Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849.zu werden, um dem Muster des Lehrers auch in der Wissenschaft nachzustreben. Er hat seine Schüler nicht bloss geschickt, sondern tüchtig gemacht, und wenn wir die Reihe der Männer überblicken, die aus seiner Schule hervorgegangen Zierden der Wissenschaft geworden sind, wir werden keinen finden, der nicht, wie er, muthig und tapfer für Freiheit und Recht gekämpft hat. Wie hoch Hermann von seinen Schülern auch verehrt wurde, so stand er ihnen doch menschlich nahe. In seiner äusseren Erscheinung schon sprach sich eine anmuthige Freundlichkeit aus, die Jeden gewann, denn man fühlte, sie war herzlich und wahr. Niemand, der bei ihm gehört hat, wird den freundlichen Gruss vergessen, mit dem er die Begrüssung der Zuhörer erwiderte, wenn er durch ihre Reihen raschen Gangs auf das Katheder zuschritt. Wer zu ihm kam, fand bei ihm immer Bereitwilligkeit zu hören und zu helfen, Wohlwollen und Theilnahme für jedes Anliegen, und es zeugt eben so sehr für Hermanns humane Gesinnung als für die Elasticität seines Geistes, dass er, der immer beschäftigt war, jeden Besuch annahm, und im Stande war, mitten aus seiner Arbeit heraus dem Besuchenden volle Theilnahme zu schenken, und, sobald er ihn verlassen, ganz wieder in der Arbeit zu sein. Die Veranlassung, als Schüler ihm näher zu treten, gab meistens die Theilnahme an der von ihm geleiteten Gesellschaft. Gleich im Beginn seiner academischen Thätigkeit kündigte er Uebungen sowohl im Lateinisch Schreiben und Disputieren (1795) als in der Behandlung der alten Schriftsteller an (1796). Sehr bald erwuchs hieraus eine Gesellschaft, welche sich Anfangs die philologische (1801), später die griechische nannte (1805), als welche sie eine über Deutschland hinausreichende Berühmtheit erlangt hat, und in der That die Pflanzschule deutscher Philologie geworden ist. Hier in unmittelbarer Berührung mit den Einzelnen wirkte die Persönlichkeit Hermann's in der ganzen Fülle ihrer Kraft und Liebenswürdigkeit. Er verlangte von den Mitgliedern Anstrengung und Fleiss: sie sollten Etwas leisten, das eigenthümlich und bedeutend sei; deshalb liess er ihnen volle Freiheit sich aus sich selbst zu entwickeln, aber er überwachte sie mit Ernst und Liebe. Nie suchte er ihnen durch Auctorität zu imponieren, die man ihm um so bereitwilliger zugestand, je weniger er sie suchte und gebrauchte. Durch Lebendigkeit, Frische und Reinheit des Gemüthes wie des Geistes auch als Greis noch ein Jüngling hat er stets das Vertrauen und die Liebe der Jugend zu werden, um dem Muster des Lehrers auch in der Wissenschaft nachzustreben. Er hat seine Schüler nicht bloss geschickt, sondern tüchtig gemacht, und wenn wir die Reihe der Männer überblicken, die aus seiner Schule hervorgegangen Zierden der Wissenschaft geworden sind, wir werden keinen finden, der nicht, wie er, muthig und tapfer für Freiheit und Recht gekämpft hat. Wie hoch Hermann von seinen Schülern auch verehrt wurde, so stand er ihnen doch menschlich nahe. In seiner äusseren Erscheinung schon sprach sich eine anmuthige Freundlichkeit aus, die Jeden gewann, denn man fühlte, sie war herzlich und wahr. Niemand, der bei ihm gehört hat, wird den freundlichen Gruss vergessen, mit dem er die Begrüssung der Zuhörer erwiderte, wenn er durch ihre Reihen raschen Gangs auf das Katheder zuschritt. Wer zu ihm kam, fand bei ihm immer Bereitwilligkeit zu hören und zu helfen, Wohlwollen und Theilnahme für jedes Anliegen, und es zeugt eben so sehr für Hermanns humane Gesinnung als für die Elasticität seines Geistes, dass er, der immer beschäftigt war, jeden Besuch annahm, und im Stande war, mitten aus seiner Arbeit heraus dem Besuchenden volle Theilnahme zu schenken, und, sobald er ihn verlassen, ganz wieder in der Arbeit zu sein. Die Veranlassung, als Schüler ihm näher zu treten, gab meistens die Theilnahme an der von ihm geleiteten Gesellschaft. Gleich im Beginn seiner academischen Thätigkeit kündigte er Uebungen sowohl im Lateinisch Schreiben und Disputieren (1795) als in der Behandlung der alten Schriftsteller an (1796). Sehr bald erwuchs hieraus eine Gesellschaft, welche sich Anfangs die philologische (1801), später die griechische nannte (1805), als welche sie eine über Deutschland hinausreichende Berühmtheit erlangt hat, und in der That die Pflanzschule deutscher Philologie geworden ist. Hier in unmittelbarer Berührung mit den Einzelnen wirkte die Persönlichkeit Hermann’s in der ganzen Fülle ihrer Kraft und Liebenswürdigkeit. Er verlangte von den Mitgliedern Anstrengung und Fleiss: sie sollten Etwas leisten, das eigenthümlich und bedeutend sei; deshalb liess er ihnen volle Freiheit sich aus sich selbst zu entwickeln, aber er überwachte sie mit Ernst und Liebe. Nie suchte er ihnen durch Auctorität zu imponieren, die man ihm um so bereitwilliger zugestand, je weniger er sie suchte und gebrauchte. 