Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





eignen. Wie kan man aber glauben,
daß er selbige besitze, wenn man annimmt:
er habe niemals den Willen gehabt die
Gesellschaften freyer Geschöpfe so glück-
lich zu machen, als durch geschickte Mittel
möglich sey? Denn könte er sich noch gü-
tiger erzeigen gegen seine Geschöpfe, als
er würcklich gethan hat und noch thut, so
wäre ja seine Güte nicht die allerhöchste,
die da seyn könte; oder man müste ihm
eine schlaffende und todte Gütigkeit an-
dichten, welche aber nichts anders als ein
viereckigtes Dreyeck seyn würde. Fer-
ner unterrichte man mich, wie man GOtt
über alles vertrauen könne, wenn man
nicht versichert ist, daß er alles thue, was
nur etwas zu der Glückseeligkeit der Ge-
sellschaften, so hier und da in der gantzen
Welt vertheilet sind, beytragen kan.
Würde nicht manche Gesellschaft von vie-
len tausenden dencken müssen: Vielleicht
will GOtt nicht, daß ihr einen hohen
Grad der Glückseeligkeit erreichen sollet?
Endlich sage man mir, was ich gedencken
soll, wenn GOtt selbst Es. Cap. 5. v. 4.
spricht: Was solte man doch mehr
thun an meinem Weinberge, das ich
nicht gethan habe?
Will hier GOtt
nicht so viel sagen: Jch habe alles an
meinem Weinberge, der damaligen Kir-
che des Jüdischen Volcks, gethan, was

ich





eignen. Wie kan man aber glauben,
daß er ſelbige beſitze, wenn man annimmt:
er habe niemals den Willen gehabt die
Geſellſchaften freyer Geſchoͤpfe ſo gluͤck-
lich zu machen, als durch geſchickte Mittel
moͤglich ſey? Denn koͤnte er ſich noch guͤ-
tiger erzeigen gegen ſeine Geſchoͤpfe, als
er wuͤrcklich gethan hat und noch thut, ſo
waͤre ja ſeine Guͤte nicht die allerhoͤchſte,
die da ſeyn koͤnte; oder man muͤſte ihm
eine ſchlaffende und todte Guͤtigkeit an-
dichten, welche aber nichts anders als ein
viereckigtes Dreyeck ſeyn wuͤrde. Fer-
ner unterrichte man mich, wie man GOtt
uͤber alles vertrauen koͤnne, wenn man
nicht verſichert iſt, daß er alles thue, was
nur etwas zu der Gluͤckſeeligkeit der Ge-
ſellſchaften, ſo hier und da in der gantzen
Welt vertheilet ſind, beytragen kan.
Wuͤrde nicht manche Geſellſchaft von vie-
len tauſenden dencken muͤſſen: Vielleicht
will GOtt nicht, daß ihr einen hohen
Grad der Gluͤckſeeligkeit erreichen ſollet?
Endlich ſage man mir, was ich gedencken
ſoll, wenn GOtt ſelbſt Eſ. Cap. 5. v. 4.
ſpricht: Was ſolte man doch mehr
thun an meinem Weinberge, das ich
nicht gethan habe?
Will hier GOtt
nicht ſo viel ſagen: Jch habe alles an
meinem Weinberge, der damaligen Kir-
che des Juͤdiſchen Volcks, gethan, was

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0351" n="319[315]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
eignen. Wie kan man aber glauben,<lb/>
daß er &#x017F;elbige be&#x017F;itze, wenn man annimmt:<lb/>
er habe niemals den Willen gehabt die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften freyer Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe &#x017F;o glu&#x0364;ck-<lb/>
lich zu machen, als durch ge&#x017F;chickte Mittel<lb/>
mo&#x0364;glich &#x017F;ey? Denn ko&#x0364;nte er &#x017F;ich noch gu&#x0364;-<lb/>
tiger erzeigen gegen &#x017F;eine Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, als<lb/>
er wu&#x0364;rcklich gethan hat und noch thut, &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;re ja &#x017F;eine Gu&#x0364;te nicht die allerho&#x0364;ch&#x017F;te,<lb/>
die da &#x017F;eyn ko&#x0364;nte; oder man mu&#x0364;&#x017F;te ihm<lb/>
eine &#x017F;chlaffende und todte Gu&#x0364;tigkeit an-<lb/>
dichten, welche aber nichts anders als ein<lb/>
viereckigtes Dreyeck &#x017F;eyn wu&#x0364;rde. Fer-<lb/>
ner unterrichte man mich, wie man GOtt<lb/><hi rendition="#fr">u&#x0364;ber alles</hi> vertrauen ko&#x0364;nne, wenn man<lb/>
nicht ver&#x017F;ichert i&#x017F;t, daß er alles thue, was<lb/>
nur etwas zu der Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit der Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaften, &#x017F;o hier und da in der gantzen<lb/>
Welt vertheilet &#x017F;ind, beytragen kan.<lb/>
Wu&#x0364;rde nicht manche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von vie-<lb/>
len tau&#x017F;enden dencken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: Vielleicht<lb/>
will GOtt nicht, daß ihr einen hohen<lb/>
Grad der Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit erreichen &#x017F;ollet?<lb/>
Endlich &#x017F;age man mir, was ich gedencken<lb/>
&#x017F;oll, wenn GOtt &#x017F;elb&#x017F;t E&#x017F;. Cap. 5. v. 4.<lb/>
&#x017F;pricht: <hi rendition="#fr">Was &#x017F;olte man doch mehr<lb/>
thun an meinem Weinberge, das ich<lb/>
nicht gethan habe?</hi> Will hier GOtt<lb/>
nicht &#x017F;o viel &#x017F;agen: Jch habe alles an<lb/>
meinem Weinberge, der damaligen Kir-<lb/>
che des Ju&#x0364;di&#x017F;chen Volcks, gethan, was<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319[315]/0351] eignen. Wie kan man aber glauben, daß er ſelbige beſitze, wenn man annimmt: er habe niemals den Willen gehabt die Geſellſchaften freyer Geſchoͤpfe ſo gluͤck- lich zu machen, als durch geſchickte Mittel moͤglich ſey? Denn koͤnte er ſich noch guͤ- tiger erzeigen gegen ſeine Geſchoͤpfe, als er wuͤrcklich gethan hat und noch thut, ſo waͤre ja ſeine Guͤte nicht die allerhoͤchſte, die da ſeyn koͤnte; oder man muͤſte ihm eine ſchlaffende und todte Guͤtigkeit an- dichten, welche aber nichts anders als ein viereckigtes Dreyeck ſeyn wuͤrde. Fer- ner unterrichte man mich, wie man GOtt uͤber alles vertrauen koͤnne, wenn man nicht verſichert iſt, daß er alles thue, was nur etwas zu der Gluͤckſeeligkeit der Ge- ſellſchaften, ſo hier und da in der gantzen Welt vertheilet ſind, beytragen kan. Wuͤrde nicht manche Geſellſchaft von vie- len tauſenden dencken muͤſſen: Vielleicht will GOtt nicht, daß ihr einen hohen Grad der Gluͤckſeeligkeit erreichen ſollet? Endlich ſage man mir, was ich gedencken ſoll, wenn GOtt ſelbſt Eſ. Cap. 5. v. 4. ſpricht: Was ſolte man doch mehr thun an meinem Weinberge, das ich nicht gethan habe? Will hier GOtt nicht ſo viel ſagen: Jch habe alles an meinem Weinberge, der damaligen Kir- che des Juͤdiſchen Volcks, gethan, was ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/351
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 319[315]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/351>, abgerufen am 16.07.2024.