alle Wahrheit und Treue ihren Anfang, wo auch die eigentliche gesunde Vernunft zu Hause ist. Wunderlich ist mir oft zu Mu- the gewesen, wenn ich unter Leuten von der großen und ganz großen Welt, auch un- ter großen Geistern mich befand, und zusah, welche Gewalt sie unter Umständen, nichts- würdiger Dinge wegen, über sich selbst hat- ten und behielten, und in welcher scheußlichen Ohnmacht sie unter andern Umständen da la- gen, ohne Gram und Schaam. So zu seyn, dazu wurde ihre Fantasie von Jugend auf gebildet, oder späterhin verzerrt. Nun diese Menschen, mit allem ihrem Glanze, hinge- stellt neben einen bideren, festen, überall treuen Mann, wie Waldbeck; jener in- nere Wirthschaft verglichen mit der inneren Wirthschaft von diesem: wen schaudert nicht bey dem Contrast? Hier, in stetem Gange, ein fortgesetztes Leben der Zucht: Muth, Freudigkeit, Standhaftigkeit und Würde. Dort, im trüben Taumel, ein ewig gestörtes, zerbrochenes Leben der Un-zucht: Feig-
alle Wahrheit und Treue ihren Anfang, wo auch die eigentliche geſunde Vernunft zu Hauſe iſt. Wunderlich iſt mir oft zu Mu- the geweſen, wenn ich unter Leuten von der großen und ganz großen Welt, auch un- ter großen Geiſtern mich befand, und zuſah, welche Gewalt ſie unter Umſtaͤnden, nichts- wuͤrdiger Dinge wegen, uͤber ſich ſelbſt hat- ten und behielten, und in welcher ſcheußlichen Ohnmacht ſie unter andern Umſtaͤnden da la- gen, ohne Gram und Schaam. So zu ſeyn, dazu wurde ihre Fantaſie von Jugend auf gebildet, oder ſpaͤterhin verzerrt. Nun dieſe Menſchen, mit allem ihrem Glanze, hinge- ſtellt neben einen bideren, feſten, uͤberall treuen Mann, wie Waldbeck; jener in- nere Wirthſchaft verglichen mit der inneren Wirthſchaft von dieſem: wen ſchaudert nicht bey dem Contraſt? Hier, in ſtetem Gange, ein fortgeſetztes Leben der Zucht: Muth, Freudigkeit, Standhaftigkeit und Wuͤrde. Dort, im truͤben Taumel, ein ewig geſtoͤrtes, zerbrochenes Leben der Un-zucht: Feig-
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alle Wahrheit und Treue ihren Anfang, wo
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zu Hauſe iſt. Wunderlich iſt mir oft zu Mu-
the geweſen, wenn ich unter Leuten von der
großen und ganz großen Welt, auch un-
ter großen Geiſtern mich befand, und zuſah,
welche Gewalt ſie unter Umſtaͤnden, nichts-
wuͤrdiger Dinge wegen, uͤber ſich ſelbſt hat-
ten und behielten, und in welcher ſcheußlichen
Ohnmacht ſie unter andern Umſtaͤnden da la-
gen, ohne Gram und Schaam. So zu ſeyn,
dazu wurde ihre Fantaſie von Jugend auf
gebildet, oder ſpaͤterhin verzerrt. Nun dieſe
Menſchen, mit allem ihrem Glanze, hinge-
ſtellt neben einen bideren, feſten, uͤberall
treuen Mann, wie Waldbeck; jener in-
nere Wirthſchaft verglichen mit der inneren
Wirthſchaft von dieſem: wen ſchaudert nicht
bey dem Contraſt? Hier, in ſtetem Gange,
ein fortgeſetztes Leben der Zucht: Muth,
Freudigkeit, Standhaftigkeit und Wuͤrde.
Dort, im truͤben Taumel, ein ewig geſtoͤrtes,
zerbrochenes Leben der Un-zucht: Feig-
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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