liche Gelegenheit darzu gegeben wird. Bey der einen Schwangerschaft können sie widrige Schicksale in eine beständige Betrübniß setzen; bey einer andern aber können sie angenehme Begebenheiten er- freuen. Das einemal kan die Furcht herrschen, das anderemal eine süsse Hof- nung bey ihr grünen. Und daher kan dem einen Kinde ein höherer Grad von dieser, dem andern von jener Leidenschaft angeerbet werden.
§. 25.
Wie eine geitzige Mutter ein hoch- müthig Kind zeu- gen kön- ne?
Endlich lässet sich aus den obigen Gründen gar wol begreifen, wie eine höchstgeitzige Mutter ein sehr hochmü- thiges Kind zeugen könne. Man neh- me an: Der Geitz habe die Herrschaft bey einer schwangern Mutter, und be- wege sie bey dem geringsten Verlust zum Aerger. Sie gräme sich, wenn die Früchte nicht gerathen oder nichts gelten. Sie weine, wenn die Ausbeute der Bergwercke und die Zinsen der Capita- lien geringer werden, und reisse sich gar die Haare aus, wenn sie um etliche Thaler betrogen wird: so wird ihr Kind in die Umstände gesetzt werden, daß es bey einer jeden Empfindung, die nur ein wenig unangenehm ist, in den grösten
Zorn
liche Gelegenheit darzu gegeben wird. Bey der einen Schwangerſchaft koͤnnen ſie widrige Schickſale in eine beſtaͤndige Betruͤbniß ſetzen; bey einer andern aber koͤnnen ſie angenehme Begebenheiten er- freuen. Das einemal kan die Furcht herrſchen, das anderemal eine ſuͤſſe Hof- nung bey ihr gruͤnen. Und daher kan dem einen Kinde ein hoͤherer Grad von dieſer, dem andern von jener Leidenſchaft angeerbet werden.
§. 25.
Wie eine geitzige Mutter ein hoch- muͤthig Kind zeu- gen koͤn- ne?
Endlich laͤſſet ſich aus den obigen Gruͤnden gar wol begreifen, wie eine hoͤchſtgeitzige Mutter ein ſehr hochmuͤ- thiges Kind zeugen koͤnne. Man neh- me an: Der Geitz habe die Herrſchaft bey einer ſchwangern Mutter, und be- wege ſie bey dem geringſten Verluſt zum Aerger. Sie graͤme ſich, wenn die Fruͤchte nicht gerathen oder nichts gelten. Sie weine, wenn die Ausbeute der Bergwercke und die Zinſen der Capita- lien geringer werden, und reiſſe ſich gar die Haare aus, wenn ſie um etliche Thaler betrogen wird: ſo wird ihr Kind in die Umſtaͤnde geſetzt werden, daß es bey einer jeden Empfindung, die nur ein wenig unangenehm iſt, in den groͤſten
Zorn
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[278[274]/0310]
liche Gelegenheit darzu gegeben wird.
Bey der einen Schwangerſchaft koͤnnen
ſie widrige Schickſale in eine beſtaͤndige
Betruͤbniß ſetzen; bey einer andern aber
koͤnnen ſie angenehme Begebenheiten er-
freuen. Das einemal kan die Furcht
herrſchen, das anderemal eine ſuͤſſe Hof-
nung bey ihr gruͤnen. Und daher kan
dem einen Kinde ein hoͤherer Grad von
dieſer, dem andern von jener Leidenſchaft
angeerbet werden.
§. 25.
Endlich laͤſſet ſich aus den obigen
Gruͤnden gar wol begreifen, wie eine
hoͤchſtgeitzige Mutter ein ſehr hochmuͤ-
thiges Kind zeugen koͤnne. Man neh-
me an: Der Geitz habe die Herrſchaft
bey einer ſchwangern Mutter, und be-
wege ſie bey dem geringſten Verluſt zum
Aerger. Sie graͤme ſich, wenn die
Fruͤchte nicht gerathen oder nichts gelten.
Sie weine, wenn die Ausbeute der
Bergwercke und die Zinſen der Capita-
lien geringer werden, und reiſſe ſich gar
die Haare aus, wenn ſie um etliche
Thaler betrogen wird: ſo wird ihr Kind
in die Umſtaͤnde geſetzt werden, daß es
bey einer jeden Empfindung, die nur ein
wenig unangenehm iſt, in den groͤſten
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 278[274]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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