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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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so um den gelben Dotter eines Eyes gehet,
ist genau verbunden mit der Frucht so dar-
innen wächset, dergestalt, daß sie wenigstens
bey Kücheln, die zum Auskriechen zeitig,
mit dem Hintern also verknüpft, daß selbige
dadurch den gantzen Dotter in den Bauch
ziehen. Jch habe einmal ein Kücheln ge-
sehen, welches zum Durchbrechen mehren-
theils fertig war, welches den Dotter noch
halb vor dem Hintern hangend hatte.
Diese wunderbare und genaue Verbin-
dung der Brut mit der Haut des Dotters
bringet mich auf die Muthmassung, daß
der erste Stoff der lebendigen Geschöpfe
bey der Mutter an den Dottern der Eyer
sitze, und durch die Auram seminis aufge-
löset und in Bewegung gesetzet werde, eben
wie eine trockene Ranonckel durch die
Feuchtigkeit der Erde. Man wird zwar
sagen: Das Saamen-Thierchen wäch-
set an den Dotter an. Sollte aber dieses
seyn, so würden wenigstens diejenigen, wel-
che hiebey keine Allwissenheit, die alles be-
stimmet, zugeben wollen, sondern auch GOtt
unter diejenigen stellen, die auf einen Ha-
sard, auf einen unbewusten Zufall, auf ei-
nen Versuch etwas müssen ankommen las-

sen,



ſo um den gelben Dotter eines Eyes gehet,
iſt genau verbunden mit der Frucht ſo dar-
innen waͤchſet, dergeſtalt, daß ſie wenigſtens
bey Kuͤcheln, die zum Auskriechen zeitig,
mit dem Hintern alſo verknuͤpft, daß ſelbige
dadurch den gantzen Dotter in den Bauch
ziehen. Jch habe einmal ein Kuͤcheln ge-
ſehen, welches zum Durchbrechen mehren-
theils fertig war, welches den Dotter noch
halb vor dem Hintern hangend hatte.
Dieſe wunderbare und genaue Verbin-
dung der Brut mit der Haut des Dotters
bringet mich auf die Muthmaſſung, daß
der erſte Stoff der lebendigen Geſchoͤpfe
bey der Mutter an den Dottern der Eyer
ſitze, und durch die Auram ſeminis aufge-
loͤſet und in Bewegung geſetzet werde, eben
wie eine trockene Ranonckel durch die
Feuchtigkeit der Erde. Man wird zwar
ſagen: Das Saamen-Thierchen waͤch-
ſet an den Dotter an. Sollte aber dieſes
ſeyn, ſo wuͤrden wenigſtens diejenigen, wel-
che hiebey keine Allwiſſenheit, die alles be-
ſtimmet, zugeben wollen, ſondern auch GOtt
unter diejenigen ſtellen, die auf einen Ha-
ſard, auf einen unbewuſten Zufall, auf ei-
nen Verſuch etwas muͤſſen ankommen laſ-

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[282/0300] ſo um den gelben Dotter eines Eyes gehet, iſt genau verbunden mit der Frucht ſo dar- innen waͤchſet, dergeſtalt, daß ſie wenigſtens bey Kuͤcheln, die zum Auskriechen zeitig, mit dem Hintern alſo verknuͤpft, daß ſelbige dadurch den gantzen Dotter in den Bauch ziehen. Jch habe einmal ein Kuͤcheln ge- ſehen, welches zum Durchbrechen mehren- theils fertig war, welches den Dotter noch halb vor dem Hintern hangend hatte. Dieſe wunderbare und genaue Verbin- dung der Brut mit der Haut des Dotters bringet mich auf die Muthmaſſung, daß der erſte Stoff der lebendigen Geſchoͤpfe bey der Mutter an den Dottern der Eyer ſitze, und durch die Auram ſeminis aufge- loͤſet und in Bewegung geſetzet werde, eben wie eine trockene Ranonckel durch die Feuchtigkeit der Erde. Man wird zwar ſagen: Das Saamen-Thierchen waͤch- ſet an den Dotter an. Sollte aber dieſes ſeyn, ſo wuͤrden wenigſtens diejenigen, wel- che hiebey keine Allwiſſenheit, die alles be- ſtimmet, zugeben wollen, ſondern auch GOtt unter diejenigen ſtellen, die auf einen Ha- ſard, auf einen unbewuſten Zufall, auf ei- nen Verſuch etwas muͤſſen ankommen laſ- ſen,

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/300>, abgerufen am 24.11.2024.