sten sey, den strengesten Sinn anzuneh- men. Jch bin selber dieser Meynung eine Zeitlang ergeben gewesen. Folgende Gründe aber haben mich davon abgebracht, und ich bin anjetzt der Gedanken, daß es eben so vermessen, gefährlich und nachthei- lig sey, in der Sittenlehre zu streng, als zu gelinde zu seyn. Dehne ich die Gesetze Gottes weiter aus, und setze der mensch- lichen Freyheit engere Schranken, als Gott selber; so mache ich mich zu einem Gesetzgeber und Befehlshaber über meine Brüder, und wer hat mich dazu erhoben? Jch mache den Weg zum Leben schwerer, und bürde dem Gewissen ein hartes Joch auf, und kann leicht verursachen, daß man anfänget, das Christenthum für unmög- lich zu halten, und durch wahre Gesetze desselben hindurchzubrechen, und man kann durch eine gar zu grosse Einschrän- kung des Gewissens so gut Seelen zur Hölle führen, als durch eine gar zu grosse Gelindigkeit. Gott will derowegen auch ganz und gar nicht, ja er hat es auf das nachdrücklichste untersaget, daß jemanden über gleichgültige Sachen ein Gewissen gemacht werden solle. Apost. Gesch. C. 15. v. 10. Col. C. 2. v. 16. Röm. C. 14. v. 3. 4. 5. Unser göttlicher Erlöser war dergestalt für die gelindere Erklärung der göttlichen Gesetze, daß sich nicht nur die
Pha-
ſten ſey, den ſtrengeſten Sinn anzuneh- men. Jch bin ſelber dieſer Meynung eine Zeitlang ergeben geweſen. Folgende Gruͤnde aber haben mich davon abgebracht, und ich bin anjetzt der Gedanken, daß es eben ſo vermeſſen, gefaͤhrlich und nachthei- lig ſey, in der Sittenlehre zu ſtreng, als zu gelinde zu ſeyn. Dehne ich die Geſetze Gottes weiter aus, und ſetze der menſch- lichen Freyheit engere Schranken, als Gott ſelber; ſo mache ich mich zu einem Geſetzgeber und Befehlshaber uͤber meine Bruͤder, und wer hat mich dazu erhoben? Jch mache den Weg zum Leben ſchwerer, und buͤrde dem Gewiſſen ein hartes Joch auf, und kann leicht verurſachen, daß man anfaͤnget, das Chriſtenthum fuͤr unmoͤg- lich zu halten, und durch wahre Geſetze deſſelben hindurchzubrechen, und man kann durch eine gar zu groſſe Einſchraͤn- kung des Gewiſſens ſo gut Seelen zur Hoͤlle fuͤhren, als durch eine gar zu groſſe Gelindigkeit. Gott will derowegen auch ganz und gar nicht, ja er hat es auf das nachdruͤcklichſte unterſaget, daß jemanden uͤber gleichguͤltige Sachen ein Gewiſſen gemacht werden ſolle. Apoſt. Geſch. C. 15. v. 10. Col. C. 2. v. 16. Roͤm. C. 14. v. 3. 4. 5. Unſer goͤttlicher Erloͤſer war dergeſtalt fuͤr die gelindere Erklaͤrung der goͤttlichen Geſetze, daß ſich nicht nur die
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ſten ſey, den ſtrengeſten Sinn anzuneh-
men. Jch bin ſelber dieſer Meynung eine
Zeitlang ergeben geweſen. Folgende
Gruͤnde aber haben mich davon abgebracht,
und ich bin anjetzt der Gedanken, daß es
eben ſo vermeſſen, gefaͤhrlich und nachthei-
lig ſey, in der Sittenlehre zu ſtreng, als
zu gelinde zu ſeyn. Dehne ich die Geſetze
Gottes weiter aus, und ſetze der menſch-
lichen Freyheit engere Schranken, als
Gott ſelber; ſo mache ich mich zu einem
Geſetzgeber und Befehlshaber uͤber meine
Bruͤder, und wer hat mich dazu erhoben?
Jch mache den Weg zum Leben ſchwerer,
und buͤrde dem Gewiſſen ein hartes Joch
auf, und kann leicht verurſachen, daß man
anfaͤnget, das Chriſtenthum fuͤr unmoͤg-
lich zu halten, und durch wahre Geſetze
deſſelben hindurchzubrechen, und man
kann durch eine gar zu groſſe Einſchraͤn-
kung des Gewiſſens ſo gut Seelen zur
Hoͤlle fuͤhren, als durch eine gar zu groſſe
Gelindigkeit. Gott will derowegen auch
ganz und gar nicht, ja er hat es auf das
nachdruͤcklichſte unterſaget, daß jemanden
uͤber gleichguͤltige Sachen ein Gewiſſen
gemacht werden ſolle. Apoſt. Geſch. C. 15.
v. 10. Col. C. 2. v. 16. Roͤm. C. 14.
v. 3. 4. 5. Unſer goͤttlicher Erloͤſer war
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/408>, abgerufen am 22.11.2024.
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