Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

jenes Schattenwerk unnöthig, da das
Abgebildete selber da war. Es war auch
nicht mehr nöthig durch so sehr viel Sinn-
liches die Verehrung Gottes zu befördern,
als in dem ersten kindischen Alter der Welt
geschehen mußte. Er war die Vernunft
durch allerhand Mittel und Fügungen
Gottes zu einer grössern Erleuchtung ge-
langet, und man konnte nunmehr ohne
solchen Umschweif mehr auf das Jnnere
und Wesentliche des Gottesdienstes drin-
gen. Wir begreifen also die wichtigsten
Ursachen, warum der weiseste Gott nicht
immer einerley Religions-Anstalten auf
dem Erdboden gemacht, sondern darinne
nach den veränderlichen Umständen der
Welt Aenderungen beliebet. Er machte
andere Einrichtungen, da der Verstand
der Menschen in Absicht auf göttliche Din-
ge noch in der Kindheit, und das innere
Gefühl noch rauh und ungebauet war,
und wiederum andere, da die Vernunft
mehrere Kraft bekommen, und das Ge-
fühl der Menschen zärtlicher und der Ge-
schmack feiner geworden.

§. 38.

Es ist unter den Gelehrten ein Zwie-Warum
Christus zu
den Zeiten
des Augu-
stus in die
Welt kom-
men.

spalt, ob Christus aus der Ursache eben zu
der Zeit, da er erschienen, die Welt be-
treten und zu erleuchten angefangen, weil
sie damahls in den äussersten und größten

Verfall

jenes Schattenwerk unnoͤthig, da das
Abgebildete ſelber da war. Es war auch
nicht mehr noͤthig durch ſo ſehr viel Sinn-
liches die Verehrung Gottes zu befoͤrdern,
als in dem erſten kindiſchen Alter der Welt
geſchehen mußte. Er war die Vernunft
durch allerhand Mittel und Fuͤgungen
Gottes zu einer groͤſſern Erleuchtung ge-
langet, und man konnte nunmehr ohne
ſolchen Umſchweif mehr auf das Jnnere
und Weſentliche des Gottesdienſtes drin-
gen. Wir begreifen alſo die wichtigſten
Urſachen, warum der weiſeſte Gott nicht
immer einerley Religions-Anſtalten auf
dem Erdboden gemacht, ſondern darinne
nach den veraͤnderlichen Umſtaͤnden der
Welt Aenderungen beliebet. Er machte
andere Einrichtungen, da der Verſtand
der Menſchen in Abſicht auf goͤttliche Din-
ge noch in der Kindheit, und das innere
Gefuͤhl noch rauh und ungebauet war,
und wiederum andere, da die Vernunft
mehrere Kraft bekommen, und das Ge-
fuͤhl der Menſchen zaͤrtlicher und der Ge-
ſchmack feiner geworden.

§. 38.

Es iſt unter den Gelehrten ein Zwie-Warum
Chriſtus zu
den Zeiten
des Augu-
ſtus in die
Welt kom-
men.

ſpalt, ob Chriſtus aus der Urſache eben zu
der Zeit, da er erſchienen, die Welt be-
treten und zu erleuchten angefangen, weil
ſie damahls in den aͤuſſerſten und groͤßten

Verfall
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0113" n="93"/>
jenes Schattenwerk unno&#x0364;thig, da das<lb/>
Abgebildete &#x017F;elber da war. Es war auch<lb/>
nicht mehr no&#x0364;thig durch &#x017F;o &#x017F;ehr viel Sinn-<lb/>
liches die Verehrung Gottes zu befo&#x0364;rdern,<lb/>
als in dem er&#x017F;ten kindi&#x017F;chen Alter der Welt<lb/>
ge&#x017F;chehen mußte. Er war die Vernunft<lb/>
durch allerhand Mittel und Fu&#x0364;gungen<lb/>
Gottes zu einer gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Erleuchtung ge-<lb/>
langet, und man konnte nunmehr ohne<lb/>
&#x017F;olchen Um&#x017F;chweif mehr auf das Jnnere<lb/>
und We&#x017F;entliche des Gottesdien&#x017F;tes drin-<lb/>
gen. Wir begreifen al&#x017F;o die wichtig&#x017F;ten<lb/>
Ur&#x017F;achen, warum der wei&#x017F;e&#x017F;te Gott nicht<lb/>
immer einerley Religions-An&#x017F;talten auf<lb/>
dem Erdboden gemacht, &#x017F;ondern darinne<lb/>
nach den vera&#x0364;nderlichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden der<lb/>
Welt Aenderungen beliebet. Er machte<lb/>
andere Einrichtungen, da der Ver&#x017F;tand<lb/>
der Men&#x017F;chen in Ab&#x017F;icht auf go&#x0364;ttliche Din-<lb/>
ge noch in der Kindheit, und das innere<lb/>
Gefu&#x0364;hl noch rauh und ungebauet war,<lb/>
und wiederum andere, da die Vernunft<lb/>
mehrere Kraft bekommen, und das Ge-<lb/>
fu&#x0364;hl der Men&#x017F;chen za&#x0364;rtlicher und der Ge-<lb/>
&#x017F;chmack feiner geworden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 38.</head><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t unter den Gelehrten ein Zwie-<note place="right">Warum<lb/>
Chri&#x017F;tus zu<lb/>
den Zeiten<lb/>
des Augu-<lb/>
&#x017F;tus in die<lb/>
Welt kom-<lb/>
men.</note><lb/>
&#x017F;palt, ob Chri&#x017F;tus aus der Ur&#x017F;ache eben zu<lb/>
der Zeit, da er er&#x017F;chienen, die Welt be-<lb/>
treten und zu erleuchten angefangen, weil<lb/>
&#x017F;ie damahls in den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten und gro&#x0364;ßten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Verfall</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0113] jenes Schattenwerk unnoͤthig, da das Abgebildete ſelber da war. Es war auch nicht mehr noͤthig durch ſo ſehr viel Sinn- liches die Verehrung Gottes zu befoͤrdern, als in dem erſten kindiſchen Alter der Welt geſchehen mußte. Er war die Vernunft durch allerhand Mittel und Fuͤgungen Gottes zu einer groͤſſern Erleuchtung ge- langet, und man konnte nunmehr ohne ſolchen Umſchweif mehr auf das Jnnere und Weſentliche des Gottesdienſtes drin- gen. Wir begreifen alſo die wichtigſten Urſachen, warum der weiſeſte Gott nicht immer einerley Religions-Anſtalten auf dem Erdboden gemacht, ſondern darinne nach den veraͤnderlichen Umſtaͤnden der Welt Aenderungen beliebet. Er machte andere Einrichtungen, da der Verſtand der Menſchen in Abſicht auf goͤttliche Din- ge noch in der Kindheit, und das innere Gefuͤhl noch rauh und ungebauet war, und wiederum andere, da die Vernunft mehrere Kraft bekommen, und das Ge- fuͤhl der Menſchen zaͤrtlicher und der Ge- ſchmack feiner geworden. §. 38. Es iſt unter den Gelehrten ein Zwie- ſpalt, ob Chriſtus aus der Urſache eben zu der Zeit, da er erſchienen, die Welt be- treten und zu erleuchten angefangen, weil ſie damahls in den aͤuſſerſten und groͤßten Verfall Warum Chriſtus zu den Zeiten des Augu- ſtus in die Welt kom- men.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/113
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/113>, abgerufen am 24.11.2024.