Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.des Christenthums auch in blosser Absicht auf dieses Leben. Die Hoffnung, so das Christenthum giebet, übertrifft an Krafft alle übrige Gewinne der Erden. (*) Sie würcket auch mitten unter den Thränen in dem Hertzen eines gläubigen Christen, eine sanfte Beruhigung und entzückendes Vergnügen. Kommt, ihr falschen und grausamen Brüder, nehmt uns einen Theil des Zeitlichen. Es schmertzet uns. Aber die Hoffnung zu ewigen Gütern mindert diesen Schmertz gar bald. Euer Raub überführt uns von dem geringen Werth dessen, was da kan geraubet werden. Scheidet von uns, ihr Geliebten, in deren Gesellschafft wir wünschen unsere Pil- grimschafft zu vollenden. Brecht ihr zärt- lich geliebten Vater- und Mutter-Hertzen. Gehet vor uns hin, die wir mit Schmer- tzen zu unsern Nachkommen erzielet. Gebt den Ring der Treue zurück, fromme Ehe- gatten. (*) Jch werde allezeit äusserst bewegt, wenn
ich lese, wie Cicero ein vernünfftiger Hey- de sich über eine solche Hoffnung vergnü- get, und wie hoch er den Werth derselben schätzet. Man lese seinen Tractat de Se- nectute gegen das Ende. des Chriſtenthums auch in bloſſer Abſicht auf dieſes Leben. Die Hoffnung, ſo das Chriſtenthum giebet, uͤbertrifft an Krafft alle uͤbrige Gewinne der Erden. (*) Sie wuͤrcket auch mitten unter den Thraͤnen in dem Hertzen eines glaͤubigen Chriſten, eine ſanfte Beruhigung und entzuͤckendes Vergnuͤgen. Kommt, ihr falſchen und grauſamen Bruͤder, nehmt uns einen Theil des Zeitlichen. Es ſchmertzet uns. Aber die Hoffnung zu ewigen Guͤtern mindert dieſen Schmertz gar bald. Euer Raub uͤberfuͤhrt uns von dem geringen Werth deſſen, was da kan geraubet werden. Scheidet von uns, ihr Geliebten, in deren Geſellſchafft wir wuͤnſchen unſere Pil- grimſchafft zu vollenden. Brecht ihr zaͤrt- lich geliebten Vater- und Mutter-Hertzen. Gehet vor uns hin, die wir mit Schmer- tzen zu unſern Nachkommen erzielet. Gebt den Ring der Treue zuruͤck, fromme Ehe- gatten. (*) Jch werde allezeit aͤuſſerſt bewegt, wenn
ich leſe, wie Cicero ein vernuͤnfftiger Hey- de ſich uͤber eine ſolche Hoffnung vergnuͤ- get, und wie hoch er den Werth derſelben ſchaͤtzet. Man leſe ſeinen Tractat de Se- nectute gegen das Ende. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0450" n="432"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> des Chriſtenthums auch in bloſſer Abſicht<lb/> auf dieſes Leben. Die Hoffnung, ſo das<lb/> Chriſtenthum giebet, uͤbertrifft an Krafft<lb/> alle uͤbrige Gewinne der Erden. <note place="foot" n="(*)">Jch werde allezeit aͤuſſerſt bewegt, wenn<lb/> ich leſe, wie <hi rendition="#fr">Cicero</hi> ein vernuͤnfftiger Hey-<lb/> de ſich uͤber eine ſolche Hoffnung vergnuͤ-<lb/> get, und wie hoch er den Werth derſelben<lb/> ſchaͤtzet. Man leſe ſeinen <hi rendition="#aq">Tractat de Se-<lb/> nectute</hi> gegen das Ende.</note> Sie<lb/> wuͤrcket auch mitten unter den Thraͤnen<lb/> in dem Hertzen eines glaͤubigen Chriſten,<lb/> eine ſanfte Beruhigung und entzuͤckendes<lb/> Vergnuͤgen. Kommt, ihr falſchen und<lb/> grauſamen Bruͤder, nehmt uns einen Theil<lb/> des Zeitlichen. Es ſchmertzet uns. Aber<lb/> die Hoffnung zu ewigen Guͤtern mindert<lb/> dieſen Schmertz gar bald. Euer Raub<lb/> uͤberfuͤhrt uns von dem geringen Werth<lb/> deſſen, was da kan geraubet werden.<lb/> Scheidet von uns, ihr Geliebten, in deren<lb/> Geſellſchafft wir wuͤnſchen unſere Pil-<lb/> grimſchafft zu vollenden. Brecht ihr zaͤrt-<lb/> lich geliebten Vater- und Mutter-Hertzen.<lb/> Gehet vor uns hin, die wir mit Schmer-<lb/> tzen zu unſern Nachkommen erzielet. Gebt<lb/> den Ring der Treue zuruͤck, fromme Ehe-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gatten.</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [432/0450]
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auf dieſes Leben. Die Hoffnung, ſo das
Chriſtenthum giebet, uͤbertrifft an Krafft
alle uͤbrige Gewinne der Erden. (*) Sie
wuͤrcket auch mitten unter den Thraͤnen
in dem Hertzen eines glaͤubigen Chriſten,
eine ſanfte Beruhigung und entzuͤckendes
Vergnuͤgen. Kommt, ihr falſchen und
grauſamen Bruͤder, nehmt uns einen Theil
des Zeitlichen. Es ſchmertzet uns. Aber
die Hoffnung zu ewigen Guͤtern mindert
dieſen Schmertz gar bald. Euer Raub
uͤberfuͤhrt uns von dem geringen Werth
deſſen, was da kan geraubet werden.
Scheidet von uns, ihr Geliebten, in deren
Geſellſchafft wir wuͤnſchen unſere Pil-
grimſchafft zu vollenden. Brecht ihr zaͤrt-
lich geliebten Vater- und Mutter-Hertzen.
Gehet vor uns hin, die wir mit Schmer-
tzen zu unſern Nachkommen erzielet. Gebt
den Ring der Treue zuruͤck, fromme Ehe-
gatten.
(*) Jch werde allezeit aͤuſſerſt bewegt, wenn
ich leſe, wie Cicero ein vernuͤnfftiger Hey-
de ſich uͤber eine ſolche Hoffnung vergnuͤ-
get, und wie hoch er den Werth derſelben
ſchaͤtzet. Man leſe ſeinen Tractat de Se-
nectute gegen das Ende.
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