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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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Gott ist. Und nun ich sie gefüllet ha-
be, treiben sie Ehebruch, und laufen

ins
dem Worte zu finden, womit in eben dieser
Stelle die Huren und Hurer bezeichnet wer-
den. Es heissen selbige Kedescha und Kadesch.
Diese Worte haben eine Aehnlichkeit mit dem
Worte Kadasch, welches heiligen bedeutet.
Daher macht man den Schluß, daß jene Wor-
te Huren und Hurer bezeichnen, die einer
Gottheit zu Ehren ihren Leib gemein gemacht.
Allein wie viele Wörter hat man in allen
Sprachen, welche eine Aehnlichkeit der Buch-
staben und des Schalles haben, und doch ganz
unähnliche Sachen bedeuten. Ja eben diesel-
ben Worte haben zu Zeiten Bedeutungen, die
einander ganz entgegen stehen. Mit dem Wort
Barach bezeichnen die Hebräer Seegnen und
Fluchen. Zu Moses Zeiten muß wenigstens
das Wort Kedescha überhaupt eine Hure und
nicht eben eine solche, die zum Dienste einer
Gottheit Unzucht getrieben, bedeutet haben.
Denn Moses leget dieses Wort dem Bothen
des Juda und den Leuten, mit welchen er von
der Thamar redet, in den Mund. 1 B. Mos.
Cap. 38. v. 21. 22. Sie nennen selbige eine
Kedescha, da im Vorhergehenden v. 15. das
Wort Sonah, welches eine jede Hure bedeutet,
von ihr gebrauchet worden. Hat man auch
den geringsten Grund der Wahrscheinlichkeit
vor sich, daß Moses geglaubet, daß die Tha-
mar für eine Hure gehalten worden, die ihren
Leib zum Dienste einer Gottheit gemein ge-
macht? Gesetzt aber, es wäre eine so scheusli-
che Gewohnheit schon zu den Zeiten Moses
und vorher bekannt gewesen, so ist doch noch
zu untersuchen, ob Gott bey obigem Gesetz
wider

Gott iſt. Und nun ich ſie gefuͤllet ha-
be, treiben ſie Ehebruch, und laufen

ins
dem Worte zu finden, womit in eben dieſer
Stelle die Huren und Hurer bezeichnet wer-
den. Es heiſſen ſelbige Kedeſcha und Kadeſch.
Dieſe Worte haben eine Aehnlichkeit mit dem
Worte Kadaſch, welches heiligen bedeutet.
Daher macht man den Schluß, daß jene Wor-
te Huren und Hurer bezeichnen, die einer
Gottheit zu Ehren ihren Leib gemein gemacht.
Allein wie viele Woͤrter hat man in allen
Sprachen, welche eine Aehnlichkeit der Buch-
ſtaben und des Schalles haben, und doch ganz
unaͤhnliche Sachen bedeuten. Ja eben dieſel-
ben Worte haben zu Zeiten Bedeutungen, die
einander ganz entgegen ſtehen. Mit dem Wort
Barach bezeichnen die Hebraͤer Seegnen und
Fluchen. Zu Moſes Zeiten muß wenigſtens
das Wort Kedeſcha uͤberhaupt eine Hure und
nicht eben eine ſolche, die zum Dienſte einer
Gottheit Unzucht getrieben, bedeutet haben.
Denn Moſes leget dieſes Wort dem Bothen
des Juda und den Leuten, mit welchen er von
der Thamar redet, in den Mund. 1 B. Moſ.
Cap. 38. v. 21. 22. Sie nennen ſelbige eine
Kedeſcha, da im Vorhergehenden v. 15. das
Wort Sonah, welches eine jede Hure bedeutet,
von ihr gebrauchet worden. Hat man auch
den geringſten Grund der Wahrſcheinlichkeit
vor ſich, daß Moſes geglaubet, daß die Tha-
mar fuͤr eine Hure gehalten worden, die ihren
Leib zum Dienſte einer Gottheit gemein ge-
macht? Geſetzt aber, es waͤre eine ſo ſcheusli-
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[272/0292] Gott iſt. Und nun ich ſie gefuͤllet ha- be, treiben ſie Ehebruch, und laufen ins **) **) dem Worte zu finden, womit in eben dieſer Stelle die Huren und Hurer bezeichnet wer- den. Es heiſſen ſelbige Kedeſcha und Kadeſch. Dieſe Worte haben eine Aehnlichkeit mit dem Worte Kadaſch, welches heiligen bedeutet. Daher macht man den Schluß, daß jene Wor- te Huren und Hurer bezeichnen, die einer Gottheit zu Ehren ihren Leib gemein gemacht. Allein wie viele Woͤrter hat man in allen Sprachen, welche eine Aehnlichkeit der Buch- ſtaben und des Schalles haben, und doch ganz unaͤhnliche Sachen bedeuten. Ja eben dieſel- ben Worte haben zu Zeiten Bedeutungen, die einander ganz entgegen ſtehen. Mit dem Wort Barach bezeichnen die Hebraͤer Seegnen und Fluchen. Zu Moſes Zeiten muß wenigſtens das Wort Kedeſcha uͤberhaupt eine Hure und nicht eben eine ſolche, die zum Dienſte einer Gottheit Unzucht getrieben, bedeutet haben. Denn Moſes leget dieſes Wort dem Bothen des Juda und den Leuten, mit welchen er von der Thamar redet, in den Mund. 1 B. Moſ. Cap. 38. v. 21. 22. Sie nennen ſelbige eine Kedeſcha, da im Vorhergehenden v. 15. das Wort Sonah, welches eine jede Hure bedeutet, von ihr gebrauchet worden. Hat man auch den geringſten Grund der Wahrſcheinlichkeit vor ſich, daß Moſes geglaubet, daß die Tha- mar fuͤr eine Hure gehalten worden, die ihren Leib zum Dienſte einer Gottheit gemein ge- macht? Geſetzt aber, es waͤre eine ſo ſcheusli- che Gewohnheit ſchon zu den Zeiten Moſes und vorher bekannt geweſen, ſo iſt doch noch zu unterſuchen, ob Gott bey obigem Geſetz wider

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/292>, abgerufen am 22.11.2024.