Die Gnug- thuung Christi reitzet zur Liebe ge- gen den Neben- menschen.
Die Gnugthuung Christi giebt auch Anleitung zu aufrichtiger Liebe gegen den Nebenmenschen, und die Schrift braucht selbige zu einem Bewegungsgrunde der Liebe. Johannes schreibet: 1 Joh. Cap. 4. v. 11. Jhr Lieben, hat uns GOtt also geliebet, nemlich also, daß er uns seinen Sohn gesandt zur Versohnung für unsere Sünde, v. 20. so sollen wir uns auch untereinander lieben. Johannes führt hier die Leser seines Briefes auf die Betrachtung der Versöh- nung durch Christum, und will, sie sol- len daraus die Grösse der allgemeinen Liebe GOttes gegen die Menschen er- kennen, und daraus den Schluß ziehen, wir müssen uns untereinander lieben, denn GOtt hat durch die Sendung sei- nes Sohnes gewiesen, daß er uns ins- gesamt auf das zärtlichste liebe. Es ist dieser Schluß vom grossen Nachdruck. Wer unterstehet sich wol demjenigen zu- wider zu seyn, welchen ein grosser Herr recht zärtlich liebet, und gegen welchen er die mercklichsten Proben ableget, daß er ihn auf alle mögliche Art wolle glücklich machen. Wie solte daher ein Ver- nünftiger wol gegen jemand einen unver- söhnlichen Haß hegen können, wenn er
sich
§. 12.
Die Gnug- thuung Chriſti reitzet zur Liebe ge- gen den Neben- menſchen.
Die Gnugthuung Chriſti giebt auch Anleitung zu aufrichtiger Liebe gegen den Nebenmenſchen, und die Schrift braucht ſelbige zu einem Bewegungsgrunde der Liebe. Johannes ſchreibet: 1 Joh. Cap. 4. v. 11. Jhr Lieben, hat uns GOtt alſo geliebet, nemlich alſo, daß er uns ſeinen Sohn geſandt zur Verſohnung fuͤr unſere Suͤnde, v. 20. ſo ſollen wir uns auch untereinander lieben. Johannes fuͤhrt hier die Leſer ſeines Briefes auf die Betrachtung der Verſoͤh- nung durch Chriſtum, und will, ſie ſol- len daraus die Groͤſſe der allgemeinen Liebe GOttes gegen die Menſchen er- kennen, und daraus den Schluß ziehen, wir muͤſſen uns untereinander lieben, denn GOtt hat durch die Sendung ſei- nes Sohnes gewieſen, daß er uns ins- geſamt auf das zaͤrtlichſte liebe. Es iſt dieſer Schluß vom groſſen Nachdruck. Wer unterſtehet ſich wol demjenigen zu- wider zu ſeyn, welchen ein groſſer Herr recht zaͤrtlich liebet, und gegen welchen er die mercklichſten Proben ableget, daß er ihn auf alle moͤgliche Art wolle gluͤcklich machen. Wie ſolte daher ein Ver- nuͤnftiger wol gegen jemand einen unver- ſoͤhnlichen Haß hegen koͤnnen, wenn er
ſich
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[460[456]/0492]
§. 12.
Die Gnugthuung Chriſti giebt auch
Anleitung zu aufrichtiger Liebe gegen den
Nebenmenſchen, und die Schrift braucht
ſelbige zu einem Bewegungsgrunde der
Liebe. Johannes ſchreibet: 1 Joh. Cap.
4. v. 11. Jhr Lieben, hat uns GOtt
alſo geliebet, nemlich alſo, daß er uns
ſeinen Sohn geſandt zur Verſohnung
fuͤr unſere Suͤnde, v. 20. ſo ſollen wir
uns auch untereinander lieben.
Johannes fuͤhrt hier die Leſer ſeines
Briefes auf die Betrachtung der Verſoͤh-
nung durch Chriſtum, und will, ſie ſol-
len daraus die Groͤſſe der allgemeinen
Liebe GOttes gegen die Menſchen er-
kennen, und daraus den Schluß ziehen,
wir muͤſſen uns untereinander lieben,
denn GOtt hat durch die Sendung ſei-
nes Sohnes gewieſen, daß er uns ins-
geſamt auf das zaͤrtlichſte liebe. Es iſt
dieſer Schluß vom groſſen Nachdruck.
Wer unterſtehet ſich wol demjenigen zu-
wider zu ſeyn, welchen ein groſſer Herr
recht zaͤrtlich liebet, und gegen welchen er
die mercklichſten Proben ableget, daß er
ihn auf alle moͤgliche Art wolle gluͤcklich
machen. Wie ſolte daher ein Ver-
nuͤnftiger wol gegen jemand einen unver-
ſoͤhnlichen Haß hegen koͤnnen, wenn er
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 460[456]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/492>, abgerufen am 28.11.2024.
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