Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.oder aus einer daseyenden Materie viel tausend Menschen zusammen setzen? Daß das erstere weit wichtiger und unbegreifli- cher sey als das letztere, kan uns folgendes Gleichniß zeigen. Man erwege, was schwerer sey, aus Leim, Thon, Gips oder anderer Materie zehn Statüen oder Bilder zusammen zu setzen, oder eine Statue zu machen, aus welchen zehn andere durch eine blosse natürl. Ordnung entspriessen und zu eben derselben Vollkommenheit gelan- gen als die erste. Daß das erstere leich- ter als dieses letztere sey, erhellet daraus, weil die Menschen jenes zu thun vermö- gend sind, zu dem letztern aber ihre Ohn- macht nicht hinreichet. Da wir nun se- hen, daß die Macht GOttes Menschen hervor bringen können, aus welchen nach und nach hundert ja tausend andere ihren Ursprung nehmen, wie viel leichter wird es denn nicht zu begreiffen seyn, daß eben die Macht diejenigen Theile, welche durch den Tod nicht aus der Welt geschickt und zu nichts gemacht worden, sondern durch die Verwesung nur eine andere Gestalt bekommen, wieder zusammen setze und zu einem menschlichen Leibe mache? Gewiß, die wunderbahre Fortpflantzung des mensch- lichen
oder aus einer daſeyenden Materie viel tauſend Menſchen zuſammen ſetzen? Daß das erſtere weit wichtiger und unbegreifli- cher ſey als das letztere, kan uns folgendes Gleichniß zeigen. Man erwege, was ſchwerer ſey, aus Leim, Thon, Gips oder anderer Materie zehn Statuͤen oder Bilder zuſammen zu ſetzen, oder eine Statue zu machen, aus welchen zehn andere durch eine bloſſe natuͤrl. Ordnung entſprieſſen und zu eben derſelben Vollkommenheit gelan- gen als die erſte. Daß das erſtere leich- ter als dieſes letztere ſey, erhellet daraus, weil die Menſchen jenes zu thun vermoͤ- gend ſind, zu dem letztern aber ihre Ohn- macht nicht hinreichet. Da wir nun ſe- hen, daß die Macht GOttes Menſchen hervor bringen koͤnnen, aus welchen nach und nach hundert ja tauſend andere ihren Urſprung nehmen, wie viel leichter wird es denn nicht zu begreiffen ſeyn, daß eben die Macht diejenigen Theile, welche durch den Tod nicht aus der Welt geſchickt und zu nichts gemacht worden, ſondern durch die Verweſung nur eine andere Geſtalt bekommen, wieder zuſammen ſetze und zu einem menſchlichen Leibe mache? Gewiß, die wunderbahre Fortpflantzung des menſch- lichen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0162" n="130[126]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> oder aus einer daſeyenden Materie viel<lb/> tauſend Menſchen zuſammen ſetzen? Daß<lb/> das erſtere weit wichtiger und unbegreifli-<lb/> cher ſey als das letztere, kan uns folgendes<lb/> Gleichniß zeigen. Man erwege, was<lb/> ſchwerer ſey, aus Leim, Thon, Gips oder<lb/> anderer Materie zehn Statuͤen oder Bilder<lb/> zuſammen zu ſetzen, oder eine Statue zu<lb/> machen, aus welchen zehn andere durch<lb/> eine bloſſe natuͤrl. Ordnung entſprieſſen und<lb/> zu eben derſelben Vollkommenheit gelan-<lb/> gen als die erſte. Daß das erſtere leich-<lb/> ter als dieſes letztere ſey, erhellet daraus,<lb/> weil die Menſchen jenes zu thun vermoͤ-<lb/> gend ſind, zu dem letztern aber ihre Ohn-<lb/> macht nicht hinreichet. Da wir nun ſe-<lb/> hen, daß die Macht GOttes Menſchen<lb/> hervor bringen koͤnnen, aus welchen nach<lb/> und nach hundert ja tauſend andere ihren<lb/> Urſprung nehmen, wie viel leichter wird<lb/> es denn nicht zu begreiffen ſeyn, daß eben<lb/> die Macht diejenigen Theile, welche durch<lb/> den Tod nicht aus der Welt geſchickt und<lb/> zu nichts gemacht worden, ſondern durch<lb/> die Verweſung nur eine andere Geſtalt<lb/> bekommen, wieder zuſammen ſetze und zu<lb/> einem menſchlichen Leibe mache? Gewiß,<lb/> die wunderbahre Fortpflantzung des menſch-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">lichen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130[126]/0162]
oder aus einer daſeyenden Materie viel
tauſend Menſchen zuſammen ſetzen? Daß
das erſtere weit wichtiger und unbegreifli-
cher ſey als das letztere, kan uns folgendes
Gleichniß zeigen. Man erwege, was
ſchwerer ſey, aus Leim, Thon, Gips oder
anderer Materie zehn Statuͤen oder Bilder
zuſammen zu ſetzen, oder eine Statue zu
machen, aus welchen zehn andere durch
eine bloſſe natuͤrl. Ordnung entſprieſſen und
zu eben derſelben Vollkommenheit gelan-
gen als die erſte. Daß das erſtere leich-
ter als dieſes letztere ſey, erhellet daraus,
weil die Menſchen jenes zu thun vermoͤ-
gend ſind, zu dem letztern aber ihre Ohn-
macht nicht hinreichet. Da wir nun ſe-
hen, daß die Macht GOttes Menſchen
hervor bringen koͤnnen, aus welchen nach
und nach hundert ja tauſend andere ihren
Urſprung nehmen, wie viel leichter wird
es denn nicht zu begreiffen ſeyn, daß eben
die Macht diejenigen Theile, welche durch
den Tod nicht aus der Welt geſchickt und
zu nichts gemacht worden, ſondern durch
die Verweſung nur eine andere Geſtalt
bekommen, wieder zuſammen ſetze und zu
einem menſchlichen Leibe mache? Gewiß,
die wunderbahre Fortpflantzung des menſch-
lichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |