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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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gen, so würde nicht leicht ein Vogel in die
Bügel fliegen, worinnen Haare sind, so
lange in jenen Beere wären, weil ein Vo-
gel sich sehr für der Schlinge hütet, die ihm
das Leben nehmen soll, auch die Bügel
würde eine Allwissenheit nicht weg lassen,
die ein ander Vogel beraubet, wenn sie sä-
he, daß sonst der nechst dabey seyende Fang
nicht in Sicherheit bleiben würde. Jch
begriff, daß, wenn das Ziel des einen Bü-
gels sollte erreichet und Vogel darinne ge-
fangen werden, andere auch seyn musten,
die mir anfänglich vergeblich und nur eine
Arbeit einer auf einen unbekannten Zufall
hoffenden Unwissenheit zu seyn scheinen.
Jch fieng an zu fragen, woher man denn
wohl wissen könnte, daß es in der Natur
nicht eine ähnliche Bewandniß mit denen
Dingen habe, deren Endzweck scheint nicht
erreicht zu werden? Woher ist man denn
versichert, daß nicht ein jedes zu einem Ziel
komme, welches der HErr zum Voraus
gesehen. Mein Gemüth fieng von selbiger
Stunde an sich nach und nach zu besänffti-
gen, und mir wurde wie einem der sich in
einem finstern Nebel verlohren, und nicht
weiß, wo er ist, nachdem sich aber die Dün-

ste,



gen, ſo wuͤrde nicht leicht ein Vogel in die
Buͤgel fliegen, worinnen Haare ſind, ſo
lange in jenen Beere waͤren, weil ein Vo-
gel ſich ſehr fuͤr der Schlinge huͤtet, die ihm
das Leben nehmen ſoll, auch die Buͤgel
wuͤrde eine Allwiſſenheit nicht weg laſſen,
die ein ander Vogel beraubet, wenn ſie ſaͤ-
he, daß ſonſt der nechſt dabey ſeyende Fang
nicht in Sicherheit bleiben wuͤrde. Jch
begriff, daß, wenn das Ziel des einen Buͤ-
gels ſollte erreichet und Vogel darinne ge-
fangen werden, andere auch ſeyn muſten,
die mir anfaͤnglich vergeblich und nur eine
Arbeit einer auf einen unbekannten Zufall
hoffenden Unwiſſenheit zu ſeyn ſcheinen.
Jch fieng an zu fragen, woher man denn
wohl wiſſen koͤnnte, daß es in der Natur
nicht eine aͤhnliche Bewandniß mit denen
Dingen habe, deren Endzweck ſcheint nicht
erreicht zu werden? Woher iſt man denn
verſichert, daß nicht ein jedes zu einem Ziel
komme, welches der HErr zum Voraus
geſehen. Mein Gemuͤth fieng von ſelbiger
Stunde an ſich nach und nach zu beſaͤnffti-
gen, und mir wurde wie einem der ſich in
einem finſtern Nebel verlohren, und nicht
weiß, wo er iſt, nachdem ſich aber die Duͤn-

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[270/0288] gen, ſo wuͤrde nicht leicht ein Vogel in die Buͤgel fliegen, worinnen Haare ſind, ſo lange in jenen Beere waͤren, weil ein Vo- gel ſich ſehr fuͤr der Schlinge huͤtet, die ihm das Leben nehmen ſoll, auch die Buͤgel wuͤrde eine Allwiſſenheit nicht weg laſſen, die ein ander Vogel beraubet, wenn ſie ſaͤ- he, daß ſonſt der nechſt dabey ſeyende Fang nicht in Sicherheit bleiben wuͤrde. Jch begriff, daß, wenn das Ziel des einen Buͤ- gels ſollte erreichet und Vogel darinne ge- fangen werden, andere auch ſeyn muſten, die mir anfaͤnglich vergeblich und nur eine Arbeit einer auf einen unbekannten Zufall hoffenden Unwiſſenheit zu ſeyn ſcheinen. Jch fieng an zu fragen, woher man denn wohl wiſſen koͤnnte, daß es in der Natur nicht eine aͤhnliche Bewandniß mit denen Dingen habe, deren Endzweck ſcheint nicht erreicht zu werden? Woher iſt man denn verſichert, daß nicht ein jedes zu einem Ziel komme, welches der HErr zum Voraus geſehen. Mein Gemuͤth fieng von ſelbiger Stunde an ſich nach und nach zu beſaͤnffti- gen, und mir wurde wie einem der ſich in einem finſtern Nebel verlohren, und nicht weiß, wo er iſt, nachdem ſich aber die Duͤn- ſte,

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/288>, abgerufen am 24.11.2024.