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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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nicht sehe auf eine ungewisse Hülfe, die ein
Ehegatte dem andern leisten solle, sondern
auf eine solche Hülfe, die einer von dem
andern sich gewiß versprechen könne, wenn
er auch von andern Menschen ganz verlas-
sen würde. Wir halten derowegen die
gewisse Hülfe, die ein Ehegatte von dem
andern hoffen soll, für eine weise Absicht
Gottes, warum er gewollt, daß das eheli-
che Band untrennbar seyn solle. Hätte
der gütige Schöpfer erlaubet, daß sich
Ehegatten nach ihrem Gefallen trennen
könnten, so hätte der Mensch gar nieman-
den, auf welchen er sich in zweifelhaften
Fällen, da er von aller andern Hülfe ent-
blösset ist, einigermassen verlassen könnte.
Und weil diese Hülfe durch eine recht zärt-
liche Liebe am gewissesten wird, so hat der
Herr gewollt, daß die eheliche Liebe die Lie-
be der Kinder gegen die Eltern noch über-
treffen soll. 1 B. Mos. Cap. 2. v. 24. Eine
solche Liebe aber kann wol nicht recht Wur-
zel fassen, wo man fürchten muß, daß ei-
ner dem andern die Liebe aufsage. Wo
die Trennung der Ehe erlaubet ist, da fin-
den sich ungemein viele Dinge, welche ei-
ne so zärtliche Liebe hemmen. Es herrschet
daselbst eine solche Furcht, welche ein recht
festes Vertrauen zu einander aufhebet.
Trauet aber eines dem andern nicht, so
macht man schon solche Vorkehrungen,
welche, wenn sie sich entdecken, die Liebe

in
R 2

nicht ſehe auf eine ungewiſſe Huͤlfe, die ein
Ehegatte dem andern leiſten ſolle, ſondern
auf eine ſolche Huͤlfe, die einer von dem
andern ſich gewiß verſprechen koͤnne, wenn
er auch von andern Menſchen ganz verlaſ-
ſen wuͤrde. Wir halten derowegen die
gewiſſe Huͤlfe, die ein Ehegatte von dem
andern hoffen ſoll, fuͤr eine weiſe Abſicht
Gottes, warum er gewollt, daß das eheli-
che Band untrennbar ſeyn ſolle. Haͤtte
der guͤtige Schoͤpfer erlaubet, daß ſich
Ehegatten nach ihrem Gefallen trennen
koͤnnten, ſo haͤtte der Menſch gar nieman-
den, auf welchen er ſich in zweifelhaften
Faͤllen, da er von aller andern Huͤlfe ent-
bloͤſſet iſt, einigermaſſen verlaſſen koͤnnte.
Und weil dieſe Huͤlfe durch eine recht zaͤrt-
liche Liebe am gewiſſeſten wird, ſo hat der
Herr gewollt, daß die eheliche Liebe die Lie-
be der Kinder gegen die Eltern noch uͤber-
treffen ſoll. 1 B. Moſ. Cap. 2. v. 24. Eine
ſolche Liebe aber kann wol nicht recht Wur-
zel faſſen, wo man fuͤrchten muß, daß ei-
ner dem andern die Liebe aufſage. Wo
die Trennung der Ehe erlaubet iſt, da fin-
den ſich ungemein viele Dinge, welche ei-
ne ſo zaͤrtliche Liebe hemmen. Es herrſchet
daſelbſt eine ſolche Furcht, welche ein recht
feſtes Vertrauen zu einander aufhebet.
Trauet aber eines dem andern nicht, ſo
macht man ſchon ſolche Vorkehrungen,
welche, wenn ſie ſich entdecken, die Liebe

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[259/0279] nicht ſehe auf eine ungewiſſe Huͤlfe, die ein Ehegatte dem andern leiſten ſolle, ſondern auf eine ſolche Huͤlfe, die einer von dem andern ſich gewiß verſprechen koͤnne, wenn er auch von andern Menſchen ganz verlaſ- ſen wuͤrde. Wir halten derowegen die gewiſſe Huͤlfe, die ein Ehegatte von dem andern hoffen ſoll, fuͤr eine weiſe Abſicht Gottes, warum er gewollt, daß das eheli- che Band untrennbar ſeyn ſolle. Haͤtte der guͤtige Schoͤpfer erlaubet, daß ſich Ehegatten nach ihrem Gefallen trennen koͤnnten, ſo haͤtte der Menſch gar nieman- den, auf welchen er ſich in zweifelhaften Faͤllen, da er von aller andern Huͤlfe ent- bloͤſſet iſt, einigermaſſen verlaſſen koͤnnte. Und weil dieſe Huͤlfe durch eine recht zaͤrt- liche Liebe am gewiſſeſten wird, ſo hat der Herr gewollt, daß die eheliche Liebe die Lie- be der Kinder gegen die Eltern noch uͤber- treffen ſoll. 1 B. Moſ. Cap. 2. v. 24. Eine ſolche Liebe aber kann wol nicht recht Wur- zel faſſen, wo man fuͤrchten muß, daß ei- ner dem andern die Liebe aufſage. Wo die Trennung der Ehe erlaubet iſt, da fin- den ſich ungemein viele Dinge, welche ei- ne ſo zaͤrtliche Liebe hemmen. Es herrſchet daſelbſt eine ſolche Furcht, welche ein recht feſtes Vertrauen zu einander aufhebet. Trauet aber eines dem andern nicht, ſo macht man ſchon ſolche Vorkehrungen, welche, wenn ſie ſich entdecken, die Liebe in R 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/279>, abgerufen am 22.11.2024.