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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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tere Folgen geblieben. Er hätte ganz ge-
wiß die stärksten und nachtheiligsten Wir-
kungen gehabt. Man stelle sich alle Um-
stände vor, in welchen der Heiland war,
da man ihn gekreuziget und da es schien,
als wenn gar keine Hülfe für ihn übrig
wäre. Hätte er mit eins seine Kräfte ge-
zeigt und die Macht bewiesen, die er wirk-
lich besaß; hätte er seine Bande zerrissen
und sein Kreuz zerschmettert; wären die
Kriegesknechte und die Mörder zerstreuet
und zu Boden geschlagen; wären die Wun-
den an seinem Leibe auf einmal heil wor-
den. - - - Mein Gott! welche Bewe-
gungen würden nicht alsdenn entstanden
seyn? Wenige Augenblicke waren genug,
Schrecken und Freude, Furcht und Froh-
locken bey den Zuschauern wechselsweise
hervorzubringen. Jhre Bestürzung wür-
de sich so fort in Aufruhr und ihre Beschä-
mung in eine halsstarrige Empörung ver-
wandelt haben. Die erste Wirksamkeit
und Aeusserung ihres Glaubens wäre ohne
Zweifel diese gewesen. Man hätte den
Heiland zum Könige gekrönet, die Waffen
ergriffen, den Römern Schoß, Steuer
und Gehorsam aufgekündigt, die größten
Grausamkeiten verübt und sich versichert
gehalten, der neue Monarche werde seinem
Eigenthume allen Schutz und allen mögli-
chen Beystand leisten. Nun wollte Chri-
stus sein Reich nicht durchs Schwerdt aus-

gebrei-
J 2

tere Folgen geblieben. Er haͤtte ganz ge-
wiß die ſtaͤrkſten und nachtheiligſten Wir-
kungen gehabt. Man ſtelle ſich alle Um-
ſtaͤnde vor, in welchen der Heiland war,
da man ihn gekreuziget und da es ſchien,
als wenn gar keine Huͤlfe fuͤr ihn uͤbrig
waͤre. Haͤtte er mit eins ſeine Kraͤfte ge-
zeigt und die Macht bewieſen, die er wirk-
lich beſaß; haͤtte er ſeine Bande zerriſſen
und ſein Kreuz zerſchmettert; waͤren die
Kriegesknechte und die Moͤrder zerſtreuet
und zu Boden geſchlagen; waͤren die Wun-
den an ſeinem Leibe auf einmal heil wor-
den. ‒ ‒ ‒ Mein Gott! welche Bewe-
gungen wuͤrden nicht alsdenn entſtanden
ſeyn? Wenige Augenblicke waren genug,
Schrecken und Freude, Furcht und Froh-
locken bey den Zuſchauern wechſelsweiſe
hervorzubringen. Jhre Beſtuͤrzung wuͤr-
de ſich ſo fort in Aufruhr und ihre Beſchaͤ-
mung in eine halsſtarrige Empoͤrung ver-
wandelt haben. Die erſte Wirkſamkeit
und Aeuſſerung ihres Glaubens waͤre ohne
Zweifel dieſe geweſen. Man haͤtte den
Heiland zum Koͤnige gekroͤnet, die Waffen
ergriffen, den Roͤmern Schoß, Steuer
und Gehorſam aufgekuͤndigt, die groͤßten
Grauſamkeiten veruͤbt und ſich verſichert
gehalten, der neue Monarche werde ſeinem
Eigenthume allen Schutz und allen moͤgli-
chen Beyſtand leiſten. Nun wollte Chri-
ſtus ſein Reich nicht durchs Schwerdt aus-

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J 2
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[131/0151] tere Folgen geblieben. Er haͤtte ganz ge- wiß die ſtaͤrkſten und nachtheiligſten Wir- kungen gehabt. Man ſtelle ſich alle Um- ſtaͤnde vor, in welchen der Heiland war, da man ihn gekreuziget und da es ſchien, als wenn gar keine Huͤlfe fuͤr ihn uͤbrig waͤre. Haͤtte er mit eins ſeine Kraͤfte ge- zeigt und die Macht bewieſen, die er wirk- lich beſaß; haͤtte er ſeine Bande zerriſſen und ſein Kreuz zerſchmettert; waͤren die Kriegesknechte und die Moͤrder zerſtreuet und zu Boden geſchlagen; waͤren die Wun- den an ſeinem Leibe auf einmal heil wor- den. ‒ ‒ ‒ Mein Gott! welche Bewe- gungen wuͤrden nicht alsdenn entſtanden ſeyn? Wenige Augenblicke waren genug, Schrecken und Freude, Furcht und Froh- locken bey den Zuſchauern wechſelsweiſe hervorzubringen. Jhre Beſtuͤrzung wuͤr- de ſich ſo fort in Aufruhr und ihre Beſchaͤ- mung in eine halsſtarrige Empoͤrung ver- wandelt haben. Die erſte Wirkſamkeit und Aeuſſerung ihres Glaubens waͤre ohne Zweifel dieſe geweſen. Man haͤtte den Heiland zum Koͤnige gekroͤnet, die Waffen ergriffen, den Roͤmern Schoß, Steuer und Gehorſam aufgekuͤndigt, die groͤßten Grauſamkeiten veruͤbt und ſich verſichert gehalten, der neue Monarche werde ſeinem Eigenthume allen Schutz und allen moͤgli- chen Beyſtand leiſten. Nun wollte Chri- ſtus ſein Reich nicht durchs Schwerdt aus- gebrei- J 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/151>, abgerufen am 22.11.2024.