Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.vor das höchste Gut achten, dem sie See- le, Leib und alle ihre Glückseligkeit zuzu- schreiben haben, wir wissen, daß dieser Ge- dancke die reineste und stärckste Liebe ge- gen denselben erwecket. Solte denn die- se einmahl eingewurtzelte Liebe wol zuge- ben, daß sie GOtt nicht in ihren Gedan- cken verehrten? Solte selbige wol zulas- sen, daß eine wilde Unbedachtsamkeit ih- ren Mund verschliesse, GOtt niemahls zu loben? Würde es ihnen wohl möglich seyn bey Erblickung ihres verklärten Leibes diesen Gedancken zu unterdrücken: dieses sind die Glieder, welche die Verwesung zu einem Abscheu gemacht, nun aber der Vermoderung durch die gütige Macht GOttes in alle Ewigkeit entrissen worden? Würden sie wol bey der unendlichen Gna- de, die ihnen GOtt erweiset, und bey der unaussprechlichen Pracht, womit ihre Au- gen beständig gefüllet werden, die Zunge so binden und die Lippen so zusammen zwingen können, daß sie in keine Lob-Re- den ausbrechen solten? Nein, es wird auch dort die Liebe ihre Macht sehen lassen, und die Seligen in eine vergnügte und lobende Bewunderung der vollkommensten Eigen- schafften GOttes setzen und in derselben bestän-
vor das hoͤchſte Gut achten, dem ſie See- le, Leib und alle ihre Gluͤckſeligkeit zuzu- ſchreiben haben, wir wiſſen, daß dieſer Ge- dancke die reineſte und ſtaͤrckſte Liebe ge- gen denſelben erwecket. Solte denn die- ſe einmahl eingewurtzelte Liebe wol zuge- ben, daß ſie GOtt nicht in ihren Gedan- cken verehrten? Solte ſelbige wol zulaſ- ſen, daß eine wilde Unbedachtſamkeit ih- ren Mund verſchlieſſe, GOtt niemahls zu loben? Wuͤrde es ihnen wohl moͤglich ſeyn bey Erblickung ihres verklaͤrten Leibes dieſen Gedancken zu unterdruͤcken: dieſes ſind die Glieder, welche die Verweſung zu einem Abſcheu gemacht, nun aber der Vermoderung durch die guͤtige Macht GOttes in alle Ewigkeit entriſſen worden? Wuͤrden ſie wol bey der unendlichen Gna- de, die ihnen GOtt erweiſet, und bey der unausſprechlichen Pracht, womit ihre Au- gen beſtaͤndig gefuͤllet werden, die Zunge ſo binden und die Lippen ſo zuſammen zwingen koͤnnen, daß ſie in keine Lob-Re- den ausbrechen ſolten? Nein, es wird auch dort die Liebe ihre Macht ſehen laſſen, und die Seligen in eine vergnuͤgte und lobende Bewunderung der vollkommenſten Eigen- ſchafften GOttes ſetzen und in derſelben beſtaͤn-
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vor das hoͤchſte Gut achten, dem ſie See-
le, Leib und alle ihre Gluͤckſeligkeit zuzu-
ſchreiben haben, wir wiſſen, daß dieſer Ge-
dancke die reineſte und ſtaͤrckſte Liebe ge-
gen denſelben erwecket. Solte denn die-
ſe einmahl eingewurtzelte Liebe wol zuge-
ben, daß ſie GOtt nicht in ihren Gedan-
cken verehrten? Solte ſelbige wol zulaſ-
ſen, daß eine wilde Unbedachtſamkeit ih-
ren Mund verſchlieſſe, GOtt niemahls zu
loben? Wuͤrde es ihnen wohl moͤglich
ſeyn bey Erblickung ihres verklaͤrten Leibes
dieſen Gedancken zu unterdruͤcken: dieſes
ſind die Glieder, welche die Verweſung
zu einem Abſcheu gemacht, nun aber der
Vermoderung durch die guͤtige Macht
GOttes in alle Ewigkeit entriſſen worden?
Wuͤrden ſie wol bey der unendlichen Gna-
de, die ihnen GOtt erweiſet, und bey der
unausſprechlichen Pracht, womit ihre Au-
gen beſtaͤndig gefuͤllet werden, die Zunge
ſo binden und die Lippen ſo zuſammen
zwingen koͤnnen, daß ſie in keine Lob-Re-
den ausbrechen ſolten? Nein, es wird auch
dort die Liebe ihre Macht ſehen laſſen, und
die Seligen in eine vergnuͤgte und lobende
Bewunderung der vollkommenſten Eigen-
ſchafften GOttes ſetzen und in derſelben
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