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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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§. 9.
Es rühret
solches von
gewissen
Empfin-
dungen her.

Was fast allgemein und gleichförmig
unter allen Völkern, dasselbe getraue ich
mich nicht aus Ueberlegungen der Vernunft
herzuleiten, denn selbige bringen nirgends
eine solche Einförmigkeit von Gewohnhei-
ten zuwege, sondern meine Vermuthung
fällt alsdenn allezeit auf ein natürliches
Gefühl und Empfindungen, die eine solche
Allgemeinheit verursachen, wenn ich diese
Empfindungen auch gleich nicht deutlich
angeben kann. Jch kann das Gefühl und
den Trieb nicht angeben, welcher die Bie-
nen bewegt, sechseckigte Zellen und zwar
keine zwey Zellen, auf beyden Seiten einer
Scheibe, gerade über einander zu bauen,
indessen muß dergleichen doch wol vorhan-
den seyn. Es ist mir daher auch höchst
wahrscheinlich, daß ein gewisses Gefühl,
gewisse Empfindungen, diese fast allgemei-
ne Gewohnheit unter die Völker gebracht,
daß leibliche Eltern und Kinder sich nicht
mit einander vermischen *). Ja ich er-
achte es wahrscheinlich zu seyn, daß auch

ein
*) Man bemerke sehr wol, ich bestimme gar
nicht, wie die Empfindungen, so ich hier
annehme, entstehen, und von was für Art
sie seyn. Jch glaube nur, daß dergleichen
vorhanden, und bey allen sich äussern, die
nicht alle zärtlichen Triebe der Menschheit un-
terdrückt haben.
§. 9.
Es ruͤhret
ſolches von
gewiſſen
Empfin-
dungen her.

Was faſt allgemein und gleichfoͤrmig
unter allen Voͤlkern, daſſelbe getraue ich
mich nicht aus Ueberlegungen der Vernunft
herzuleiten, denn ſelbige bringen nirgends
eine ſolche Einfoͤrmigkeit von Gewohnhei-
ten zuwege, ſondern meine Vermuthung
faͤllt alsdenn allezeit auf ein natuͤrliches
Gefuͤhl und Empfindungen, die eine ſolche
Allgemeinheit verurſachen, wenn ich dieſe
Empfindungen auch gleich nicht deutlich
angeben kann. Jch kann das Gefuͤhl und
den Trieb nicht angeben, welcher die Bie-
nen bewegt, ſechseckigte Zellen und zwar
keine zwey Zellen, auf beyden Seiten einer
Scheibe, gerade uͤber einander zu bauen,
indeſſen muß dergleichen doch wol vorhan-
den ſeyn. Es iſt mir daher auch hoͤchſt
wahrſcheinlich, daß ein gewiſſes Gefuͤhl,
gewiſſe Empfindungen, dieſe faſt allgemei-
ne Gewohnheit unter die Voͤlker gebracht,
daß leibliche Eltern und Kinder ſich nicht
mit einander vermiſchen *). Ja ich er-
achte es wahrſcheinlich zu ſeyn, daß auch

ein
*) Man bemerke ſehr wol, ich beſtimme gar
nicht, wie die Empfindungen, ſo ich hier
annehme, entſtehen, und von was fuͤr Art
ſie ſeyn. Jch glaube nur, daß dergleichen
vorhanden, und bey allen ſich aͤuſſern, die
nicht alle zaͤrtlichen Triebe der Menſchheit un-
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[352/0372] §. 9. Was faſt allgemein und gleichfoͤrmig unter allen Voͤlkern, daſſelbe getraue ich mich nicht aus Ueberlegungen der Vernunft herzuleiten, denn ſelbige bringen nirgends eine ſolche Einfoͤrmigkeit von Gewohnhei- ten zuwege, ſondern meine Vermuthung faͤllt alsdenn allezeit auf ein natuͤrliches Gefuͤhl und Empfindungen, die eine ſolche Allgemeinheit verurſachen, wenn ich dieſe Empfindungen auch gleich nicht deutlich angeben kann. Jch kann das Gefuͤhl und den Trieb nicht angeben, welcher die Bie- nen bewegt, ſechseckigte Zellen und zwar keine zwey Zellen, auf beyden Seiten einer Scheibe, gerade uͤber einander zu bauen, indeſſen muß dergleichen doch wol vorhan- den ſeyn. Es iſt mir daher auch hoͤchſt wahrſcheinlich, daß ein gewiſſes Gefuͤhl, gewiſſe Empfindungen, dieſe faſt allgemei- ne Gewohnheit unter die Voͤlker gebracht, daß leibliche Eltern und Kinder ſich nicht mit einander vermiſchen *). Ja ich er- achte es wahrſcheinlich zu ſeyn, daß auch ein *) Man bemerke ſehr wol, ich beſtimme gar nicht, wie die Empfindungen, ſo ich hier annehme, entſtehen, und von was fuͤr Art ſie ſeyn. Jch glaube nur, daß dergleichen vorhanden, und bey allen ſich aͤuſſern, die nicht alle zaͤrtlichen Triebe der Menſchheit un- terdruͤckt haben.

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/372>, abgerufen am 25.11.2024.