welche durch eine verursachte Ehescheidung und eine anderweitige Heirath zweene Män- ner zugleich am Leben gehabt, und andere meynen, daß auch eine zwote Heirath nach des ersten Mannes Tode zu diesem Amte untüchtig gemacht habe. Will man Ge- setze recht verstehen, und ihre wahre Absicht erreichen, muß man sich genau von den Umständen der Zeit und des Ortes unter- richten, da sie sind gegeben worden. Es war aber damals in denen Gegenden, wo sich das Christenthum ausbreitete, die Vielweiberey entweder gar nicht, oder doch gar selten. Denn erstlich hatten diejenigen nur Eine Frau, welche nach Römischen Gesetzen lebten. Zweytens war die leicht- sinnige Scheidung so gemein worden, daß die Männer nicht nur die Frauen von sich schieden, sondern auch die Frauen ganz häufig ihre Männer verliessen. Wo aber dieses Laster eingerissen ist, da fällt die Vielweiberey von selber, wenigstens größ- tentheils hinweg. Denn so wol Mann als Frau werden sich lieber scheiden, als die grossen Unbequemlichkeiten ertragen, wel- che die Vielweiberey mit sich führet, und nothwendig aus der dem Menschen so na- türlichen Eifersucht vornehmlich entsprin- gen. Drittens hat die Vielweiberey, auch an den Orten, wo sie gewöhnlich ist, nur bey vornehmen und begüterten Personen statt, den übrigen untersaget sie sich von
selbsten,
welche durch eine verurſachte Eheſcheidung und eine anderweitige Heirath zweene Maͤn- ner zugleich am Leben gehabt, und andere meynen, daß auch eine zwote Heirath nach des erſten Mannes Tode zu dieſem Amte untuͤchtig gemacht habe. Will man Ge- ſetze recht verſtehen, und ihre wahre Abſicht erreichen, muß man ſich genau von den Umſtaͤnden der Zeit und des Ortes unter- richten, da ſie ſind gegeben worden. Es war aber damals in denen Gegenden, wo ſich das Chriſtenthum ausbreitete, die Vielweiberey entweder gar nicht, oder doch gar ſelten. Denn erſtlich hatten diejenigen nur Eine Frau, welche nach Roͤmiſchen Geſetzen lebten. Zweytens war die leicht- ſinnige Scheidung ſo gemein worden, daß die Maͤnner nicht nur die Frauen von ſich ſchieden, ſondern auch die Frauen ganz haͤufig ihre Maͤnner verlieſſen. Wo aber dieſes Laſter eingeriſſen iſt, da faͤllt die Vielweiberey von ſelber, wenigſtens groͤß- tentheils hinweg. Denn ſo wol Mann als Frau werden ſich lieber ſcheiden, als die groſſen Unbequemlichkeiten ertragen, wel- che die Vielweiberey mit ſich fuͤhret, und nothwendig aus der dem Menſchen ſo na- tuͤrlichen Eiferſucht vornehmlich entſprin- gen. Drittens hat die Vielweiberey, auch an den Orten, wo ſie gewoͤhnlich iſt, nur bey vornehmen und beguͤterten Perſonen ſtatt, den uͤbrigen unterſaget ſie ſich von
ſelbſten,
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welche durch eine verurſachte Eheſcheidung
und eine anderweitige Heirath zweene Maͤn-
ner zugleich am Leben gehabt, und andere
meynen, daß auch eine zwote Heirath nach
des erſten Mannes Tode zu dieſem Amte
untuͤchtig gemacht habe. Will man Ge-
ſetze recht verſtehen, und ihre wahre Abſicht
erreichen, muß man ſich genau von den
Umſtaͤnden der Zeit und des Ortes unter-
richten, da ſie ſind gegeben worden. Es
war aber damals in denen Gegenden, wo
ſich das Chriſtenthum ausbreitete, die
Vielweiberey entweder gar nicht, oder doch
gar ſelten. Denn erſtlich hatten diejenigen
nur Eine Frau, welche nach Roͤmiſchen
Geſetzen lebten. Zweytens war die leicht-
ſinnige Scheidung ſo gemein worden, daß
die Maͤnner nicht nur die Frauen von ſich
ſchieden, ſondern auch die Frauen ganz
haͤufig ihre Maͤnner verlieſſen. Wo aber
dieſes Laſter eingeriſſen iſt, da faͤllt die
Vielweiberey von ſelber, wenigſtens groͤß-
tentheils hinweg. Denn ſo wol Mann als
Frau werden ſich lieber ſcheiden, als die
groſſen Unbequemlichkeiten ertragen, wel-
che die Vielweiberey mit ſich fuͤhret, und
nothwendig aus der dem Menſchen ſo na-
tuͤrlichen Eiferſucht vornehmlich entſprin-
gen. Drittens hat die Vielweiberey, auch
an den Orten, wo ſie gewoͤhnlich iſt, nur
bey vornehmen und beguͤterten Perſonen
ſtatt, den uͤbrigen unterſaget ſie ſich von
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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