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Niemand, der bei ihm gehört hat, wird den freundlichen Gruss vergessen, mit dem er die Begrüssung der Zuhörer erwiderte, wenn er durch ihre Reihen raschen Gangs auf das Katheder zuschritt. Wer zu ihm kam, fand bei ihm immer Bereitwilligkeit zu hören und zu helfen, Wohlwollen und Theilnahme für jedes Anliegen, und es zeugt eben so sehr für Hermanns humane Gesinnung als für die Elasticität seines Geistes, dass er, der immer beschäftigt war, jeden Besuch annahm, und im Stande war, mitten aus seiner Arbeit heraus dem Besuchenden volle Theilnahme zu schenken, und, sobald er ihn verlassen, ganz wieder in der Arbeit zu sein. Die Veranlassung, als Schüler ihm näher zu treten, gab meistens die Theilnahme an der von ihm geleiteten Gesellschaft. Gleich im Beginn seiner academischen Thätigkeit kündigte er Uebungen sowohl im Lateinisch Schreiben und Disputieren (1795) als in der Behandlung der alten Schriftsteller an (1796). Sehr bald erwuchs hieraus eine Gesellschaft, welche sich Anfangs die philologische (1801), später die griechische nannte (1805), als welche sie eine über Deutschland hinausreichende Berühmtheit erlangt hat, und in der That die Pflanzschule deutscher Philologie geworden ist. Hier in unmittelbarer Berührung mit den Einzelnen wirkte die Persönlichkeit Hermann’s in der ganzen Fülle ihrer Kraft und Liebenswürdigkeit. Er verlangte von den Mitgliedern Anstrengung und Fleiss: sie sollten Etwas leisten, das eigenthümlich und bedeutend sei; deshalb liess er ihnen volle Freiheit sich aus sich selbst zu entwickeln, aber er überwachte sie mit Ernst und Liebe. Nie suchte er ihnen durch Auctorität zu imponieren, die man ihm um so bereitwilliger zugestand, je weniger er sie suchte und gebrauchte. Durch Lebendigkeit, Frische und Reinheit des Gemüthes wie des Geistes auch als Greis noch ein Jüngling hat er stets das Vertrauen und die Liebe der Jugend </p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0025]
zu werden, um dem Muster des Lehrers auch in der Wissenschaft nachzustreben. Er hat seine Schüler nicht bloss geschickt, sondern tüchtig gemacht, und wenn wir die Reihe der Männer überblicken, die aus seiner Schule hervorgegangen Zierden der Wissenschaft geworden sind, wir werden keinen finden, der nicht, wie er, muthig und tapfer für Freiheit und Recht gekämpft hat. Wie hoch Hermann von seinen Schülern auch verehrt wurde, so stand er ihnen doch menschlich nahe. In seiner äusseren Erscheinung schon sprach sich eine anmuthige Freundlichkeit aus, die Jeden gewann, denn man fühlte, sie war herzlich und wahr. Niemand, der bei ihm gehört hat, wird den freundlichen Gruss vergessen, mit dem er die Begrüssung der Zuhörer erwiderte, wenn er durch ihre Reihen raschen Gangs auf das Katheder zuschritt. Wer zu ihm kam, fand bei ihm immer Bereitwilligkeit zu hören und zu helfen, Wohlwollen und Theilnahme für jedes Anliegen, und es zeugt eben so sehr für Hermanns humane Gesinnung als für die Elasticität seines Geistes, dass er, der immer beschäftigt war, jeden Besuch annahm, und im Stande war, mitten aus seiner Arbeit heraus dem Besuchenden volle Theilnahme zu schenken, und, sobald er ihn verlassen, ganz wieder in der Arbeit zu sein. Die Veranlassung, als Schüler ihm näher zu treten, gab meistens die Theilnahme an der von ihm geleiteten Gesellschaft. Gleich im Beginn seiner academischen Thätigkeit kündigte er Uebungen sowohl im Lateinisch Schreiben und Disputieren (1795) als in der Behandlung der alten Schriftsteller an (1796). Sehr bald erwuchs hieraus eine Gesellschaft, welche sich Anfangs die philologische (1801), später die griechische nannte (1805), als welche sie eine über Deutschland hinausreichende Berühmtheit erlangt hat, und in der That die Pflanzschule deutscher Philologie geworden ist. Hier in unmittelbarer Berührung mit den Einzelnen wirkte die Persönlichkeit Hermann’s in der ganzen Fülle ihrer Kraft und Liebenswürdigkeit. Er verlangte von den Mitgliedern Anstrengung und Fleiss: sie sollten Etwas leisten, das eigenthümlich und bedeutend sei; deshalb liess er ihnen volle Freiheit sich aus sich selbst zu entwickeln, aber er überwachte sie mit Ernst und Liebe. Nie suchte er ihnen durch Auctorität zu imponieren, die man ihm um so bereitwilliger zugestand, je weniger er sie suchte und gebrauchte. Durch Lebendigkeit, Frische und Reinheit des Gemüthes wie des Geistes auch als Greis noch ein Jüngling hat er stets das Vertrauen und die Liebe der Jugend
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