren ſollen! Wie ich da wieder fuͤhlte,
daß ich neben ihr doch ſo gar Nichts bin. In
allem iſt ſie ſo ganz, mit Sinnen Herz und
Geiſt; und herrſcht wieder uͤber alles,
man weiß nicht durch welche Kraft.
Mir konnte Gott kein groͤßeres Zeichen geben,
als ich eins an dieſem wunderbaren Weibe habe.

Und nun begreife, warum mein Brief ſo
zerknittert ausſieht. Nachdem wir Deine Briefe
geleſen hatten, und waͤhrend wir daruͤber ſpra-
chen, ſchien es mir unertraͤglich, mein Ge-
ſchreibe an Dich abzuſchicken. Es uͤberkam
mich ein ſolcher Ekel und Verdruß an dem Ge-
ſchwaͤtze, daß ich die Bogen, die gerade auf dem

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[169/0207] auf mich zuruͤck wirkte. Und was nun folgte; und weiter, weiter bis ans Ende. Mir daͤuchte, ich waͤre in meinem Leben ſo nicht erſchuͤttert worden. Und doch ergriff mich der melancholiſche Geſang in dem Briefe an Ama- lia noch mehr. Daſſelbe wiederfuhr Amalien und auch Clerdon. Ach, die liebe Meli! … Du haͤtteſt ſie ſehen, ſie hoͤren ſollen! Wie ich da wieder fuͤhlte, daß ich neben ihr doch ſo gar Nichts bin. In allem iſt ſie ſo ganz, mit Sinnen Herz und Geiſt; und herrſcht wieder uͤber alles, man weiß nicht durch welche Kraft. Mir konnte Gott kein groͤßeres Zeichen geben, als ich eins an dieſem wunderbaren Weibe habe. Und nun begreife, warum mein Brief ſo zerknittert ausſieht. Nachdem wir Deine Briefe geleſen hatten, und waͤhrend wir daruͤber ſpra- chen, ſchien es mir unertraͤglich, mein Ge- ſchreibe an Dich abzuſchicken. Es uͤberkam mich ein ſolcher Ekel und Verdruß an dem Ge- ſchwaͤtze, daß ich die Bogen, die gerade auf dem L 5

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/207>, abgerufen am 21.11.2024.