Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.Schöpfer, und dem, welchen er uns zum Heylande, zum Lehrer und Könige geschen- cket, huldigen, unsere Unwürdigkeit jeder- zeit vor Augen haben, alles eigene Ver- dienst hinweg werfen, und nichts als Gna- de und in derselben eine Verbesserung un- sers höchst-niederträchtigen Gemüths ernst- lich suchen. Dieses soll der ewigen Liebe genug seyn uns zu begnadigen, zu Kindern wieder anzunehmen und uns ein ewiges Glück zu schencken. Die Grösse und Zärt- lichkeit dieser Liebe in etwas zu fassen, so stellet euch mit mir einen HErrn vor, wel- cher Knechte hat, denen viele wichtige Voll- kommenheiten fehlen, die bey ihrem Dien- ste nöthig wären, und die man wohl wünsch- te. Sie erkenneten dieses aber selber, sie kämen vor ihren HErrn, beriefen sich auf seine Leutseligkeit, und bäten, er möchte Gedult mit ihnen tragen, und sie nicht ver- stossen, und zu gantz unglücklichen Leuten machen. Lasset uns setzen, der HErr er- barmete sich ihrer und übersähe ihre Un- vollkommenheiten, und gäbe ihnen dennoch vollen Lohn; würden wir dieses nicht als eine besondere Leutseligkeit loben? Eine solche Liebe aber erzeiget GOtt so gar sol- chen, B b 5
Schoͤpfer, und dem, welchen er uns zum Heylande, zum Lehrer und Koͤnige geſchen- cket, huldigen, unſere Unwuͤrdigkeit jeder- zeit vor Augen haben, alles eigene Ver- dienſt hinweg werfen, und nichts als Gna- de und in derſelben eine Verbeſſerung un- ſers hoͤchſt-niedertraͤchtigen Gemuͤths ernſt- lich ſuchen. Dieſes ſoll der ewigen Liebe genug ſeyn uns zu begnadigen, zu Kindern wieder anzunehmen und uns ein ewiges Gluͤck zu ſchencken. Die Groͤſſe und Zaͤrt- lichkeit dieſer Liebe in etwas zu faſſen, ſo ſtellet euch mit mir einen HErrn vor, wel- cher Knechte hat, denen viele wichtige Voll- kommenheiten fehlen, die bey ihrem Dien- ſte noͤthig waͤren, und die man wohl wuͤnſch- te. Sie erkenneten dieſes aber ſelber, ſie kaͤmen vor ihren HErrn, beriefen ſich auf ſeine Leutſeligkeit, und baͤten, er moͤchte Gedult mit ihnen tragen, und ſie nicht ver- ſtoſſen, und zu gantz ungluͤcklichen Leuten machen. Laſſet uns ſetzen, der HErr er- barmete ſich ihrer und uͤberſaͤhe ihre Un- vollkommenheiten, und gaͤbe ihnen dennoch vollen Lohn; wuͤrden wir dieſes nicht als eine beſondere Leutſeligkeit loben? Eine ſolche Liebe aber erzeiget GOtt ſo gar ſol- chen, B b 5
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Schoͤpfer, und dem, welchen er uns zum
Heylande, zum Lehrer und Koͤnige geſchen-
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zeit vor Augen haben, alles eigene Ver-
dienſt hinweg werfen, und nichts als Gna-
de und in derſelben eine Verbeſſerung un-
ſers hoͤchſt-niedertraͤchtigen Gemuͤths ernſt-
lich ſuchen. Dieſes ſoll der ewigen Liebe
genug ſeyn uns zu begnadigen, zu Kindern
wieder anzunehmen und uns ein ewiges
Gluͤck zu ſchencken. Die Groͤſſe und Zaͤrt-
lichkeit dieſer Liebe in etwas zu faſſen, ſo
ſtellet euch mit mir einen HErrn vor, wel-
cher Knechte hat, denen viele wichtige Voll-
kommenheiten fehlen, die bey ihrem Dien-
ſte noͤthig waͤren, und die man wohl wuͤnſch-
te. Sie erkenneten dieſes aber ſelber, ſie
kaͤmen vor ihren HErrn, beriefen ſich auf
ſeine Leutſeligkeit, und baͤten, er moͤchte
Gedult mit ihnen tragen, und ſie nicht ver-
ſtoſſen, und zu gantz ungluͤcklichen Leuten
machen. Laſſet uns ſetzen, der HErr er-
barmete ſich ihrer und uͤberſaͤhe ihre Un-
vollkommenheiten, und gaͤbe ihnen dennoch
vollen Lohn; wuͤrden wir dieſes nicht als
eine beſondere Leutſeligkeit loben? Eine
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