Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

dafür seyn mögen: wer nicht weiß, wie man
sich auf Dornen bettet, den hat die beste Rast
noch nicht erquickt!

Freylich wäre alles dies Sagen nichts,
wenn mein Herz von den Menschen los wäre;
aber, gewiß, es hängt an ihnen mit seinen
besten Nerven. Kann doch niemand sich er-
wehren, die Kinder zu lieben, an denen wir
sicher nicht mehr haben, und von denen wir
nicht mehr erwarten, als ich von meinen Men-
schen. So einen kleinen, hübschen, muntern
Jungen, wenn ihr den an euch drückt, ihn
küßt und herzt, und ihn nicht lassen könnt;
ist das wohl, weil ihr den vortreflichen Mann
denkt, der vielleicht in ihm verborgen ist? Nein;
das bloße Kind zieht euch an, wie es in dem
gegenwärtigen Augenblicke vor euch leibt und
lebt; weil es ist lieblich anzuschauen, süssen
Mund, freundliche, blickende Augen, hü-
pfende Glieder, Leib und Leben hat wie ihr,
und seine Nerven mit den eurigen Triller
schlagen. Ihr wißt, daß ihr seine Zuneigung

dafuͤr ſeyn moͤgen: wer nicht weiß, wie man
ſich auf Dornen bettet, den hat die beſte Raſt
noch nicht erquickt!

Freylich waͤre alles dies Sagen nichts,
wenn mein Herz von den Menſchen los waͤre;
aber, gewiß, es haͤngt an ihnen mit ſeinen
beſten Nerven. Kann doch niemand ſich er-
wehren, die Kinder zu lieben, an denen wir
ſicher nicht mehr haben, und von denen wir
nicht mehr erwarten, als ich von meinen Men-
ſchen. So einen kleinen, huͤbſchen, muntern
Jungen, wenn ihr den an euch druͤckt, ihn
kuͤßt und herzt, und ihn nicht laſſen koͤnnt;
iſt das wohl, weil ihr den vortreflichen Mann
denkt, der vielleicht in ihm verborgen iſt? Nein;
das bloße Kind zieht euch an, wie es in dem
gegenwaͤrtigen Augenblicke vor euch leibt und
lebt; weil es iſt lieblich anzuſchauen, ſuͤſſen
Mund, freundliche, blickende Augen, huͤ-
pfende Glieder, Leib und Leben hat wie ihr,
und ſeine Nerven mit den eurigen Triller
ſchlagen. Ihr wißt, daß ihr ſeine Zuneigung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="22"/>
dafu&#x0364;r &#x017F;eyn mo&#x0364;gen: wer nicht weiß, wie man<lb/>
&#x017F;ich auf Dornen bettet, den hat die be&#x017F;te Ra&#x017F;t<lb/>
noch nicht erquickt!</p><lb/>
          <p>Freylich wa&#x0364;re alles dies Sagen nichts,<lb/>
wenn mein Herz von den Men&#x017F;chen los wa&#x0364;re;<lb/>
aber, gewiß, es ha&#x0364;ngt an ihnen mit &#x017F;einen<lb/>
be&#x017F;ten Nerven. Kann doch niemand &#x017F;ich er-<lb/>
wehren, die Kinder zu lieben, an denen wir<lb/>
&#x017F;icher nicht mehr haben, und von denen wir<lb/>
nicht mehr erwarten, als ich von meinen Men-<lb/>
&#x017F;chen. So einen kleinen, hu&#x0364;b&#x017F;chen, muntern<lb/>
Jungen, wenn ihr den an euch dru&#x0364;ckt, ihn<lb/>
ku&#x0364;ßt und herzt, und ihn nicht la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnt;<lb/>
i&#x017F;t das wohl, weil ihr den vortreflichen Mann<lb/>
denkt, der vielleicht in ihm verborgen i&#x017F;t? Nein;<lb/>
das bloße Kind zieht euch an, wie es in dem<lb/>
gegenwa&#x0364;rtigen Augenblicke vor euch leibt und<lb/>
lebt; weil es i&#x017F;t lieblich anzu&#x017F;chauen, &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Mund, freundliche, blickende Augen, hu&#x0364;-<lb/>
pfende Glieder, Leib und Leben hat wie ihr,<lb/>
und &#x017F;eine Nerven mit den eurigen Triller<lb/>
&#x017F;chlagen. Ihr wißt, daß ihr &#x017F;eine Zuneigung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0060] dafuͤr ſeyn moͤgen: wer nicht weiß, wie man ſich auf Dornen bettet, den hat die beſte Raſt noch nicht erquickt! Freylich waͤre alles dies Sagen nichts, wenn mein Herz von den Menſchen los waͤre; aber, gewiß, es haͤngt an ihnen mit ſeinen beſten Nerven. Kann doch niemand ſich er- wehren, die Kinder zu lieben, an denen wir ſicher nicht mehr haben, und von denen wir nicht mehr erwarten, als ich von meinen Men- ſchen. So einen kleinen, huͤbſchen, muntern Jungen, wenn ihr den an euch druͤckt, ihn kuͤßt und herzt, und ihn nicht laſſen koͤnnt; iſt das wohl, weil ihr den vortreflichen Mann denkt, der vielleicht in ihm verborgen iſt? Nein; das bloße Kind zieht euch an, wie es in dem gegenwaͤrtigen Augenblicke vor euch leibt und lebt; weil es iſt lieblich anzuſchauen, ſuͤſſen Mund, freundliche, blickende Augen, huͤ- pfende Glieder, Leib und Leben hat wie ihr, und ſeine Nerven mit den eurigen Triller ſchlagen. Ihr wißt, daß ihr ſeine Zuneigung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/60
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/60>, abgerufen am 17.05.2024.