Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.heit anzutreffen, welche ihm als einem heiligen Wesen mehr gefallen als andere Arten Sünde zu vergeben. Wir schlies- sen dieses erstlich aus einem Orte, wo der gecreu- rechte Beschaffenheit der Linie erklären
könten, in welcher sich der Mond fort- waltzet, vielweniger kennen wir die inne- re Kräfte der Natur. Denn ob man gleich in der Berechnung des Mondlaufs annehmen darf, daß er sich in einer El- lipsi um die Erde bewege, so ist doch be- kant, daß seine wahre Bewegung diese Linie nicht beschreibt, indem er nicht nur um die Erde, sondern auch mit der Er- de um die Sonne gehet. Man erkenne hieraus, wie schwehr es sey die Möglich- keit oder Unmöglichkeit von Dingen, die einen grossen Umfang haben, einzu- sehen. Doch was ist es nöthig unsere Unfähigkeit hierzu in so hohen Exempeln zu zeigen, wir können einen nähern Be- weiß haben. Warum hält der eine für möglich, was der andere für unmöglich erklärt? Wie ist es zugangen, daß man etliche hundert Jahre etwas für unmög- lich gehalten, dessen Möglichkeit hernach gezeiget worden, und hergegen etwas für möglich ausgegeben, dessen Unmög- lichkeit man in den folgenden Zeiten ent- decket? Würde dieses wol geschehen seyn, wenn es leicht wäre die Möglichkeit o- der Unmöglichkeit einer Sache einzuse- hen? Man studiere fleißig | die Physick und Philosophische Historie, so wird man sehen, heit anzutreffen, welche ihm als einem heiligen Weſen mehr gefallen als andere Arten Suͤnde zu vergeben. Wir ſchlieſ- ſen dieſes erſtlich aus einem Orte, wo der gecreu- rechte Beſchaffenheit der Linie erklaͤren
koͤnten, in welcher ſich der Mond fort- waltzet, vielweniger kennen wir die inne- re Kraͤfte der Natur. Denn ob man gleich in der Berechnung des Mondlaufs annehmen darf, daß er ſich in einer El- lipſi um die Erde bewege, ſo iſt doch be- kant, daß ſeine wahre Bewegung dieſe Linie nicht beſchreibt, indem er nicht nur um die Erde, ſondern auch mit der Er- de um die Sonne gehet. Man erkenne hieraus, wie ſchwehr es ſey die Moͤglich- keit oder Unmoͤglichkeit von Dingen, die einen groſſen Umfang haben, einzu- ſehen. Doch was iſt es noͤthig unſere Unfaͤhigkeit hierzu in ſo hohen Exempeln zu zeigen, wir koͤnnen einen naͤhern Be- weiß haben. Warum haͤlt der eine fuͤr moͤglich, was der andere fuͤr unmoͤglich erklaͤrt? Wie iſt es zugangen, daß man etliche hundert Jahre etwas fuͤr unmoͤg- lich gehalten, deſſen Moͤglichkeit hernach gezeiget worden, und hergegen etwas fuͤr moͤglich ausgegeben, deſſen Unmoͤg- lichkeit man in den folgenden Zeiten ent- decket? Wuͤrde dieſes wol geſchehen ſeyn, wenn es leicht waͤre die Moͤglichkeit o- der Unmoͤglichkeit einer Sache einzuſe- hen? Man ſtudiere fleißig | die Phyſick und Philoſophiſche Hiſtorie, ſo wird man ſehen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0427" n="395[391]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> heit anzutreffen, welche ihm als einem<lb/> heiligen Weſen mehr gefallen als andere<lb/> Arten Suͤnde zu vergeben. Wir ſchlieſ-<lb/> ſen dieſes erſtlich aus einem Orte, wo