Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





können auch zu einer Zeit verschiedene
Umstände den Glauben ändern. Da
Christus anfieng sich als den Meßias
zu zeigen, konnte der Schall davon nicht
in einem Augenblick durch alle Welt
gehen, sondern er breitete sich allgemäh-
lich von einem Orte zu dem andern aus.
Der eine Ort wurde also eher verbun-
den JEsum den Sohn Mariä für den
Heiland der Welt zu erkennen als der
andere. Derowegen können auch ver-
schiedene Umstände bey dem einen einen
grössern und weitläuftigern, bey einem
andern aber nur einen geringern Glau-
ben erheischen. Es ist daher zwar un-
möglich GOtt ohne Glauben zu gefal-
len Ebr. Cap. 11. v. 6. doch können
verschiedene Menschen zu verschiedenen
Zeiten und in verschiedenen Umständen
GOTT bey einem in etwas unglei-
chen Glauben angenehm und treue Bür-
ger seines Reichs seyn. (siehe Apost.
Gesch. Cap. 10. v. 1. 2. 4. 22.) Jn
weltlichen Reichen findet eben dasselbe
statt. Man setze, ein Rußischer Monarch,
welcher anjetzt das Recht hat seinen Nach-
folger nach Belieben zu ernennen, ver-
spräche einem Printzen seine Crone, richtete
ein Testament auf und erklärete ihn dar-
inne zu seinem Cronerben. Er fände

aber





koͤnnen auch zu einer Zeit verſchiedene
Umſtaͤnde den Glauben aͤndern. Da
Chriſtus anfieng ſich als den Meßias
zu zeigen, konnte der Schall davon nicht
in einem Augenblick durch alle Welt
gehen, ſondern er breitete ſich allgemaͤh-
lich von einem Orte zu dem andern aus.
Der eine Ort wurde alſo eher verbun-
den JEſum den Sohn Mariaͤ fuͤr den
Heiland der Welt zu erkennen als der
andere. Derowegen koͤnnen auch ver-
ſchiedene Umſtaͤnde bey dem einen einen
groͤſſern und weitlaͤuftigern, bey einem
andern aber nur einen geringern Glau-
ben erheiſchen. Es iſt daher zwar un-
moͤglich GOtt ohne Glauben zu gefal-
len Ebr. Cap. 11. v. 6. doch koͤnnen
verſchiedene Menſchen zu verſchiedenen
Zeiten und in verſchiedenen Umſtaͤnden
GOTT bey einem in etwas unglei-
chen Glauben angenehm und treue Buͤr-
ger ſeines Reichs ſeyn. (ſiehe Apoſt.
Geſch. Cap. 10. v. 1. 2. 4. 22.) Jn
weltlichen Reichen findet eben daſſelbe
ſtatt. Man ſetze, ein Rußiſcher Monarch,
welcher anjetzt das Recht hat ſeinen Nach-
folger nach Belieben zu ernennen, ver-
ſpraͤche einem Printzen ſeine Crone, richtete
ein Teſtament auf und erklaͤrete ihn dar-
inne zu ſeinem Cronerben. Er faͤnde

aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0558" n="526[522]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ko&#x0364;nnen auch zu einer Zeit ver&#x017F;chiedene<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde den Glauben a&#x0364;ndern. Da<lb/>
Chri&#x017F;tus anfieng &#x017F;ich als den Meßias<lb/>
zu zeigen, konnte der Schall davon nicht<lb/>
in einem Augenblick durch alle Welt<lb/>
gehen, &#x017F;ondern er breitete &#x017F;ich allgema&#x0364;h-<lb/>
lich von einem Orte zu dem andern aus.<lb/>
Der eine Ort wurde al&#x017F;o eher verbun-<lb/>
den JE&#x017F;um den Sohn Maria&#x0364; fu&#x0364;r den<lb/>
Heiland der Welt zu erkennen als der<lb/>
andere. Derowegen ko&#x0364;nnen auch ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Um&#x017F;ta&#x0364;nde bey dem einen einen<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern und weitla&#x0364;uftigern, bey einem<lb/>
andern aber nur einen geringern Glau-<lb/>
ben erhei&#x017F;chen. Es i&#x017F;t daher zwar un-<lb/>
mo&#x0364;glich GOtt ohne Glauben zu gefal-<lb/>
len Ebr. Cap. 11. v. 6. doch ko&#x0364;nnen<lb/>
ver&#x017F;chiedene Men&#x017F;chen zu ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Zeiten und in ver&#x017F;chiedenen Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
GOTT bey einem in etwas unglei-<lb/>
chen Glauben angenehm und treue Bu&#x0364;r-<lb/>
ger &#x017F;eines Reichs &#x017F;eyn. (&#x017F;iehe Apo&#x017F;t.<lb/>
Ge&#x017F;ch. Cap. 10. v. 1. 2. 4. 22.) Jn<lb/>
weltlichen Reichen findet eben da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
&#x017F;tatt. Man &#x017F;etze, ein Rußi&#x017F;cher Monarch,<lb/>
welcher anjetzt das Recht hat &#x017F;einen Nach-<lb/>
folger nach Belieben zu ernennen, ver-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;che einem Printzen &#x017F;eine Crone, richtete<lb/>
ein Te&#x017F;tament auf und erkla&#x0364;rete ihn dar-<lb/>
inne zu &#x017F;einem Cronerben. Er fa&#x0364;nde<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[526[522]/0558] koͤnnen auch zu einer Zeit verſchiedene Umſtaͤnde den Glauben aͤndern. Da Chriſtus anfieng ſich als den Meßias zu zeigen, konnte der Schall davon nicht in einem Augenblick durch alle Welt gehen, ſondern er breitete ſich allgemaͤh- lich von einem Orte zu dem andern aus. Der eine Ort wurde alſo eher verbun- den JEſum den Sohn Mariaͤ fuͤr den Heiland der Welt zu erkennen als der andere. Derowegen koͤnnen auch ver- ſchiedene Umſtaͤnde bey dem einen einen groͤſſern und weitlaͤuftigern, bey einem andern aber nur einen geringern Glau- ben erheiſchen. Es iſt daher zwar un- moͤglich GOtt ohne Glauben zu gefal- len Ebr. Cap. 11. v. 6. doch koͤnnen verſchiedene Menſchen zu verſchiedenen Zeiten und in verſchiedenen Umſtaͤnden GOTT bey einem in etwas unglei- chen Glauben angenehm und treue Buͤr- ger ſeines Reichs ſeyn. (ſiehe Apoſt. Geſch. Cap. 10. v. 1. 2. 4. 22.) Jn weltlichen Reichen findet eben daſſelbe ſtatt. Man ſetze, ein Rußiſcher Monarch, welcher anjetzt das Recht hat ſeinen Nach- folger nach Belieben zu ernennen, ver- ſpraͤche einem Printzen ſeine Crone, richtete ein Teſtament auf und erklaͤrete ihn dar- inne zu ſeinem Cronerben. Er faͤnde aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/558
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 526[522]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/558>, abgerufen am 13.05.2024.