Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.aber auch durch Schärffe zu einigen Ge- brauch der Vernunft und zu der Erkännt- niß guter Handlungen bringen. Und zwar muß dieses in der zartesten Jugend geschehen. Denn je älter wir werden oh- ne Unterrichtung, desto schwehrer wird es den Verstand und Willen zu bessern, und uns zu einer bessern Uberlegung als die Thiere zu bringen. GOtt hat uns die- ses gewiesen, indem er sehr weislich zuge- geben, daß unterweilen einmahl ein Mensch in seinen ersten Jahren von der menschli- chen Gesellschafft abkommen, sich in einer Wildniß verlohren und einige Zeit in der- selben gelebet, und hernach wieder gefun- den worden. Diese Leute haben nicht den geringsten Gebrauch der Vernunfft erhal- ten, und ihr Verstand ist gantz verwildert und öde gewesen, und ihre menschliche Ge- stalt ist das eintzige gewesen, welches sie von den Thieren unterschieden. Und auf diese Weise sind sie keiner grössern glück- seligkeit fähig gewesen als ein unvernünff- tiges Thier. Es hat hernach auch sehr viel Mühe gekostet ihren Verstand ein we- nig zu zähmen, aufzuwecken und menschli- cher zu machen, ja man hat sie nicht so weit in der Vernunfft bringen können als einen
aber auch durch Schaͤrffe zu einigen Ge- brauch der Vernunft und zu der Erkaͤnnt- niß guter Handlungen bringen. Und zwar muß dieſes in der zarteſten Jugend geſchehen. Denn je aͤlter wir werden oh- ne Unterrichtung, deſto ſchwehrer wird es den Verſtand und Willen zu beſſern, und uns zu einer beſſern Uberlegung als die Thiere zu bringen. GOtt hat uns die- ſes gewieſen, indem er ſehr weislich zuge- geben, daß unterweilen einmahl ein Menſch in ſeinen erſten Jahren von der menſchli- chen Geſellſchafft abkommen, ſich in einer Wildniß verlohren und einige Zeit in der- ſelben gelebet, und hernach wieder gefun- den worden. Dieſe Leute haben nicht den geringſten Gebrauch der Vernunfft erhal- ten, und ihr Verſtand iſt gantz verwildert und oͤde geweſen, und ihre menſchliche Ge- ſtalt iſt das eintzige geweſen, welches ſie von den Thieren unterſchieden. Und auf dieſe Weiſe ſind ſie keiner groͤſſern gluͤck- ſeligkeit faͤhig geweſen als ein unvernuͤnff- tiges Thier. Es hat hernach auch ſehr viel Muͤhe gekoſtet ihren Verſtand ein we- nig zu zaͤhmen, aufzuwecken und menſchli- cher zu machen, ja man hat ſie nicht ſo weit in der Vernunfft bringen koͤnnen als einen
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aber auch durch Schaͤrffe zu einigen Ge-
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niß guter Handlungen bringen. Und
zwar muß dieſes in der zarteſten Jugend
geſchehen. Denn je aͤlter wir werden oh-
ne Unterrichtung, deſto ſchwehrer wird es
den Verſtand und Willen zu beſſern, und
uns zu einer beſſern Uberlegung als die
Thiere zu bringen. GOtt hat uns die-
ſes gewieſen, indem er ſehr weislich zuge-
geben, daß unterweilen einmahl ein Menſch
in ſeinen erſten Jahren von der menſchli-
chen Geſellſchafft abkommen, ſich in einer
Wildniß verlohren und einige Zeit in der-
ſelben gelebet, und hernach wieder gefun-
den worden. Dieſe Leute haben nicht den
geringſten Gebrauch der Vernunfft erhal-
ten, und ihr Verſtand iſt gantz verwildert
und oͤde geweſen, und ihre menſchliche Ge-
ſtalt iſt das eintzige geweſen, welches ſie
von den Thieren unterſchieden. Und auf
dieſe Weiſe ſind ſie keiner groͤſſern gluͤck-
ſeligkeit faͤhig geweſen als ein unvernuͤnff-
tiges Thier. Es hat hernach auch ſehr
viel Muͤhe gekoſtet ihren Verſtand ein we-
nig zu zaͤhmen, aufzuwecken und menſchli-
cher zu machen, ja man hat ſie nicht ſo
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