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Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849.

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nicht vor, aber wo sein Amt ihn berief, wo seine Stellung ihn veranlasste, da sprach er sie frei und offen, kräftig und entschieden aus, ohne Ansehen der Person, ohne Rücksicht auf Gunst und Ungunst, ohne Furcht vor Gefahr. Er war ein treuer Sachse, aber über Sachsen ging ihm Deutschland, und mit Wärme hing er stets an der Hoffnung, den deutschen Kaiserthron wieder aufgerichtet zu sehen. Auch er begrüsste in dem Frühlingssturm des vorigen Jahres den Vorboten einer grossen Zukunft für unser Vaterland, das Brausen der Windsbraut erschreckte ihn nicht. "Mag der Sturm", sagte er, "immer einige Hütten niederreissen: die werden schon wieder aufgebaut; er reinigt die Luft." Und so folgte er den wechselvollen Ereignissen in einer Stimmung, welche manchen Jüngeren beschämen konnte. Als der Reichsverweser hier eintraf, war auch Hermann unter denen, welche ihn empfingen, und er nahm in der freudigsten Bewegung an dem schönen Feste Theil. Bei seiner Heimkehr waren die Seinigen nicht ohne Besorgniss, wie er die ermüdende Anstrengung ertragen habe; er aber rief ihnen begeistert zu: "ich danke Gott, dass er mich diesen Tag hat erleben lassen!" und nachdem er ihnen ausführlich berichtet hatte, fügte er in tiefer Rührung und mit Thränen in den Augen hinzu: "es war mir, als kehrten alte Zeiten wieder; die Fürsten redeten, als ob sie nur edle Männer und brave Deutsche wären." Sein kräftiger Sinn für Recht und Freiheit machte sich in allen Verhältnissen geltend, immer war er sie zu vertheidigen bereit, und jede Unterdrückung wurde von ihm bekämpft. In den Angelegenheiten der Universität, welcher er als Rector zweimal vorstand, wie der Facultät, stand er zu jedem kräftigen Beschluss für die Ehre und Würde derselben - es war nicht seine Schuld, dass Dahlmann nicht die Zierde Leipzigs geworden ist, - und die Rechte derselben hat er gegen jeden Ein- und Uebergriff tapfer gewahrt, in der Freiheit der academischen Studien sah er das Palladium wahrer Bildung, und missbilligte jede lähmende Bevormundung, die nur die Mittelmässigkeit fördert; so streng er gegen Unsittlichkeit und Rohheit war, so milde war er gegen Fehler der Jugend, und sah ihr lieber kecken Uebermuth als feige Schlaffheit nach; als sich der Alp der demagogischen Untersuchungen über unsere Universitäten lagerte, da hat er laut und nachdrücklich seine Stimme erhoben, wie ungerecht und unklug sie seien.

Das Leben Hermanns, obgleich es in eine vielbewegte Zeit

nicht vor, aber wo sein Amt ihn berief, wo seine Stellung ihn veranlasste, da sprach er sie frei und offen, kräftig und entschieden aus, ohne Ansehen der Person, ohne Rücksicht auf Gunst und Ungunst, ohne Furcht vor Gefahr. Er war ein treuer Sachse, aber über Sachsen ging ihm Deutschland, und mit Wärme hing er stets an der Hoffnung, den deutschen Kaiserthron wieder aufgerichtet zu sehen. Auch er begrüsste in dem Frühlingssturm des vorigen Jahres den Vorboten einer grossen Zukunft für unser Vaterland, das Brausen der Windsbraut erschreckte ihn nicht. «Mag der Sturm», sagte er, «immer einige Hütten niederreissen: die werden schon wieder aufgebaut; er reinigt die Luft.» Und so folgte er den wechselvollen Ereignissen in einer Stimmung, welche manchen Jüngeren beschämen konnte. Als der Reichsverweser hier eintraf, war auch Hermann unter denen, welche ihn empfingen, und er nahm in der freudigsten Bewegung an dem schönen Feste Theil. Bei seiner Heimkehr waren die Seinigen nicht ohne Besorgniss, wie er die ermüdende Anstrengung ertragen habe; er aber rief ihnen begeistert zu: «ich danke Gott, dass er mich diesen Tag hat erleben lassen!» und nachdem er ihnen ausführlich berichtet hatte, fügte er in tiefer Rührung und mit Thränen in den Augen hinzu: «es war mir, als kehrten alte Zeiten wieder; die Fürsten redeten, als ob sie nur edle Männer und brave Deutsche wären.» Sein kräftiger Sinn für Recht und Freiheit machte sich in allen Verhältnissen geltend, immer war er sie zu vertheidigen bereit, und jede Unterdrückung wurde von ihm bekämpft. In den Angelegenheiten der Universität, welcher er als Rector zweimal vorstand, wie der Facultät, stand er zu jedem kräftigen Beschluss für die Ehre und Würde derselben – es war nicht seine Schuld, dass Dahlmann nicht die Zierde Leipzigs geworden ist, – und die Rechte derselben hat er gegen jeden Ein- und Uebergriff tapfer gewahrt, in der Freiheit der academischen Studien sah er das Palladium wahrer Bildung, und missbilligte jede lähmende Bevormundung, die nur die Mittelmässigkeit fördert; so streng er gegen Unsittlichkeit und Rohheit war, so milde war er gegen Fehler der Jugend, und sah ihr lieber kecken Uebermuth als feige Schlaffheit nach; als sich der Alp der demagogischen Untersuchungen über unsere Universitäten lagerte, da hat er laut und nachdrücklich seine Stimme erhoben, wie ungerecht und unklug sie seien.

