I.Wie weit die irrdischen Dinge die zeitliche Glückseligkeit des einen Menschen vor dem an- dern erhöhen.
II.Wie weit selbige durch ein wahres Christenthum erhöhet werde.
Wir beweisen, daß unsere zeitliche Glückseligkeit nichts so sehr erhöhe, als wahre Gottseligkeit. Soll dieser Be- weis recht überzeugend werden, so müssen wir zuerst bestimmen, wie hoch unsere Glückseligkeit über das Glück anderer durch die vergänglichen Güter als Reichthümer, hohe Ehrenstellen und dergleichen, könne ge- trieben werden. Wir müssen hiebey vor- her erinnern, worinne unser Glück eigent- lich bestehe. Derjenige schätzet sich glück- selig, der allerhand Vergnügen geniessen kan, und derjenige achtet sich glücklicher als der andere, der sich mehr belustigen kan als jener. Und ein jeder nennet sich in so weit unglücklich, als er dieser und anderer Be- quemlichkeit und Belustigung nicht kan theilhafftig werden. Wir werden gar leicht einsehen, daß wir unser gantzes Glück
in
I.Wie weit die irrdiſchen Dinge die zeitliche Gluͤckſeligkeit des einen Menſchen vor dem an- dern erhoͤhen.
II.Wie weit ſelbige durch ein wahres Chriſtenthum erhoͤhet werde.
Wir beweiſen, daß unſere zeitliche Gluͤckſeligkeit nichts ſo ſehr erhoͤhe, als wahre Gottſeligkeit. Soll dieſer Be- weis recht uͤberzeugend werden, ſo muͤſſen wir zuerſt beſtimmen, wie hoch unſere Gluͤckſeligkeit uͤber das Gluͤck anderer durch die vergaͤnglichen Guͤter als Reichthuͤmer, hohe Ehrenſtellen und dergleichen, koͤnne ge- trieben werden. Wir muͤſſen hiebey vor- her erinnern, worinne unſer Gluͤck eigent- lich beſtehe. Derjenige ſchaͤtzet ſich gluͤck- ſelig, der allerhand Vergnuͤgen genieſſen kan, und derjenige achtet ſich gluͤcklicher als der andere, der ſich mehr beluſtigen kan als jener. Und ein jeder nennet ſich in ſo weit ungluͤcklich, als er dieſer und anderer Be- quemlichkeit und Beluſtigung nicht kan theilhafftig werden. Wir werden gar leicht einſehen, daß wir unſer gantzes Gluͤck
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I. Wie weit die irrdiſchen Dinge
die zeitliche Gluͤckſeligkeit des
einen Menſchen vor dem an-
dern erhoͤhen.
II. Wie weit ſelbige durch ein
wahres Chriſtenthum erhoͤhet
werde.
Wir beweiſen, daß unſere zeitliche
Gluͤckſeligkeit nichts ſo ſehr erhoͤhe, als
wahre Gottſeligkeit. Soll dieſer Be-
weis recht uͤberzeugend werden, ſo muͤſſen
wir zuerſt beſtimmen, wie hoch unſere
Gluͤckſeligkeit uͤber das Gluͤck anderer durch
die vergaͤnglichen Guͤter als Reichthuͤmer,
hohe Ehrenſtellen und dergleichen, koͤnne ge-
trieben werden. Wir muͤſſen hiebey vor-
her erinnern, worinne unſer Gluͤck eigent-
lich beſtehe. Derjenige ſchaͤtzet ſich gluͤck-
ſelig, der allerhand Vergnuͤgen genieſſen
kan, und derjenige achtet ſich gluͤcklicher als
der andere, der ſich mehr beluſtigen kan als
jener. Und ein jeder nennet ſich in ſo weit
ungluͤcklich, als er dieſer und anderer Be-
quemlichkeit und Beluſtigung nicht kan
theilhafftig werden. Wir werden gar
leicht einſehen, daß wir unſer gantzes Gluͤck
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/434>, abgerufen am 23.11.2024.
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