der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gecreu-</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><note next="#a52" xml:id="a51" prev="#a50" place="foot" n="(*)">rechte Beſchaffenheit der Linie erklaͤren<lb/> koͤnten, in welcher ſich der Mond fort-<lb/> waltzet, vielweniger kennen wir die inne-<lb/> re Kraͤfte der Natur. Denn ob man<lb/> gleich in der Berechnung des Mondlaufs<lb/> annehmen darf, daß er ſich in einer El-<lb/> lipſi um die Erde bewege, ſo iſt doch be-<lb/> kant, daß ſeine wahre Bewegung dieſe<lb/> Linie nicht beſchreibt, indem er nicht nur<lb/> um die Erde, ſondern auch mit der Er-<lb/> de um die Sonne gehet. Man erkenne<lb/> hieraus, wie ſchwehr es ſey die Moͤglich-<lb/> keit oder Unmoͤglichkeit von Dingen,<lb/> die einen groſſen Umfang haben, einzu-<lb/> ſehen. Doch was iſt es noͤthig unſere<lb/> Unfaͤhigkeit hierzu in ſo hohen Exempeln<lb/> zu zeigen, wir koͤnnen einen naͤhern Be-<lb/> weiß haben. Warum haͤlt der eine fuͤr<lb/> moͤglich, was der andere fuͤr unmoͤglich<lb/> erklaͤrt? Wie iſt es zugangen, daß man<lb/> etliche hundert Jahre etwas fuͤr unmoͤg-<lb/> lich gehalten, deſſen Moͤglichkeit hernach<lb/> gezeiget worden, und hergegen etwas<lb/> fuͤr moͤglich ausgegeben, deſſen Unmoͤg-<lb/> lichkeit man in den folgenden Zeiten ent-<lb/> decket? Wuͤrde dieſes wol geſchehen ſeyn,<lb/> wenn es leicht waͤre die Moͤglichkeit o-<lb/> der Unmoͤglichkeit einer Sache einzuſe-<lb/> hen? Man ſtudiere fleißig | die Phyſick<lb/> und Philoſophiſche Hiſtorie, ſo wird man<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſehen,</fw></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [395[391]/0427]
heit anzutreffen, welche ihm als einem
heiligen Weſen mehr gefallen als andere
Arten Suͤnde zu vergeben. Wir ſchlieſ-
ſen dieſes erſtlich aus einem Orte, wo der
gecreu-
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(*) rechte Beſchaffenheit der Linie erklaͤren
koͤnten, in welcher ſich der Mond fort-
waltzet, vielweniger kennen wir die inne-
re Kraͤfte der Natur. Denn ob man
gleich in der Berechnung des Mondlaufs
annehmen darf, daß er ſich in einer El-
lipſi um die Erde bewege, ſo iſt doch be-
kant, daß ſeine wahre Bewegung dieſe
Linie nicht beſchreibt, indem er nicht nur
um die Erde, ſondern auch mit der Er-
de um die Sonne gehet. Man erkenne
hieraus, wie ſchwehr es ſey die Moͤglich-
keit oder Unmoͤglichkeit von Dingen,
die einen groſſen Umfang haben, einzu-
ſehen. Doch was iſt es noͤthig unſere
Unfaͤhigkeit hierzu in ſo hohen Exempeln
zu zeigen, wir koͤnnen einen naͤhern Be-
weiß haben. Warum haͤlt der eine fuͤr
moͤglich, was der andere fuͤr unmoͤglich
erklaͤrt? Wie iſt es zugangen, daß man
etliche hundert Jahre etwas fuͤr unmoͤg-
lich gehalten, deſſen Moͤglichkeit hernach
gezeiget worden, und hergegen etwas
fuͤr moͤglich ausgegeben, deſſen Unmoͤg-
lichkeit man in den folgenden Zeiten ent-
decket? Wuͤrde dieſes wol geſchehen ſeyn,
wenn es leicht waͤre die Moͤglichkeit o-
der Unmoͤglichkeit einer Sache einzuſe-
hen? Man ſtudiere fleißig | die Phyſick
und Philoſophiſche Hiſtorie, ſo wird man
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