nur der ganzen Menschheit eines Men- schen traue, und mich wenig auf die Weisheit und Tugend, die nur in und an ihm ist, ver- lasse. Aber zur Menschheit eines jeden Menschen gehören Grundsätze, und irgend ein Zusammenhang der Grundsätze; und es ist klarer Unsinn, hievon als von etwas Ent- behrlichem zu reden. Was nützen Erfahrun- gen, wenn nicht durch ihre Vergleichung standhafte Begriffe und Urtheile zuwege gebracht werden; und was wäre überall mit dem Menschen vorzunehmen, wenn man nicht auf die Wirksamkeit solcher Begriffe und Ur- theile zu fußen hätte? Auch nehmen wir so allgemein für den eigenthümlichsten Vorzug der Menschheit an, nach Grundsätzen zu han- deln, daß der Grad der Fertigkeit hierin den Grad unserer Hochachtung oder Verachtung bestimmt. Wir preisen denjenigen, bey wel- chem der Empfindung das Gefühl, und dem Gefühl der Gedanke die Wage hält. Al- so nicht unsere Gefühle verringern, nicht sie schwächen will die Weisheit; sie nur reinigen
nur der ganzen Menſchheit eines Men- ſchen traue, und mich wenig auf die Weisheit und Tugend, die nur in und an ihm iſt, ver- laſſe. Aber zur Menſchheit eines jeden Menſchen gehoͤren Grundſaͤtze, und irgend ein Zuſammenhang der Grundſaͤtze; und es iſt klarer Unſinn, hievon als von etwas Ent- behrlichem zu reden. Was nuͤtzen Erfahrun- gen, wenn nicht durch ihre Vergleichung ſtandhafte Begriffe und Urtheile zuwege gebracht werden; und was waͤre uͤberall mit dem Menſchen vorzunehmen, wenn man nicht auf die Wirkſamkeit ſolcher Begriffe und Ur- theile zu fußen haͤtte? Auch nehmen wir ſo allgemein fuͤr den eigenthuͤmlichſten Vorzug der Menſchheit an, nach Grundſaͤtzen zu han- deln, daß der Grad der Fertigkeit hierin den Grad unſerer Hochachtung oder Verachtung beſtimmt. Wir preiſen denjenigen, bey wel- chem der Empfindung das Gefuͤhl, und dem Gefuͤhl der Gedanke die Wage haͤlt. Al- ſo nicht unſere Gefuͤhle verringern, nicht ſie ſchwaͤchen will die Weisheit; ſie nur reinigen
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nur der ganzen Menſchheit eines Men-
ſchen traue, und mich wenig auf die Weisheit
und Tugend, die nur in und an ihm iſt, ver-
laſſe. Aber zur Menſchheit eines jeden
Menſchen gehoͤren Grundſaͤtze, und irgend ein
Zuſammenhang der Grundſaͤtze; und es iſt
klarer Unſinn, hievon als von etwas Ent-
behrlichem zu reden. Was nuͤtzen Erfahrun-
gen, wenn nicht durch ihre Vergleichung
ſtandhafte Begriffe und Urtheile zuwege
gebracht werden; und was waͤre uͤberall mit
dem Menſchen vorzunehmen, wenn man nicht
auf die Wirkſamkeit ſolcher Begriffe und Ur-
theile zu fußen haͤtte? Auch nehmen wir ſo
allgemein fuͤr den eigenthuͤmlichſten Vorzug
der Menſchheit an, nach Grundſaͤtzen zu han-
deln, daß der Grad der Fertigkeit hierin den
Grad unſerer Hochachtung oder Verachtung
beſtimmt. Wir preiſen denjenigen, bey wel-
chem der Empfindung das Gefuͤhl, und
dem Gefuͤhl der Gedanke die Wage haͤlt. Al-
ſo nicht unſere Gefuͤhle verringern, nicht ſie
ſchwaͤchen will die Weisheit; ſie nur reinigen
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/305>, abgerufen am 24.11.2024.
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