Das Leben Hermanns, obgleich es in eine vielbewegte Zeit

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nicht vor, aber wo sein Amt ihn berief, wo seine Stellung ihn veranlasste, da sprach er sie frei und offen, kräftig und entschieden aus, ohne Ansehen der Person, ohne Rücksicht auf Gunst und Ungunst, ohne Furcht vor Gefahr. Er war ein treuer Sachse, aber über Sachsen ging ihm Deutschland, und mit Wärme hing er stets an der Hoffnung, den deutschen Kaiserthron wieder aufgerichtet zu sehen. Auch er begrüsste in dem Frühlingssturm des vorigen Jahres den Vorboten einer grossen Zukunft für unser Vaterland, das Brausen der Windsbraut erschreckte ihn nicht. «Mag der Sturm», sagte er, «immer einige Hütten niederreissen: die werden schon wieder aufgebaut; er reinigt die Luft.» Und so folgte er den wechselvollen Ereignissen in einer Stimmung, welche manchen Jüngeren beschämen konnte. Als der Reichsverweser hier eintraf, war auch Hermann unter denen, welche ihn empfingen, und er nahm in der freudigsten Bewegung an dem schönen Feste Theil. Bei seiner Heimkehr waren die Seinigen nicht ohne Besorgniss, wie er die ermüdende Anstrengung ertragen habe; er aber rief ihnen begeistert zu: «ich danke Gott, dass er mich diesen Tag hat erleben lassen!» und nachdem er ihnen ausführlich berichtet hatte, fügte er in tiefer Rührung und mit Thränen in den Augen hinzu: «es war mir, als kehrten alte Zeiten wieder; die Fürsten redeten, als ob sie nur edle Männer und brave Deutsche wären.» Sein kräftiger Sinn für Recht und Freiheit machte sich in allen Verhältnissen geltend, immer war er sie zu vertheidigen bereit, und jede Unterdrückung wurde von ihm bekämpft. In den Angelegenheiten der Universität, welcher er als Rector zweimal vorstand, wie der Facultät, stand er zu jedem kräftigen Beschluss für die Ehre und Würde derselben &#x2013; es war nicht seine Schuld, dass Dahlmann nicht die Zierde Leipzigs geworden ist, &#x2013; und die Rechte derselben hat er gegen jeden Ein- und Uebergriff tapfer gewahrt, in der Freiheit der academischen Studien sah er das Palladium wahrer Bildung, und missbilligte jede lähmende Bevormundung, die nur die Mittelmässigkeit fördert; so streng er gegen Unsittlichkeit und Rohheit war, so milde war er gegen Fehler der Jugend, und sah ihr lieber kecken Uebermuth als feige Schlaffheit nach; als sich der Alp der demagogischen Untersuchungen über unsere Universitäten lagerte, da hat er laut und nachdrücklich seine Stimme erhoben, wie ungerecht und unklug sie seien.</p>
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[27/0027] nicht vor, aber wo sein Amt ihn berief, wo seine Stellung ihn veranlasste, da sprach er sie frei und offen, kräftig und entschieden aus, ohne Ansehen der Person, ohne Rücksicht auf Gunst und Ungunst, ohne Furcht vor Gefahr. Er war ein treuer Sachse, aber über Sachsen ging ihm Deutschland, und mit Wärme hing er stets an der Hoffnung, den deutschen Kaiserthron wieder aufgerichtet zu sehen. Auch er begrüsste in dem Frühlingssturm des vorigen Jahres den Vorboten einer grossen Zukunft für unser Vaterland, das Brausen der Windsbraut erschreckte ihn nicht. «Mag der Sturm», sagte er, «immer einige Hütten niederreissen: die werden schon wieder aufgebaut; er reinigt die Luft.» Und so folgte er den wechselvollen Ereignissen in einer Stimmung, welche manchen Jüngeren beschämen konnte. Als der Reichsverweser hier eintraf, war auch Hermann unter denen, welche ihn empfingen, und er nahm in der freudigsten Bewegung an dem schönen Feste Theil. Bei seiner Heimkehr waren die Seinigen nicht ohne Besorgniss, wie er die ermüdende Anstrengung ertragen habe; er aber rief ihnen begeistert zu: «ich danke Gott, dass er mich diesen Tag hat erleben lassen!» und nachdem er ihnen ausführlich berichtet hatte, fügte er in tiefer Rührung und mit Thränen in den Augen hinzu: «es war mir, als kehrten alte Zeiten wieder; die Fürsten redeten, als ob sie nur edle Männer und brave Deutsche wären.» Sein kräftiger Sinn für Recht und Freiheit machte sich in allen Verhältnissen geltend, immer war er sie zu vertheidigen bereit, und jede Unterdrückung wurde von ihm bekämpft. In den Angelegenheiten der Universität, welcher er als Rector zweimal vorstand, wie der Facultät, stand er zu jedem kräftigen Beschluss für die Ehre und Würde derselben – es war nicht seine Schuld, dass Dahlmann nicht die Zierde Leipzigs geworden ist, – und die Rechte derselben hat er gegen jeden Ein- und Uebergriff tapfer gewahrt, in der Freiheit der academischen Studien sah er das Palladium wahrer Bildung, und missbilligte jede lähmende Bevormundung, die nur die Mittelmässigkeit fördert; so streng er gegen Unsittlichkeit und Rohheit war, so milde war er gegen Fehler der Jugend, und sah ihr lieber kecken Uebermuth als feige Schlaffheit nach; als sich der Alp der demagogischen Untersuchungen über unsere Universitäten lagerte, da hat er laut und nachdrücklich seine Stimme erhoben, wie ungerecht und unklug sie seien. Das Leben Hermanns, obgleich es in eine vielbewegte Zeit

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Zitationshilfe: Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_rede_1849/27>, abgerufen am 03.12.2024.