ret, können uns hier gar nicht mehr vor- geworfen werden. Wir wissen ja, daß die Kriegsknechte in dem völligen Besitze des größten Rechtes zu seyn vermeynet, wenn sie nur das harte Urtheil an dem Hei- lande vollzögen, welches ihre Obern gefäl- let hatten. Was war es mehr? als ein blosses Gespötte, daß sie ihm zuriefen: Bist du der Jüden König, so hilf dir selber, Luc. C. 23. v. 36. Haben sie ihm vielleicht jemals zu ihrem Könige verlangt? oder war es ihnen auch erlaubt, ausser dem Kaiser keinen andern Landsherrn zu begehren? Blieb nicht vielmehr ihre Zusa- ge zurück, daß sie mit den Juden gemein- schaftliche Sachen machen und seine Par- they ergreifen wollten, wenn sich Christus selbst helfen und aus ihren Händen erret- ten würde? Den Römern konnte es frey- lich nicht ganz unbekannt seyn, daß das Jüdische Volk mit der Ankunft ihres Mes- sias zugleich einer neuen Monarchie entge- gen sähe *). Haben dieses aber auch die-
jenigen
*)Tacitus berichtet List. L. V. c. 13. daß diese Hoffnung in den Jüdischen Schriften zwar gegründet gewesen; er erkläret sie aber von dem Kaiser Vespasianus und des- sen Sohne Titus. Daher urtheilet er so: Pluribus persuasio inerat, antiquis sacerdo- cum litteris contineri, eo ipso tempore fore, ut valesceret oriens profectique Judaeo re- rum potirentur. Quae ambages Vespasia-
num
ret, koͤnnen uns hier gar nicht mehr vor- geworfen werden. Wir wiſſen ja, daß die Kriegsknechte in dem voͤlligen Beſitze des groͤßten Rechtes zu ſeyn vermeynet, wenn ſie nur das harte Urtheil an dem Hei- lande vollzoͤgen, welches ihre Obern gefaͤl- let hatten. Was war es mehr? als ein bloſſes Geſpoͤtte, daß ſie ihm zuriefen: Biſt du der Juͤden Koͤnig, ſo hilf dir ſelber, Luc. C. 23. v. 36. Haben ſie ihm vielleicht jemals zu ihrem Koͤnige verlangt? oder war es ihnen auch erlaubt, auſſer dem Kaiſer keinen andern Landsherrn zu begehren? Blieb nicht vielmehr ihre Zuſa- ge zuruͤck, daß ſie mit den Juden gemein- ſchaftliche Sachen machen und ſeine Par- they ergreifen wollten, wenn ſich Chriſtus ſelbſt helfen und aus ihren Haͤnden erret- ten wuͤrde? Den Roͤmern konnte es frey- lich nicht ganz unbekannt ſeyn, daß das Juͤdiſche Volk mit der Ankunft ihres Meſ- ſias zugleich einer neuen Monarchie entge- gen ſaͤhe *). Haben dieſes aber auch die-
jenigen
*)Tacitus berichtet Liſt. L. V. c. 13. daß dieſe Hoffnung in den Juͤdiſchen Schriften zwar gegruͤndet geweſen; er erklaͤret ſie aber von dem Kaiſer Veſpaſianus und deſ- ſen Sohne Titus. Daher urtheilet er ſo: Pluribus perſuaſio inerat, antiquis ſacerdo- cum litteris contineri, eo ipſo tempore fore, ut valeſceret oriens profectique Judaeo re- rum potirentur. Quae ambages Veſpaſia-
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ret, koͤnnen uns hier gar nicht mehr vor-
geworfen werden. Wir wiſſen ja, daß
die Kriegsknechte in dem voͤlligen Beſitze
des groͤßten Rechtes zu ſeyn vermeynet,
wenn ſie nur das harte Urtheil an dem Hei-
lande vollzoͤgen, welches ihre Obern gefaͤl-
let hatten. Was war es mehr? als ein
bloſſes Geſpoͤtte, daß ſie ihm zuriefen:
Biſt du der Juͤden Koͤnig, ſo hilf dir
ſelber, Luc. C. 23. v. 36. Haben ſie ihm
vielleicht jemals zu ihrem Koͤnige verlangt?
oder war es ihnen auch erlaubt, auſſer
dem Kaiſer keinen andern Landsherrn zu
begehren? Blieb nicht vielmehr ihre Zuſa-
ge zuruͤck, daß ſie mit den Juden gemein-
ſchaftliche Sachen machen und ſeine Par-
they ergreifen wollten, wenn ſich Chriſtus
ſelbſt helfen und aus ihren Haͤnden erret-
ten wuͤrde? Den Roͤmern konnte es frey-
lich nicht ganz unbekannt ſeyn, daß das
Juͤdiſche Volk mit der Ankunft ihres Meſ-
ſias zugleich einer neuen Monarchie entge-
gen ſaͤhe *). Haben dieſes aber auch die-
jenigen
*) Tacitus berichtet Liſt. L. V. c. 13. daß
dieſe Hoffnung in den Juͤdiſchen Schriften
zwar gegruͤndet geweſen; er erklaͤret ſie
aber von dem Kaiſer Veſpaſianus und deſ-
ſen Sohne Titus. Daher urtheilet er ſo:
Pluribus perſuaſio inerat, antiquis ſacerdo-
cum litteris contineri, eo ipſo tempore fore,
ut valeſceret oriens profectique Judaeo re-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/159>, abgerufen am 27.07.2024.
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