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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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Du wirst am folgenden Tage, den ersten
März, einen Brief von mir erhalten haben,
worin ich Dich flehentlich bat: Du möchtest
einmal ohne Zurückhaltung Dich gegen uns
ergießen, uns Deinen Gemüthszustand, den
wir uns nicht genug zu erklären wissen, ganz
offen legen. Neue Unfälle sind Dir nicht be-
gegnet; und nach dem, was Du erfahren
hast, würden neue uns verborgene Wider-
wärtigkeiten Dich nicht in dem Grade nieder-
geschlagen haben, wie Du es augenscheinlich
bist. Woher denn dieses Sinken in die fürch-
terlichste Gattung der Schwermuth, dieses
Deinem Character so widersprechende Zagen,
welches einem tödtenden Unglauben an Liebe,
an Freundschaft, an Menschenwürde den
Weg bahnt?

Daß diese Welt so weit ist; alle Töne in
ihr so verhallen -- Ich fühle das auch;
glaube mir, ich fühle es. Und wie werde
ich nicht gedrückt und verwundet, bis zur
Verzweiflung oft gehemmt in den täglichen

Du wirſt am folgenden Tage, den erſten
Maͤrz, einen Brief von mir erhalten haben,
worin ich Dich flehentlich bat: Du moͤchteſt
einmal ohne Zuruͤckhaltung Dich gegen uns
ergießen, uns Deinen Gemuͤthszuſtand, den
wir uns nicht genug zu erklaͤren wiſſen, ganz
offen legen. Neue Unfaͤlle ſind Dir nicht be-
gegnet; und nach dem, was Du erfahren
haſt, wuͤrden neue uns verborgene Wider-
waͤrtigkeiten Dich nicht in dem Grade nieder-
geſchlagen haben, wie Du es augenſcheinlich
biſt. Woher denn dieſes Sinken in die fuͤrch-
terlichſte Gattung der Schwermuth, dieſes
Deinem Character ſo widerſprechende Zagen,
welches einem toͤdtenden Unglauben an Liebe,
an Freundſchaft, an Menſchenwuͤrde den
Weg bahnt?

Daß dieſe Welt ſo weit iſt; alle Toͤne in
ihr ſo verhallen — Ich fuͤhle das auch;
glaube mir, ich fuͤhle es. Und wie werde
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[11/0049] Du wirſt am folgenden Tage, den erſten Maͤrz, einen Brief von mir erhalten haben, worin ich Dich flehentlich bat: Du moͤchteſt einmal ohne Zuruͤckhaltung Dich gegen uns ergießen, uns Deinen Gemuͤthszuſtand, den wir uns nicht genug zu erklaͤren wiſſen, ganz offen legen. Neue Unfaͤlle ſind Dir nicht be- gegnet; und nach dem, was Du erfahren haſt, wuͤrden neue uns verborgene Wider- waͤrtigkeiten Dich nicht in dem Grade nieder- geſchlagen haben, wie Du es augenſcheinlich biſt. Woher denn dieſes Sinken in die fuͤrch- terlichſte Gattung der Schwermuth, dieſes Deinem Character ſo widerſprechende Zagen, welches einem toͤdtenden Unglauben an Liebe, an Freundſchaft, an Menſchenwuͤrde den Weg bahnt? Daß dieſe Welt ſo weit iſt; alle Toͤne in ihr ſo verhallen — Ich fuͤhle das auch; glaube mir, ich fuͤhle es. Und wie werde ich nicht gedruͤckt und verwundet, bis zur Verzweiflung oft gehemmt in den taͤglichen

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/49>, abgerufen am 21.11.2024.