Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.mand diesen Theil der Vernunft bey der Schrift und bey Beurtheilung der Glau- bens-Sachen nicht gebrauchen, gewiß so muß ihm eine ausserordentliche Offenba- rung geschehen, oder er wird nie eine gründ- liche Erkenntniß in den Lehren der Schrift erlangen. Man muß sich aber hiebey ja kein Verzeichniß von gewissen weit herge- holten Sätzen machen, über welche man schreibt: Die Sätze können und müssen in der Schrift nicht stehen, und was selbige zum Voraus setzet, muß auch darinne nicht zu finden seyn. Es heisset dieses, wie wir oben §. VII. bewiesen, nichts anders, als: Jch bin der eintzige weise Mann, der keine irrige Sätze hat. Alle meine Gedancken sind richtig. Der Geist GOttes kan also unmöglich anders dencken, wie ich. Was derowegen mit meinen Meynungen nicht übereinstimmet, kan in seinen Offenbarun- gen nicht stehen. Sollte derjenige wohl nicht mit Recht einer kleinen Raserey kön- nen beschuldiget werden, der so dencket? Diejenige Haupt-Regel, deren ich mich bey Erklärung der Schrift bediene, ist diese: Jch bemühe mich, so viel mir nur immer möglich ist, mich in die Umstände derer zu setzen,
mand dieſen Theil der Vernunft bey der Schrift und bey Beurtheilung der Glau- bens-Sachen nicht gebrauchen, gewiß ſo muß ihm eine auſſerordentliche Offenba- rung geſchehen, oder er wird nie eine gruͤnd- liche Erkenntniß in den Lehren der Schrift erlangen. Man muß ſich aber hiebey ja kein Verzeichniß von gewiſſen weit herge- holten Saͤtzen machen, uͤber welche man ſchreibt: Die Saͤtze koͤnnen und muͤſſen in der Schrift nicht ſtehen, und was ſelbige zum Voraus ſetzet, muß auch darinne nicht zu finden ſeyn. Es heiſſet dieſes, wie wir oben §. VII. bewieſen, nichts anders, als: Jch bin der eintzige weiſe Mann, der keine irrige Saͤtze hat. Alle meine Gedancken ſind richtig. Der Geiſt GOttes kan alſo unmoͤglich anders dencken, wie ich. Was derowegen mit meinen Meynungen nicht uͤbereinſtimmet, kan in ſeinen Offenbarun- gen nicht ſtehen. Sollte derjenige wohl nicht mit Recht einer kleinen Raſerey koͤn- nen beſchuldiget werden, der ſo dencket? Diejenige Haupt-Regel, deren ich mich bey Erklaͤrung der Schrift bediene, iſt dieſe: Jch bemuͤhe mich, ſo viel mir nur immer moͤglich iſt, mich in die Umſtaͤnde derer zu ſetzen,
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bens-Sachen nicht gebrauchen, gewiß ſo
muß ihm eine auſſerordentliche Offenba-
rung geſchehen, oder er wird nie eine gruͤnd-
liche Erkenntniß in den Lehren der Schrift
erlangen. Man muß ſich aber hiebey ja
kein Verzeichniß von gewiſſen weit herge-
holten Saͤtzen machen, uͤber welche man
ſchreibt: Die Saͤtze koͤnnen und muͤſſen in
der Schrift nicht ſtehen, und was ſelbige
zum Voraus ſetzet, muß auch darinne nicht
zu finden ſeyn. Es heiſſet dieſes, wie wir
oben §. VII. bewieſen, nichts anders, als:
Jch bin der eintzige weiſe Mann, der keine
irrige Saͤtze hat. Alle meine Gedancken
ſind richtig. Der Geiſt GOttes kan alſo
unmoͤglich anders dencken, wie ich. Was
derowegen mit meinen Meynungen nicht
uͤbereinſtimmet, kan in ſeinen Offenbarun-
gen nicht ſtehen. Sollte derjenige wohl
nicht mit Recht einer kleinen Raſerey koͤn-
nen beſchuldiget werden, der ſo dencket?
Diejenige Haupt-Regel, deren ich mich
bey Erklaͤrung der Schrift bediene, iſt dieſe:
Jch bemuͤhe mich, ſo viel mir nur immer
moͤglich iſt, mich in die Umſtaͤnde derer zu
ſetzen,
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