ser Richter eine Gnugthuung leisten, war- um begnadiget er den Sünder nicht ohne dieselbe? Jst dieses nicht die Ursache, da- mit man nicht dencken möge, es werde die Sünde nicht geachtet, und damit man we- gen der Begnadigung nicht sicher werde u. Gelegenheit nehme in den Sünden muth- willig fortzufahren? Fordert ein weiser Regente nicht dessentwegen eine Gnug- thuung, damit seine ernste Gerechtigkeit öffenbahr und seine Gnade nicht auf Muthwillen gezogen werde? Will man nicht den Ungehorsahmen dadurch die Ge- dancken erwecken, sie müssen von ihrem verkehrten Wesen abstehen, wenn sie nicht endlich selbst die Strafe empfinden wol- len? (Betracht. VIII. §. 28.) Man he- get derowegen irrige Gedancken von der Absicht einer Gnugthuung, welche von ei- nem weisen Regenten angenommen wird, wenn man daraus eine Freiheit zu sündi- gen herleiten will.
§. 16.
Von der Gnugthuung JEsu insbeson-Die Gnug- thuung Christi giebt kei- ne Frei- heit zu sündigen, dere hat man folgende unrichtige Gedan- cken. Man meinet, Christus ist die Ver- söhnung vor der gantzen Welt Sünde, er hat auch die Schulden schon bezahlet, die wir noch in Zukunft machen, es ist daher
unnö-
G g 2
ſer Richter eine Gnugthuung leiſten, war- um begnadiget er den Suͤnder nicht ohne dieſelbe? Jſt dieſes nicht die Urſache, da- mit man nicht dencken moͤge, es werde die Suͤnde nicht geachtet, und damit man we- gen der Begnadigung nicht ſicher werde u. Gelegenheit nehme in den Suͤnden muth- willig fortzufahren? Fordert ein weiſer Regente nicht deſſentwegen eine Gnug- thuung, damit ſeine ernſte Gerechtigkeit oͤffenbahr und ſeine Gnade nicht auf Muthwillen gezogen werde? Will man nicht den Ungehorſahmen dadurch die Ge- dancken erwecken, ſie muͤſſen von ihrem verkehrten Weſen abſtehen, wenn ſie nicht endlich ſelbſt die Strafe empfinden wol- len? (Betracht. VIII. §. 28.) Man he- get derowegen irrige Gedancken von der Abſicht einer Gnugthuung, welche von ei- nem weiſen Regenten angenommen wird, wenn man daraus eine Freiheit zu ſuͤndi- gen herleiten will.
§. 16.
Von der Gnugthuung JEſu insbeſon-Die Gnug- thuung Chriſti giebt kei- ne Frei- heit zu ſuͤndigen, dere hat man folgende unrichtige Gedan- cken. Man meinet, Chriſtus iſt die Ver- ſoͤhnung vor der gantzen Welt Suͤnde, er hat auch die Schulden ſchon bezahlet, die wir noch in Zukunft machen, es iſt daher
unnoͤ-
G g 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0499"n="467[463]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſer Richter eine Gnugthuung leiſten, war-<lb/>
um begnadiget er den Suͤnder nicht ohne<lb/>
dieſelbe? Jſt dieſes nicht die Urſache, da-<lb/>
mit man nicht dencken moͤge, es werde die<lb/>
Suͤnde nicht geachtet, und damit man we-<lb/>
gen der Begnadigung nicht ſicher werde u.<lb/>
Gelegenheit nehme in den Suͤnden muth-<lb/>
willig fortzufahren? Fordert ein weiſer<lb/>
Regente nicht deſſentwegen eine Gnug-<lb/>
thuung, damit ſeine ernſte Gerechtigkeit<lb/>
oͤffenbahr und ſeine Gnade nicht auf<lb/>
Muthwillen gezogen werde? Will man<lb/>
nicht den Ungehorſahmen dadurch die Ge-<lb/>
dancken erwecken, ſie muͤſſen von ihrem<lb/>
verkehrten Weſen abſtehen, wenn ſie nicht<lb/>
endlich ſelbſt die Strafe empfinden wol-<lb/>
len? (Betracht. <hirendition="#aq">VIII.</hi> §. 28.) Man he-<lb/>
get derowegen irrige Gedancken von der<lb/>
Abſicht einer Gnugthuung, welche von ei-<lb/>
nem weiſen Regenten angenommen wird,<lb/>
wenn man daraus eine Freiheit zu ſuͤndi-<lb/>
gen herleiten will.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 16.</head><lb/><p>Von der Gnugthuung JEſu insbeſon-<noteplace="right">Die<lb/>
Gnug-<lb/>
thuung<lb/>
Chriſti<lb/>
giebt kei-<lb/>
ne Frei-<lb/>
heit zu<lb/>ſuͤndigen,</note><lb/>
dere hat man folgende unrichtige Gedan-<lb/>
cken. Man meinet, Chriſtus iſt die Ver-<lb/>ſoͤhnung vor der gantzen Welt Suͤnde, er<lb/>
hat auch die Schulden ſchon bezahlet, die<lb/>
wir noch in Zukunft machen, es iſt daher<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G g 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">unnoͤ-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[467[463]/0499]
ſer Richter eine Gnugthuung leiſten, war-
um begnadiget er den Suͤnder nicht ohne
dieſelbe? Jſt dieſes nicht die Urſache, da-
mit man nicht dencken moͤge, es werde die
Suͤnde nicht geachtet, und damit man we-
gen der Begnadigung nicht ſicher werde u.
Gelegenheit nehme in den Suͤnden muth-
willig fortzufahren? Fordert ein weiſer
Regente nicht deſſentwegen eine Gnug-
thuung, damit ſeine ernſte Gerechtigkeit
oͤffenbahr und ſeine Gnade nicht auf
Muthwillen gezogen werde? Will man
nicht den Ungehorſahmen dadurch die Ge-
dancken erwecken, ſie muͤſſen von ihrem
verkehrten Weſen abſtehen, wenn ſie nicht
endlich ſelbſt die Strafe empfinden wol-
len? (Betracht. VIII. §. 28.) Man he-
get derowegen irrige Gedancken von der
Abſicht einer Gnugthuung, welche von ei-
nem weiſen Regenten angenommen wird,
wenn man daraus eine Freiheit zu ſuͤndi-
gen herleiten will.
§. 16.
Von der Gnugthuung JEſu insbeſon-
dere hat man folgende unrichtige Gedan-
cken. Man meinet, Chriſtus iſt die Ver-
ſoͤhnung vor der gantzen Welt Suͤnde, er
hat auch die Schulden ſchon bezahlet, die
wir noch in Zukunft machen, es iſt daher
unnoͤ-
Die
Gnug-
thuung
Chriſti
giebt kei-
ne Frei-
heit zu
ſuͤndigen,
G g 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 467[463]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/499>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.