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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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gen. Was vor Mißvergnügen verursacht
ihm diese böse Neigung? Er erbosset, er
schäumet, er knirschet mit den Zähnen, er
schlägt mit Händen und Füssen, wenn ihm
ein ander nicht die verlangte Ehrerbietung
erzeigt. Er ist Tag und Nacht betrübt,
wenn er sich nicht über andere erheben, und
selbige zu seinen Füssen stellen kan. Er
wird dadurch auch anderer Vergnügen be-
raubt, deren er sonsten geniessen könnte.
Ein stoltzer Haman hat an allen Ehren
und Gütern kein Gnüge, so lange ein Mar-
dochai an des Königes Thor sitzet, und die
Knie nicht vor ihm beuget, Buch Esther 5.
v. 13. Und muß er selbigem gar Ehre er-
weisen, so trägt er Leide mit verhülletem
Kopffe, und klagt seinen Schmertz seinem
Weibe und Anverwandten, und weiß kei-
nen andern Balsam in seine Wunde, als
das unschuldige Blut Mardochai und al-
ler Jüden, Buch Esth. 3. v. 6. Und eine
gleiche Macht haben andere böse Leiden-
schafften, sie äussern an uns die grausam-
ste und betrübteste Tyrannei. Weswe-
gen auch Paulus uns nicht genug warnen
kan uns ihrer Herrschafft nicht zu unter-
werffen, Röm. 6. v. 12. Es bleiben aber
diese Leidenschafften und ihre unselige Scla-

verey
M 3





gen. Was vor Mißvergnuͤgen verurſacht
ihm dieſe boͤſe Neigung? Er erboſſet, er
ſchaͤumet, er knirſchet mit den Zaͤhnen, er
ſchlaͤgt mit Haͤnden und Fuͤſſen, wenn ihm
ein ander nicht die verlangte Ehrerbietung
erzeigt. Er iſt Tag und Nacht betruͤbt,
wenn er ſich nicht uͤber andere erheben, und
ſelbige zu ſeinen Fuͤſſen ſtellen kan. Er
wird dadurch auch anderer Vergnuͤgen be-
raubt, deren er ſonſten genieſſen koͤnnte.
Ein ſtoltzer Haman hat an allen Ehren
und Guͤtern kein Gnuͤge, ſo lange ein Mar-
dochai an des Koͤniges Thor ſitzet, und die
Knie nicht vor ihm beuget, Buch Eſther 5.
v. 13. Und muß er ſelbigem gar Ehre er-
weiſen, ſo traͤgt er Leide mit verhuͤlletem
Kopffe, und klagt ſeinen Schmertz ſeinem
Weibe und Anverwandten, und weiß kei-
nen andern Balſam in ſeine Wunde, als
das unſchuldige Blut Mardochai und al-
ler Juͤden, Buch Eſth. 3. v. 6. Und eine
gleiche Macht haben andere boͤſe Leiden-
ſchafften, ſie aͤuſſern an uns die grauſam-
ſte und betruͤbteſte Tyrannei. Weswe-
gen auch Paulus uns nicht genug warnen
kan uns ihrer Herrſchafft nicht zu unter-
werffen, Roͤm. 6. v. 12. Es bleiben aber
dieſe Leidenſchafften und ihre unſelige Scla-

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[181[177]/0213] gen. Was vor Mißvergnuͤgen verurſacht ihm dieſe boͤſe Neigung? Er erboſſet, er ſchaͤumet, er knirſchet mit den Zaͤhnen, er ſchlaͤgt mit Haͤnden und Fuͤſſen, wenn ihm ein ander nicht die verlangte Ehrerbietung erzeigt. Er iſt Tag und Nacht betruͤbt, wenn er ſich nicht uͤber andere erheben, und ſelbige zu ſeinen Fuͤſſen ſtellen kan. Er wird dadurch auch anderer Vergnuͤgen be- raubt, deren er ſonſten genieſſen koͤnnte. Ein ſtoltzer Haman hat an allen Ehren und Guͤtern kein Gnuͤge, ſo lange ein Mar- dochai an des Koͤniges Thor ſitzet, und die Knie nicht vor ihm beuget, Buch Eſther 5. v. 13. Und muß er ſelbigem gar Ehre er- weiſen, ſo traͤgt er Leide mit verhuͤlletem Kopffe, und klagt ſeinen Schmertz ſeinem Weibe und Anverwandten, und weiß kei- nen andern Balſam in ſeine Wunde, als das unſchuldige Blut Mardochai und al- ler Juͤden, Buch Eſth. 3. v. 6. Und eine gleiche Macht haben andere boͤſe Leiden- ſchafften, ſie aͤuſſern an uns die grauſam- ſte und betruͤbteſte Tyrannei. Weswe- gen auch Paulus uns nicht genug warnen kan uns ihrer Herrſchafft nicht zu unter- werffen, Roͤm. 6. v. 12. Es bleiben aber dieſe Leidenſchafften und ihre unſelige Scla- verey M 3

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 181[177]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/213>, abgerufen am 25.11.2024.