Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



der Philosophie bekannt gemacht. Auch
die Arithmetischen, Geometrischen, und
Algebraischen Schriften der berühmtesten
Männer sind nicht frey von solchen Fehler-
haften Erklärungen und unrichtigen Be-
weisen, so daraus hergeleitet worden, da
man doch in solchen Schriften die vollkom-
mensten Erklärungen und Beweise sucht.
Jch bin daher so furchtsam bey einer jeden
Erklärung, so ich selber mache, daß ich ihr
nicht traue, bis sie andere Personen von
Einsicht überlegt, und bezeuget, daß sie
nichts dagegen aufzubringen wissen. Noch
eins. Alle Beweise gründen sich zuletzt
auf den Satz des Widerspruches. Des-
sen Gewißheit aber gründet sich auf unsere
innere Empfindung. Wir fühlen einen
innern Widerstand, wenn wir dencken wol-
len, es könne ein Ding zugleich seyn und
nicht seyn. Sollte aber die innere Empfin-
dung eines eintzigen Menschen wohl genug
seyn, diesen Satz in seiner Allgemeinheit
recht fest zu setzen? Wir wissen, daß man-
che Menschen in ein und andern Dingen
unrichtige Empfindungen haben, woher
kan ich wissen, daß die Empfindung, darauf
sich dieser Satz gründet, richtig sey? Gewiß

ich



der Philoſophie bekannt gemacht. Auch
die Arithmetiſchen, Geometriſchen, und
Algebraiſchen Schriften der beruͤhmteſten
Maͤnner ſind nicht frey von ſolchen Fehler-
haften Erklaͤrungen und unrichtigen Be-
weiſen, ſo daraus hergeleitet worden, da
man doch in ſolchen Schriften die vollkom-
menſten Erklaͤrungen und Beweiſe ſucht.
Jch bin daher ſo furchtſam bey einer jeden
Erklaͤrung, ſo ich ſelber mache, daß ich ihr
nicht traue, bis ſie andere Perſonen von
Einſicht uͤberlegt, und bezeuget, daß ſie
nichts dagegen aufzubringen wiſſen. Noch
eins. Alle Beweiſe gruͤnden ſich zuletzt
auf den Satz des Widerſpruches. Deſ-
ſen Gewißheit aber gruͤndet ſich auf unſere
innere Empfindung. Wir fuͤhlen einen
innern Widerſtand, wenn wir dencken wol-
len, es koͤnne ein Ding zugleich ſeyn und
nicht ſeyn. Sollte aber die innere Empfin-
dung eines eintzigen Menſchen wohl genug
ſeyn, dieſen Satz in ſeiner Allgemeinheit
recht feſt zu ſetzen? Wir wiſſen, daß man-
che Menſchen in ein und andern Dingen
unrichtige Empfindungen haben, woher
kan ich wiſſen, daß die Empfindung, darauf
ſich dieſer Satz gruͤndet, richtig ſey? Gewiß

ich
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="34"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
der Philo&#x017F;ophie bekannt gemacht. Auch<lb/>
die Arithmeti&#x017F;chen, Geometri&#x017F;chen, und<lb/>
Algebrai&#x017F;chen Schriften der beru&#x0364;hmte&#x017F;ten<lb/>
Ma&#x0364;nner &#x017F;ind nicht frey von &#x017F;olchen Fehler-<lb/>
haften Erkla&#x0364;rungen und unrichtigen Be-<lb/>
wei&#x017F;en, &#x017F;o daraus hergeleitet worden, da<lb/>
man doch in &#x017F;olchen Schriften die vollkom-<lb/>
men&#x017F;ten Erkla&#x0364;rungen und Bewei&#x017F;e &#x017F;ucht.<lb/>
Jch bin daher &#x017F;o furcht&#x017F;am bey einer jeden<lb/>
Erkla&#x0364;rung, &#x017F;o ich &#x017F;elber mache, daß ich ihr<lb/>
nicht traue, bis &#x017F;ie andere Per&#x017F;onen von<lb/>
Ein&#x017F;icht u&#x0364;berlegt, und bezeuget, daß &#x017F;ie<lb/>
nichts dagegen aufzubringen wi&#x017F;&#x017F;en. Noch<lb/>
eins. Alle Bewei&#x017F;e gru&#x0364;nden &#x017F;ich zuletzt<lb/>
auf den Satz des Wider&#x017F;pruches. De&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Gewißheit aber gru&#x0364;ndet &#x017F;ich auf un&#x017F;ere<lb/>
innere Empfindung. Wir fu&#x0364;hlen einen<lb/>
innern Wider&#x017F;tand, wenn wir dencken wol-<lb/>
len, es ko&#x0364;nne ein Ding zugleich &#x017F;eyn und<lb/>
nicht &#x017F;eyn. Sollte aber die innere Empfin-<lb/>
dung eines eintzigen Men&#x017F;chen wohl genug<lb/>
&#x017F;eyn, die&#x017F;en Satz in &#x017F;einer Allgemeinheit<lb/>
recht fe&#x017F;t zu &#x017F;etzen? Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß man-<lb/>
che Men&#x017F;chen in ein und andern Dingen<lb/>
unrichtige Empfindungen haben, woher<lb/>
kan ich wi&#x017F;&#x017F;en, daß die Empfindung, darauf<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;er Satz gru&#x0364;ndet, richtig &#x017F;ey? Gewiß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[34/0052] der Philoſophie bekannt gemacht. Auch die Arithmetiſchen, Geometriſchen, und Algebraiſchen Schriften der beruͤhmteſten Maͤnner ſind nicht frey von ſolchen Fehler- haften Erklaͤrungen und unrichtigen Be- weiſen, ſo daraus hergeleitet worden, da man doch in ſolchen Schriften die vollkom- menſten Erklaͤrungen und Beweiſe ſucht. Jch bin daher ſo furchtſam bey einer jeden Erklaͤrung, ſo ich ſelber mache, daß ich ihr nicht traue, bis ſie andere Perſonen von Einſicht uͤberlegt, und bezeuget, daß ſie nichts dagegen aufzubringen wiſſen. Noch eins. Alle Beweiſe gruͤnden ſich zuletzt auf den Satz des Widerſpruches. Deſ- ſen Gewißheit aber gruͤndet ſich auf unſere innere Empfindung. Wir fuͤhlen einen innern Widerſtand, wenn wir dencken wol- len, es koͤnne ein Ding zugleich ſeyn und nicht ſeyn. Sollte aber die innere Empfin- dung eines eintzigen Menſchen wohl genug ſeyn, dieſen Satz in ſeiner Allgemeinheit recht feſt zu ſetzen? Wir wiſſen, daß man- che Menſchen in ein und andern Dingen unrichtige Empfindungen haben, woher kan ich wiſſen, daß die Empfindung, darauf ſich dieſer Satz gruͤndet, richtig ſey? Gewiß ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/52
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/52>, abgerufen am 09.11.2024.