Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





lei Noth und Bedrückungen der Tugend
sich befleißigen, würden sich alsdenn gar
bald zu den Lastern wenden und auch um-
kommen. Wer die Seele der Menschen
kennet und auf die Erfahrung achtet, wird
hieran nicht zweiffeln. Man erinnere
sich, wie es in den ersten Zeiten der Welt,
da die Erde wenige Einwohner hatte, er-
gangen ist, wie die mehresten Menschen
bey der Unwissenheit der Abgötterey und
den schändlichsten Sünden sich ergeben,
und wie viele Wunder und Mühe es geko-
stet, daß GOtt nur ein kleines Häuflein
erhalten. Man erkundige sich, wie es
auch noch heutiges Tages in den Ländern
um Wissenschaft und Tugend stehet, wo
wenig Einwohner sind. Es ist gewiß:
allzugrosses Elend hindert Erkäntniß und
Tugend, (§. 3. 4.) allzugrosser Ueber-
fluß aber thut bey den jetzigen Menschen
desgleichen. (siehe auch Betr. V. §. 38.)
Es würde derowegen auch bey dieser
Strafe der Sünder um die Gottseeligkeit
und das Glück der Menschen schlechter
stehen, als anjetzt. Woraus zu begreif-
fen, warum GOtt auch den muthwilli-
gen Sündern das Leben einige Zeit fri-
stet.

§. 8.

Daß es denen Frommen und über-
haupt der Tugend selbst würde nachthei-

lig





lei Noth und Bedruͤckungen der Tugend
ſich befleißigen, wuͤrden ſich alsdenn gar
bald zu den Laſtern wenden und auch um-
kommen. Wer die Seele der Menſchen
kennet und auf die Erfahrung achtet, wird
hieran nicht zweiffeln. Man erinnere
ſich, wie es in den erſten Zeiten der Welt,
da die Erde wenige Einwohner hatte, er-
gangen iſt, wie die mehreſten Menſchen
bey der Unwiſſenheit der Abgoͤtterey und
den ſchaͤndlichſten Suͤnden ſich ergeben,
und wie viele Wunder und Muͤhe es geko-
ſtet, daß GOtt nur ein kleines Haͤuflein
erhalten. Man erkundige ſich, wie es
auch noch heutiges Tages in den Laͤndern
um Wiſſenſchaft und Tugend ſtehet, wo
wenig Einwohner ſind. Es iſt gewiß:
allzugroſſes Elend hindert Erkaͤntniß und
Tugend, (§. 3. 4.) allzugroſſer Ueber-
fluß aber thut bey den jetzigen Menſchen
desgleichen. (ſiehe auch Betr. V. §. 38.)
Es wuͤrde derowegen auch bey dieſer
Strafe der Suͤnder um die Gottſeeligkeit
und das Gluͤck der Menſchen ſchlechter
ſtehen, als anjetzt. Woraus zu begreif-
fen, warum GOtt auch den muthwilli-
gen Suͤndern das Leben einige Zeit fri-
ſtet.

§. 8.

Daß es denen Frommen und uͤber-
haupt der Tugend ſelbſt wuͤrde nachthei-

lig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0034" n="30"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
lei Noth und Bedru&#x0364;ckungen der Tugend<lb/>
&#x017F;ich befleißigen, wu&#x0364;rden &#x017F;ich alsdenn gar<lb/>
bald zu den La&#x017F;tern wenden und auch um-<lb/>
kommen. Wer die Seele der Men&#x017F;chen<lb/>
kennet und auf die Erfahrung achtet, wird<lb/>
hieran nicht zweiffeln. Man erinnere<lb/>
&#x017F;ich, wie es in den er&#x017F;ten Zeiten der Welt,<lb/>
da die Erde wenige Einwohner hatte, er-<lb/>
gangen i&#x017F;t, wie die mehre&#x017F;ten Men&#x017F;chen<lb/>
bey der Unwi&#x017F;&#x017F;enheit der Abgo&#x0364;tterey und<lb/>
den &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;ten Su&#x0364;nden &#x017F;ich ergeben,<lb/>
und wie viele Wunder und Mu&#x0364;he es geko-<lb/>
&#x017F;tet, daß GOtt nur ein kleines Ha&#x0364;uflein<lb/>
erhalten. Man erkundige &#x017F;ich, wie es<lb/>
auch noch heutiges Tages in den La&#x0364;ndern<lb/>
um Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und Tugend &#x017F;tehet, wo<lb/>
wenig Einwohner &#x017F;ind. Es i&#x017F;t gewiß:<lb/>
allzugro&#x017F;&#x017F;es Elend hindert Erka&#x0364;ntniß und<lb/>
Tugend, (§. 3. 4.) allzugro&#x017F;&#x017F;er Ueber-<lb/>
fluß aber thut bey den jetzigen Men&#x017F;chen<lb/>
desgleichen. (&#x017F;iehe auch Betr. <hi rendition="#aq">V.</hi> §. 38.)<lb/>
Es wu&#x0364;rde derowegen auch bey die&#x017F;er<lb/>
Strafe der Su&#x0364;nder um die Gott&#x017F;eeligkeit<lb/>
und das Glu&#x0364;ck der Men&#x017F;chen &#x017F;chlechter<lb/>
&#x017F;tehen, als anjetzt. Woraus zu begreif-<lb/>
fen, warum GOtt auch den muthwilli-<lb/>
gen Su&#x0364;ndern das Leben einige Zeit fri-<lb/>
&#x017F;tet.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 8.</head><lb/>
            <p>Daß es denen Frommen und u&#x0364;ber-<lb/>
haupt der Tugend &#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;rde nachthei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lig</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0034] lei Noth und Bedruͤckungen der Tugend ſich befleißigen, wuͤrden ſich alsdenn gar bald zu den Laſtern wenden und auch um- kommen. Wer die Seele der Menſchen kennet und auf die Erfahrung achtet, wird hieran nicht zweiffeln. Man erinnere ſich, wie es in den erſten Zeiten der Welt, da die Erde wenige Einwohner hatte, er- gangen iſt, wie die mehreſten Menſchen bey der Unwiſſenheit der Abgoͤtterey und den ſchaͤndlichſten Suͤnden ſich ergeben, und wie viele Wunder und Muͤhe es geko- ſtet, daß GOtt nur ein kleines Haͤuflein erhalten. Man erkundige ſich, wie es auch noch heutiges Tages in den Laͤndern um Wiſſenſchaft und Tugend ſtehet, wo wenig Einwohner ſind. Es iſt gewiß: allzugroſſes Elend hindert Erkaͤntniß und Tugend, (§. 3. 4.) allzugroſſer Ueber- fluß aber thut bey den jetzigen Menſchen desgleichen. (ſiehe auch Betr. V. §. 38.) Es wuͤrde derowegen auch bey dieſer Strafe der Suͤnder um die Gottſeeligkeit und das Gluͤck der Menſchen ſchlechter ſtehen, als anjetzt. Woraus zu begreif- fen, warum GOtt auch den muthwilli- gen Suͤndern das Leben einige Zeit fri- ſtet. §. 8. Daß es denen Frommen und uͤber- haupt der Tugend ſelbſt wuͤrde nachthei- lig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/34
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/34>, abgerufen am 23.11.2024.